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und humpelt wieder zur Tür hinaus.

      Die Leute sind ganz schweigsam und andächtig geworden; und erst als die Kirchenglocken zu läuten anheben, werden sie wieder lebendiger und verlassen, unbeholfen in Worten und Gebärden, die Stube.

      Ich habe das Licht ausgelöscht, das Haus verlassen und bin in die Kirche gegangen. Das ist die Nacht, in welcher vom Orient bis zum Okzident die Glocken läuten. Ein Freudenruf schallt durch die Welt, und die Lichter strahlen wie ein Diamantgürtel um den Erdball. – Auch in unserer Kirche ist es licht wie am hellen Tage, nur zu den Fenstern schaut die schwarze Nacht herein. Jeder hat ein Stück Kerze oder gar einen ganzen Wachsstock mitgebracht, denn in der Christnacht muß er seinen Glauben und sein Licht haben. Die Leute drängen sich zum Kripplein, das heute an der Stelle des Beichtstuhles aufgerichtet worden ist. Ich habe vor mehreren Jahren aus Linden- und Eschenholz die vielen kleinen Figuren geschnitzt und sie zur Versinnlichung der Geburt Christi zusammengestellt. Es ist der Stall mit der Krippe, mit dem Kindlein mit Maria und Josef, mit Ochs und Esel, es sind die Hirten mit den Lämmlein, die heiligen Könige mit den Kamelen; es sind ferner spaßhafte Gestalten und Gruppen, wie sie Freude, Wohltun und Liebe zum Christkinde nach der Leute Auffassung ausdrücken sollen. In der Luft hängen die Engel und die Sterne, und im Hintergrunde ist die Stadt Bethlehem.

      Was der Rüpel weiß zu sagen in Worten, das will ich durch diese Bilder erzählen. Und die Leute erbauen sich baß an dieser Darstellung. Aber sie halten sie, Gott sei Lob, eben nur wie ein Bild, von dem sie wissen, daß es nichts bedeuten und nichts wirken kann als die Erinnerung.

      Mit einem Heiligenbilde auf dem Hochaltare wäre das anders; das hätten sie Jahr um Jahr und in allen Lebenslagen vor Augen, das täten sie wohl zum Herrgott selber machen.

      Auf dem Chore ist in dieser Nacht Unheil gewesen. Der Pfarrer stimmt schon das ambrosianische Loblied an, ich sitze an der Orgel und ziehe zur hohen Festfreude alle sechs Stimmenzüge auf – da platzt jählings der Blasebalg, und die Orgel stöhnt und pfaucht und gibt keinen einzigen klingenden Ton. Meiner Tage bin ich nicht in solcher Verlegenheit gewesen wie in dieser Stunde. Ich bin der Schulmeister, der Choraufseher, ich muß Musik machen; und die Musik ist ja eigentlich das Fest, und ohne Musik gibt es in der Kirche gar keine Christnacht. Aller Leut' Herzen hüpfen, aller Leut' Ohren spitzen sich der Musik entgegen, da schürft mir der Teuxel jetzt den Blasbalg auf. Ich habe meinen Kopf in die Hände genommen, hätte ihn am liebsten zum Fenster hinausgeworfen. Vergebens hüpfen meine Finger alle zehn über die Tasten hin; taubstumm ist das ganze Zeug und wie maustot.

      Der Paul Holzer, sein Weib und die Adelheid von der Schwarzhütte, die auf dem Chore neben mir sitzen, merken wohl meine Pein, aber sie rücken nur so her und hin und hüsteln und räuspern sich und heben an in hellen Stimmen zu singen: »Herrgott, dich loben wir all!«

      Das ist mir wie Öl ins Herz gegangen.

      Aber das Lied wird bald aus sein, und danach kommt das Hochamt, und da muß Musik, Chormusik sein um alle Welt.

      Holpert der alte Rüpel die Treppe herauf; »Schulmeister! Will schon heut' die Orgel schweigen, so nimm die Geigen!«

      »O Gott, Rüpel, die ist zu Holdenschlag beim Leimen!«

      »Und kunnt' ich auch die Geigen nicht zuwege bringen, so tät' ich bei' meiner Treu die Kirchenlieder auf der Zither singen!«

      Für dieses Wort habe ich den Alten so stürmisch umarmt, daß er erschrocken ist. Ich eile und hole die Zither, und bei dem Hochamte klingt auf dem Chor ein Saitenspiel, wie es in dieser und etwan auch in einer andern Kirche niemalen so gehört worden ist. Die Leute horchen, der Pfarrer selber wendet sich ein wenig um und tut einen kurzen, raschen Blick gegen mich herauf.

      Und so ist mitten in der langen Winternacht zu Winkelsteg das Christfest gefeiert worden. Leise zittern und wiegen die Saitentöne; sie singen dem neugeborenen Jesukindlein das Wiegenlied und den Menschen den Frieden. Und sie schrillen und wecken das schlafende Kind, ehe der falsche Herodes kommt; und sie trillern ein Wanderliedchen für die Flucht nach Ägypten.

      Ich spiele den Meßgesang, spiele Lieder, wie sie meine Mutter gesungen, und mein Nährvater, der gute Schirmmacher, und im Hause des Freiherrn die Jungfrau ...

      Und letztlich weiß ich selber nicht mehr, was ich kindischer Mann der Gemeinde und dem heiligen Kind hab' vorgespielt in dieser Christnacht.

      Ich werde den Winkelstegern noch so verrückt wie der Reim-Rüpel.

      Nach dem Mitternachtsgottesdienst hat der Pfarrer durch mich die Ärmsten der Gemeinde, die Alten, die Bresthaften, die Verlassenen, zu sich in den Pfarrhof rufen lassen.

      Je! da ist es noch heller als in der Kirche! Da ist mitten in der Stube ein Baum auf gewachsen und der blüht in Flammenknospen an allen Ästen und Zweigen.

      Da gucken die alten Männlein und Weiblein gottswunderlich drein und kichern und reiben sich die Augen über den närrischen Traum. Daß auf einem Baum des Waldes Lichter wachsen, das haben sie all ihrer Tage noch nicht gesehen.

      – Jenes Wundervöglein von den tausend Jahren, sagt der Pfarrer, sei wieder durch den Wald geflogen, habe ein Samenkorn in den Boden gelegt und dem sei dieses Bäumchen mit den Flammenblüten entsprossen. Und das sei der dritte Baum des Lebens. Der erste sei gewesen der Baum der Erkenntnis im Paradiese; der zweite sei gewesen der Baum der Aufopferung auf Golgatha; und dieser dritte Baum sei der Baum der Menschenliebe, der uns das Golgatha der Erde wieder zum Paradiese gestalte. Im brennenden Dornbusch habe Gott vormaleinst verkündet, und in diesem brennenden Busche wiederhole er es heute: Du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst!

      Hierauf hat der Pfarrer die Kleidung und Nahrung verteilt, wie die Gaben bestimmt gewesen, und die Worte gesagt: »Nicht mir danket, das Christkind hat's gebracht!«

      »Du mein, du mein!« rufen die Leute zueinander, »Jetzund steigt uns das Christkind schon gar in den Wald herein! Ja, weil wir halt eine Kirche haben und so viel einen guten Herrn Pfarrer!«

      Der Rüpel, auch einer der Beschenkten, ist allein kindischer als die andern allmitzusammen. Er eilt um den Baum herum, als täte er das Christkind suchen im Gezweige. – »Aber mein!« schreit er endlich, »die Sonn' darf nicht bös auf mich werden, ich weiß kein Licht auf der Erden, weiß keins zu nennen, das so hell tät' brennen wie dieser Wipfel mit seinem Gipfel! Seid fein still und lauscht! Hört ihr, wie's in den Zweigen rauscht? Wie Spatzen fliegen die Engelein und bauen ein Nest fürs Christkind zum heiligen Fest. Der Weiße dort, der Kleine – Flügel hat er noch keine – der war' jetzt schier herabgefallen. Geh, laß dir ein paar Steigeisen teilen vom Schmied, ich will sie schon zahlen. Schau, ich hab' heut' ein warm Jöpplein 'kriegt, und in jedem Säckel ein Taler liegt. – Und kommet, ihr Engel, nur auch bald zu allen anderen Bäumen in unserem Wald, auf daß ihr tätet anzünden die Lichterkronen zu tausend Millionen!«

      Keinen Löffel voll hat der alte Rüpel gegessen, als die andern beim Grassteiger warme Suppe genießen. Und als Stroh in die Stube getragen und ein Lager bereitet ist worden, daß die Leutchen nicht in der Nacht zu ihren fernen Hütten wandern müssen, da ist der Rüpel hinausgegangen unter den freien Himmel und hat die Sterne gezählt und jedem einen Namen gegeben. Und der aufgehende Morgenstern hat den Namen »Vater Paul« erhalten.

       Der Pfarrer hat sich mehrmals an den Waldherrn gewendet, auf daß den Kleinbauern hier – die sich den schlechten Boden mit vieler Mühe nutzbar gemacht haben – dieser Boden gegen Entgelt zu eigen überlassen werden möge. Es ist aber kein Bescheid zurückgekommen. Es heißt, der alte Herr sei auf Reisen und der junge in der Hauptstadt, und die Welt sei zu weit und die Hauptstadt zu laut, als daß so ein Wort aus dem Walde gehört werden könne.

      Wir Winkelsteger bleiben denn Lehensleute.

      Am 14. des Eismonats 1831

      Heute habe ich die Nachricht von dem Tode meiner Base, der Muhme-Lies, erhalten. Sie hat mich zu ihrem Erben eingesetzt. Alle Jugendbekannte, die sich seit zwanzig Jahren nicht mehr um mich gekümmert haben, beglückwünschen mich zur Erbschaft. Ich weiß aber noch nichts Näheres. Wieviel kann die alte Frau denn besessen haben? Wohl war sie reich gewesen, hat aber alles in Glücksspielen versetzt.

      Und

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