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mir es stets wohlgemeint. Jetzt hab ich gar keinen Verwandten mehr auf dieser Welt.

      Ostern 1831

      In den Winkelwäldern müssen die kirchlichen Feste und Darstellungen das ersetzen, was sie draußen in der Welt die Kunst nennen.

      So wie ich nach meinem armen Können für die Weihnachtszeit ein Kripplein aufgestellt, so hat nun der Ehrenwald mit seinen Söhnen ein Grab Christi geschaffen.

      Da stehen im Seitenschiffe der Kirche vier hohe, mit Bildern aus der Leidensgeschichte gezierte Bretterbogen wie Eingangspforten, die von der vordersten bis zu der hintersten immer enger und dunkler werden. Und im dämmerigen Hintergrunde ist in einer Nische die Grabesruh Jesu, und darüber der Tisch für das Heiligste, umgeben von einem Kranze bunter Lampen. An beiden Seiten des Grabes stehen zwei römische Kriegsknechte zur Wacht. Bei der Feier der Auferstehung verschwindet der Leichnam, und in dem Lampenkranze erhebt sich das Bild des auferstandenen Heilandes mit den Wundmalen und mit der Fahne.

      Ein tiefer Sinn liegt in der ganzen Begehung. – Die Fastenzeit schreitet vor, wird ernster und ernster; die Musik verstummt wochenlang, die Bildnisse verhüllen sich. Es naht die Karwoche, der würdevolle Palmsonntag, der geheimnisvolle Gründonnerstag, der düstere, tiefbetrübte Karfreitag, der stille Samstag. In der Ruhe liegt ein Ahnen und Sehnen, und leise mahnt des Propheten Wort: Sein Grab wird herrlich sein! – Noch einmal verdüstert sich das Gotteshaus wie Golgatha in der Finsternis; aber die roten und grünen Lampen glühen, die Festkerzen strahlen – da erschallt hell und freudevoll der Ruf: »Er ist auferstanden!« – Jetzt klingen die Glocken, klingt die Musik, knallen die Böller; und die Fahnen, rot wie brennendes Feuer, wehen, und die Menschenschar zieht in das Freie, und ihre Lichter flammen in Abenddämmerung hin durch den Wald.

      In den Städten haben sie einen noch viel größeren, einen schweren Prunk. Aber wo nehmen sie die Stimmung und wo nehmen sie die wahre, hoffende Freude an der Auferstehung, die in der gläubigen Armut liegt! Inneren Frieden suchend, schleichen sie abseits an der Kirchhofsmauer hin und murmeln mit dem unseligen Doktor: »Die Botschaft hör' ich wohl...«

      Lenzmonat 1831

      Ich hebe bereits an, aus der Erbschaft Bauten aufzuführen. Ich baue mir in Winkelsteg ein großes, schönes Haus, größer als der Pfarrhof. Den Plan dazu hab' ich schon fertig. Aber ich selber will darin nicht wohnen, solang ich die Schulmeisterei mag betreiben. Einmal dem siechen Reutmann im Karwasserschlag gebe ich im Hause ein Stübchen; und die alte, kinderlose Brunnhütterin aus den Karwässern führe ich hinein und die kranke Aga; dann führe ich den Markus Jäger herbei, der erblindet ist, und den Josef Ehrenwald, den ein fallender Baum geschädigt hat. Und andere und andere, und so wird das große Haus nach und nach voll werden. Es torkeln viele mühselige Leute herum in den Winkelwäldern.

      Einen Arzt und frische Arzneien stelle ich ihnen auch her, das heißt, wenn das Geld auslangt. Dann nehme ich possierliche Leute auf, die viel Musik machen und ansonsten allerhand unterhaltlich Spiel treiben. Ein Armenhaus muß man nicht auch noch mit Einsamkeit und Trübsal umgeben; die lustige Welt soll ihm zu allen Fenstern hereinlugen und sagen: Ihr seid auch noch mein, und ich lass' euch nicht fahren!

      Den Baugrund für dieses Haus brauche ich heute noch nicht zu zahlen, denn ich baue einstweilen mein Schloß nur so in die Luft hinein. Die Erbschaft ist noch nicht da. Aber es heißt, meine Base hätte im Glücksspiel große Summen gewonnen.

       Dem alten Rüpel werde ich in meinem Armenhause das freundlichste Kämmerlein weisen. Der arme Mann ist schier ganz verlassen. Seine Sprüche lohnen die Leute kaum mehr mit einem Stück Brot. Sie haben vergessen, wie sie vormaleinst zu festlichen Stunden so oft von den heiterfrommen Liedern erbaut worden sind, wie sie gelacht und geschluchzt haben dabei, und wie sie so oft zueinander gesagt haben: »'s ist, wie wenn der Heilige Geist aus ihm tät' reden.«

      Freilich wohl ist bei dem Alten heute nicht mehr viel zu holen, und er wird schon recht kindisch. Jetzund hat er sich aus Baumästen einen Reifen gebogen und in demselben eitel Strohhalme wie Saiten aufgezogen. Das ist seine Harfe, er lehnt sie an seine Brust, legt die Finger auf die Halme und murmelt seine Gesänge,

      Es ist doch ein rührender Mensch, wenn er so dasitzt auf einem Stein im Waldesdunkel, gehüllt in seinen fahlfarbigen, weiten Mantel, umwuchert von seinem langen, schneeweißen Bart, von seinen schimmernden Lockensträhnen, die voll und wild über die Achsel wallen. Sein starres, tautrübes Auge richtet er zu den Wipfeln empor und singt den Vöglein, von denen er es gelernt.

      Die Tiere des Waldes fürchten sich nicht vor ihm; zuweilen hüpft ein Eichhörnchen nieder vom Geäste auf seine Achseln und macht ein Männchen und sagt ihm was ins Ohr.

      Seine Worte werden immer unverständlicher, so wie seine Lieder. Er paßt seine Gesänge auch nicht mehr den Menschen und ihren Gelegenheiten an. Er singt tolle Liebes- und Kindeslieder, als träume er seine Jugend. Wenn der Weißbart zur Sommerszeit unbeweglich auf einer Bergeshöhe sitzt, so meint man von weitem ein Sträußchen Edelweiß zu sehen.

      Dann laufen Käfer und Ameisen an seinem Rock und krabbeln an seinem Bart empor; und Hummeln umkreisen sein Haupt, als ob wilder Honig drin wäre.

       Der Pfarrer hat mir eine Besorgnis mitgeteilt.

      Er sagt, es sei möglich, daß ich ein reicher Mann würde. Und als reicher Mann zöge ich fort in die Welt, um all die Wünsche mir zu erfüllen, die ich in der Einsamkeit ausgeheckt und großgepflegt hätte.

      Diese Äußerung hat mir eine ruhelose Nacht gekostet.

      Ich habe mein Herz erforscht und wahrhaftig einen Wunsch in demselben gefunden, der weit über die Winkelwälder hinausgeht.

      Aber mit Gut und Geld ist er nicht zu erfüllen. Sie ist vermählt...

      Was lästerst du, Andreas? Dein Wunsch ist ja erfüllt. Sie ist glücklich.

      Am 24. des Lenzmonats 1831

      Heute haben sie in den Lautergräben den Sturmhans von der Wolfsgrubenhöhe tot gefunden. Es ist an der Leiche der Bart versengt. Die Leute sagen, eine blaue Flamme, die aus dem Mund hervorgestiegen, habe ihn getötet. Sie erklären es sich so: der Sturmhans habe sehr viel Wacholderbranntwein getrunken, habe sich dann etwan eine Pfeife anzünden wollen, und anstatt des Tabaks habe der Atem Feuer gefangen und dem Manne die Seele herausgebrannt.

      Gut zur Hälfte wird das wohl richtig sein.

      Am l. April 1831

      Heute ist mir meine Erbschaft behördlich zugewiesen worden.

      Sie besteht aus drei Groschen und einem Brief von der Muhme-Lies.

      Der Brief liegt bei:

      »Lieber Andreas!

      Ich bin alt und krank und hilflos. Du bist, Gott weiß wo, im Gebirge. In meiner Krankheit denke ich über alles nach. Ich habe Dir wohl Unrecht getan und bitte Dich um Verzeihung. Dieses Geld drückt mich am meisten, es ist Dein Patengeschenk; Du hast es seiner Tage für Deinen Vater in den Himmel schicken wollen. Ich habe es Dir damals genommen. Nimm das Andenken zurück, Andreas, und verzeihe mir. Ich will ja ruhig sterben. Gott segne Dich, und eines muß ich Dir noch sagen: Wenn Du im Gebirge bist, so gehe nicht mehr zurück. Alles ist eitel. In guten Tagen sind mir meine Freunde getreu gewesen; jetzt lassen sie mich in der Armut sterben.

      Ich küsse Dich viel tausendmal, mein lieber, einziger Blutsverwandter. Wenn mich Gott in den Himmel nimmt, so will ich Deine Eltern grüßen.

      Deine bis in den Tod liebende Muhme Elise.«

      Fronleichnam 1831

      Seit drei Jahren schon sammeln wir Geld für einen Traghimmel. Aber wir Winkelsteger können uns den Himmel nicht kaufen. Wir müssen uns selber einen machen.

      Der alte Schwammelfuchs hat aus grünenden Birkensträußchen ein tragbares Zelt gebaut, auf daß wir zu diesem Feste das Hochwürdigste nach gebührender Weise aus der Kirche in das Freie tragen können.

      Das ist ein feierlicher Umgang gewesen im Sonnenschein. Und die Leute, von dem harten Winter endlich befreit, haben hellen Lobgesang gesungen. Im Walde haben wir geruht, und der Pfarrer

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