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Zunge, befeuchtete die trüben Augen und wich nicht von ihm.

      »Hättest mich lassen.« Murmelte er, »ich wäre lieber ertrunken, in der Erde erstickt, als so – als so. Und Euch wäre ich nicht zum Gifte geworden.«

      »Nein Nantel, Du wirst wieder leben.«

      Er lachte heiser, dann versetzte er leise: »Ich hoffe, mein liebes Weib, wir werden Alle wieder leben. Hast Du mir noch Treu, so gehe jetzt zu den Kindern – ich will schlafen.«

      Spät in der Nacht war das. Die Josa ging, und als sie nach kurzer Zeit wieder kam, um zu warten, war der Kranke nicht mehr da. Die Thür ins Freie stand offen. Sie lief hinaus, sie rief seinen Namen. Die Felsen riefen es nach. Das war eine Nacht für das arme Weib! Erst am Morgen hat sie ihn gefunden, abseits im Dickicht in einem tiefen, selbstgeschaufelten Grabe, theils mit Erde bedeckt. So hatte der Nantel in vorhinein für einen bösen Fall sich selbst das Grab gegraben und, wie die Spuren zeigten, sich selbst in dasselbe gelegt, um darin zu sterben – damit sein Leib Weib und Kind nicht vergifte.

      Als ob die Treue dieses Herzens das Schicksal gerührt hätte, in der Familie des Nantel erkrankte und starb Keines mehr und sie hatten das Glück, über die Wüsten des Trasank dem unseligen Kreise zu entkommen, nachdem sie das theure Grab noch mit heißen Tränen begossen. –

      Gar absonderlich ist das Blatt über den Faun von Trawies.

      Ein verkommener Wicht! Die wenigen Kleider, die er auf seinem braunen, haarigen Leibe trug, waren ihm zu weit. Das schlotterte so in Fetzen daher, und darüber saß das narbige, gelbborstige, kegelspitze Haupt mit dem gierigen Mund, mit den gestutzten Ohren und den schielenden Äuglein, die gar unstet hin und her fuhren. Er wollte rasten und es graute ihm vor der Scholle, auf welcher seine nackten Füße standen; er wollte fliehen, und wußte nicht mehr wohin. In dem Schatten des Tärn war er viel herumgeschlichen; als der Wald verdorrte, kroch er in die Höhlen; als es darüber brannte, mußte er auch aus diesen fliehen. Hinaus über die Grenze? O, dort standen die Pfähle. Hinab zur Trach? Dort war das wilde Sterben.

      Der kleine Baumhackel machte es wie Viele: er gab an seinem Elende Anderen die Schuld. Und er hatte Grund dazu. Er hatte nicht brandgestiftet und nicht gemordet, aber ihm ging es schlechter als Solchen, die es gethan. Er wart stets bereit gewesen, Jedem zu dienen, und Mancher hatte ihn zum Werkzeug mißbraucht und sich durch ihn bereichert. Er spähte die Beute aus, Andere raubten sie; er war die Brieftaube von einem Versteck zum anderen; dort, wo es unsicher war, lauerte er; wo es ein Schelmenstück zu vollführen gab, war er der Gesuchteste und Schlaueste. Vielerlei, was hier verschwiegen bleiben muß, hatte er in Diensten des Freiwild gethan, als dankbare Abstattung für die Zeugenschaft, die Jener ihm dazumal in Sachen des Schafdiebstahles geleistet hatte. Damals hatte den Faun der Schafdiebstahl gerettet, so stahl er noch öfters Schafe, Lämmer und Ziegen; man kann nicht wissen, wozu es gut ist. Die finstersten Kerle wählten ihn für ihre Unternehmungen zum Vertrauten und Helfershelfer. Und hatte er seinen Mann gestellt, so dankten sie ihn ab und wollten von einem Lohn nichts wissen.

      Da war es vor Allen der Holzer Stom gewesen, der ihn zu seinen Plänen benutzen wollte; der herrische Holzer Stom – er brachte es nicht zu dem, was er wollte – er wurde nicht König von Trawies, aber er verstand es, auf manche Leute einen Druck zu üben. Wahnfred war ihm im Wege, und der ließ sich nicht umgehen, der genoß einen ganz besonderen Respect; einmal weil er sich vor den Leuten gern in vornehmer Ferne hielt, schroff und strenge war, und geheimnisvoll in seinem Thun und Lassen.

      Der Stom hatte sich in einer Nacht mit dem kleinen Baumhackel verabredet. Der Baumhackel sollte den Wahnfred aus dem Wege schaffen. Wir haben damals das Gespräch im Schachen hinter dem Sandhockhause vernommen. Der Faun wartete auf Gelegenheit und umspähte den Schreiner, hatte aber nicht den Muth, ihm zu Leibe zu gehen. Es war lange her, da hatte er eines Tages eine fünfblätterige Kleepflanze gefunden. Er trug dieselbe heim und legte sie unter das Strohkissen seines Hauptes. Zu der nächsten Nacht, als der Baumhackel schon eingeschlafen war, kam der Teufel an sein Bett und fragte, warum er ihn durch den Fünfblätterigen gerufen habe? – Der kleine Baumhackel antwortete: »Ich bin ein braver Mann und will kein Mörder werden, darum sollst Du mir den Schreiner Wahnfred aus dem Wege schaffen.« – Hierauf der Teufel: »Was soll ich denn mit ihm machen?« – Sonach der Baumhackel: »Das geht mich nichts an. Er ist dahier zu viel.« – Sagte der Teufel: »Gut, ich schaffe ihn Euch aus den Augen, und Du verpfändest mir Deine Seele.« – »Meine Seele?« entgegnete in Angstschweiß der Faun. »Nein, die kann ich nicht, die gehört meinem lieben Jesus.« – »Die gehört schon ihm,« sagte der Teufel, »ich will dafür drei Jahre von Deinem Leben.« – »Sollst sie haben, nur nicht die besten drei.« – »Ich will die schlechtesten drei, damit Du siehst, daß ich billig bin.« – »Diese kann ich ihm geben,« dachte der Baumhackel, »denn sie sind ja schon vorbei und fürder, wenn der Stom Hauptmann ist, wird’s mir gut gehen.« – Der Teufel verschwand; der kleine Baumhackel erwachte aus seinem schweren Traume. Und kurze Zeit darauf war der Schreiner Wahnfred verschwunden – und das Haus des Feuerwart stand leer.

      Zu selben Zeit war’s ja, als sich Wahnfred auf den Berg des Johannes zurückgezogen hatte. Der kleine Baumhackel aber hielt das Verschwinden des Mannes nun wirklich für ein Werk des Bösen, das er selbst verursacht, er ging zum Stom und verlangt sein »gutes Leben«.

      Die Anstrengungen des Stom, die Herrschaft von Trawies an sich zu reißen, mißlangen schmählich; mit Steinwürfen gaben ihm die Leute zu verstehen, daß der Wolf nicht erschlagen worden war, um einem Wolfe Platz zu machen. Und der Stom schlug in seinem Unmuthe dem lohnbegehrenden Baumhackel die Hand ins rothe Haar und jagte ihn davon.

      Da war der Baumhackel tief betrübt. Er hatte drei Jahre von seinem geliebten Leben verpfändet und sollte nichts dafür kriegen? Dann ging ja das heiße Elend sofort an – vielleicht der Jahre schlechtesten drei, und der Schwarze konnte zu jeder Stunde kommen und das Seine holen. Dann erwachte in dem kleinen Faun der Haß gegen den Stom, er verfolgte ihn, aber er stellte sich nicht vor, sondern hinter ihn. Er hetzte die Leute gegen den Stom auf, durchkreuzte seine Pläne, suchte sogar, als er ihn einmal im entlegenen Busch schlafend fand, ihn zu knebeln und so seinem Schicksale zu überlassen. Er selbst wollte keinen Mord auf dem Gewissen haben, aber der Stom müsse verhungern oder von Wölfen vertilgt werden

      Als jedoch der Baumhackel eben die Schlinge zog, fuhr der Stom wie ein gereizter Tiger auf, erfaßte den Faun und knirschte zornglühend: »Jetzt, mein feines Baumhacklein, jetzt ist der Teufel um Dich da.«

      Der kleine Gauch zitterte wie das Wildkraut daneben und flehte mit gerungenen Händen um Barmherzigkeit.

      »Du hast mich lange genug geneckt,« sagte der Stom, »hast wie ein Wiesel nach mir gebissen und wie eine Natter nach mir gestochen. Sei doch vernünftig und ächze nicht, keinen Zahn breche ich Dir aus, nicht einmal blenden will ich Dich. Ich beweise Dir, daß der Stom sich vor dem Baumhackel nicht fürchtet, aber merken will ich Dich, daß ich Dich um so leichter erkenne, wenn wir uns wiedersehen. Komm nur her da, es geschieht dir weiter nichts.«

      Er hob den zappelnden Knirps, setzte ihn zwischen seine Knie, wo er den Hals wie mit einer Zange einklemmte. Der Baumhackel starrte stumm drein, er konnte sich nicht denken, was hier geschehen sollte; als er aber sah, wie der Stom das Messer aus dem Sacke zog –

      Nein, das malt sich nicht aus. Es sei nur erzählt, wie der Stom noch sagte: »Ein ärmerer Wicht, als Du bist, ist mir noch nicht vorgekommen. Und ein so königliches Geschenk habe ich noch Keinem gemacht, als ich Dir jetzt mache. Dir schenke ich das Leben. Aber Deine Ohren sind mir zu lang.«

      Seit diesem Tage lief der Faun mit gestutzten Ohren umher, und so sehen wir ihn auch jetzt der Trach entlang rennen, fliehend vor der Seuche. Dem Hause des voreinstigen Waldhüters eilte er zu. Bei seinem Bruder hoffte er den Hunger zu stillen und Rast zu finden. Als er die Thür öffnete, sah er, das Haus war leer und auf der finsteren Erde lag sein Bruder. Er floh entsetzt über die Au. Auf der Au sah er seinen Feind, den Stom, dahergehen, er wich ihm aus, huschte ins nahe Dickicht. Der Stom schien auch erschöpft zu sein, er wankte auf seinen gewundenen Stock gestützt dem Hause des Waldhüters zu und trat in dasselbe. Das sah der kleine Baumhackel und jetzt fiel es ihm ein, er könne seine drei Jahre und seine zwei Ohren rächen. Mit Hast lief er durch das Gebüsch dem Hause

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