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wir folgen. Den Propheten des Feuers wissen wir auf dem Berge des Johannes. Aber es ist noch ein Anderer, der seinen Gott und seinen Himmel in einem anderen Feuer sucht – in der Gluth eines liebenden Herzens.

      Der Sohn des Wahnfred, der mitten in der Öde seiner Abgeschlossenheit tief innen die Leidenschaft der jungen Lust erfaßt hatte, der lebensfreudige, liebesdurstige Erlefried – was ist aus ihm geworden?

      Seit jener Abendstunde, da er, einer Stimme folgend, hinangestiegen war gegen die Wände des schründigen Torfstein, an dessen Fuße sich zur Zeit der Brand erhob, war Erlefried nicht mehr gesehen worden. Ein einziger Mensch, den er fand, mit dem er war, der sah in nicht, den der war blind.

      Bertha, die junge Gefangene in der Felsenhöhle, hatte oft und oft versucht, einen Ausgang, eine Erlösung zu finden; aber sie fand sich im Labyrinth der Grotten und Schachte nicht zurecht und war immer noch froh, wenn sie das an die Wand geschmiedete Lämpchen wieder schimmern sah und sie tief erschöpft niedersinken konnte auf ihr weiches Lager. Sie hatte aufgehört zu sinnen und zu grübeln, warum es so mit ihr sei, sie glaubte nicht mehr an das, was sie sah und empfand, hielt alles für eine Täuschung der Sinne und hatte sich vertraut gemacht mit dem Gedanken: die Nacht des Wahnsinns sei über sie gekommen.

      »Du närrische Bertha,« so sprach sie häufig mit sich selbst, »was peinigst du dich so, du bist nur krank. Das ist der Johannesberg, und das ist das Haus und die Stube, und das ist nicht der Schreckliche Mann, das ist die gute Mutter, die dir das Bett macht und das Haar flicht. Mußt es mir nicht für Übel halten, Mutter, daß ich so ungeberdig bin, ich bin so viel krank und es kommen mir Sachen vor, daß es ein grausen ist. Diese Höhle, wenn ich mir nur die einmal aus dem Kopf schlagen kunnt, und wenn ich den fremden Menschen nicht immer an der Seiten hätt’, er grinst so, er sagt, er ist der Teufel, ich glaub’s schon, ich glaub’s. – Im Gottesnamen, ich mach’ die Augen zu, Mutter, mußt nicht weinen.«

      Da war’s aber doch an jenem Tage, als der Wald zu brennen anhub, als ihr unheimlicher Wirth nicht kommen wollte und sie zu hungern begann, daß sie neuerdings nach einem Ausweg spähte. Sie trieb sich fort in den finsteren Löchern, sie kletterte und kroch, und wo der Weg aufhörte, da riß sie lockere Steine von der Wand und grub und Grub, als wollte sie sich noch tiefer in den Berg hineingraben. So trieb sie’s eine Weile, bis mit einemmale die Wand vor ihr zusammenfiel und ein greller Blitz an ihr Auge schlug. Aber nur ein einziger kurzer Strahl; derselbe Augenblick, der ihr das Tageslicht wieder gezeigt, stieß sie in die ewige Nacht – zerstörte ihre in der langen Dunkelheit geschwächten Sehnerven, machte sie blind. Sie fühlte es alsobald, wie das jetzt anders war, sie fühlte das Licht, sie athmete die klare Luft, sie empfand es: die Freiheit war da! und sie konnte nicht sehen. Es war nicht mehr die Nacht mit dem schwarzen Schatten und dem mattrothen Scheine der Lampe, es war das Grau eines undurchdringlichen Nebels, in welchem eine Weile noch bunte Sternchen kreisten und sich der plötzliche Strahl noch nachspielte in mannigfaltigen Formen, bis allmählich alles verschwamm und alles verdämmerte und nichts mehr war als grau und grau.

      Bertha schmiegte sich an den Felsen, denn sie hatte mit ihrem Fuße einen Abhang getastet, sie klammerte sich an einen Stein und rief um Hilfe.

      Das war der Schrei, den Erlefried am Teufelssteine vernommen hatte.

      Er glaubte, Sela, die ihn im Walde verlassen, werde ihm nun zugeführt und rufe ihn; er war sehr erstaunt, als er hoch am Felsenhang das fremde, blasse, dürftig gekleidete Mädchen sah. Als sie seine Schritte hörte, rief sie nicht mehr, kauerte bewegungslos da.

      Der Abend war schon dunkel und am Himmel glühten Sterne. Erlefried sah nicht empor. Er strebte mit ausgebreiteten Armen dem Weibe zu.

      Lange währte es freilich nicht, so wurde ihm klar, welch ein elendes Wesen ihm wimmernd in die Arme gesunken war. Abgezehrt bis zum Tode, blind, wahnwitzig war sie – so hatte er dieses Mädchen gefunden.

      Sie weinte, als sie seine junge warme Hand empfand, sie klammerte sich an den schlanken, behendigen Leib, sie betete laut und sie redete von Dingen, die er nicht verstand.

      Er geleitete sie mit Mühe den wüsten Steig hinab zu Thale. Als sie am Bette des Baches standen und er im vertrockneten Sand nach Wasser späht, um sie zu laben, sah er auf der Wand des Torfstein den rothen Schein, der nun Nächte lang auf dem-selben schimmern sollte, sah die finsteren Wirbel des Rauches himmelan fahren. Fliehen, fliehen! mit Noth entkam er und rettete das Mädchen für den Augenblick. Zwischen den kahlen Stämmen wankten sie fort, Erlefried schleppte sie. Das aufstrebende Feuer warf ihnen durch das Gehölze manches Streiflicht vor die Füße. Aber als der Wald finsterer wurde und ringsum die stille Nacht war, da ließ der junge Mann seine Last auf das Moos gleiten.

      Regungslos, athemlos lag sie da. War sie ohnmächtig? War sie todt? – Nun kniete er neben ihr und das heißersehnte Weib lag vor ihm. Wo aber war seine glühende Begierde nach einem Kuß! Eiskalt wehte es ihn an, eiskalt bis ans Herz. Eine andere Wärme jedoch begann da drinnen, wo Gluth und Kälte gekämpft hatte, zu thauen, und der Thau schimmerte in des Jünglings Auge. Er beugte sich über das Wesen und am Frauenmunde suchte er nun nicht den Kuß, sondern die Spur des Lebens, den Athemzug.

      Sie athmete. In den Erl- und Haselnußgebüschen brach er Zweige und hüllte damit die Schlummernde ein. Zwei Schritte von ihr legte auch er sich hin und wachte, und sann nach, bei wem er wohl wache, wie das war und wie das werden sollte. Endlich kam er mit sich überein: Das ist das Spiel des Bösen; der Teufel hält Wort; aber er ist falsch, nun höhnt er mich. Für solchen Lohn, als da jammervoll und im Bettelgewand liegt, wär’ mir meine arme Seele nicht feil gewesen. Gieb mir sie zurück, Höllenhund, meine Seele will ich wieder haben!

      Das Mädchen stöhnte und schlief. Erlefried wollte beten und konnte nicht. Wohl stammelte er die Worte seines Abendsegens, wo aber waren seine Gedanken? Beim Teufel. Das Gebet war todt wie ein Gerippe, seelenlos – die Seele war einem Anderen verschrieben. – Auf seiner Stirne stand der Schweiß, ein Frosthauch ging durch seinen Leib.

      Dann wendete sich Erlefried auf die andere Seite und dachte, aber recht für sich und im innersten Winkel des Herzens, daß es der lauernde Satan ja nicht sollte vernehmen können: Du betrügst mich und ich betrüge Dich wieder. Ich bin noch nicht Dein, das bin ich erst zum Trawieser Gottleichnamstag, wenn Neumond ist. – Na gute Nacht und laß mich in Ruh. –

      Was böses Gewissen! Das junge Blut hatte nichts Böses gethan, es sank bald in einen gesunden Schlaf.

      Stundenlang war Frieden, da weckte ihn ein seltsames Krachen und Brausen auf. Erlefried sprang empor, hörte es, sah es: rother, wogender Schein ringsum – das Feuer war da. Es war kaum noch Zeit, das Mädchen aus seinem Schlafe zu reißen; sich zu besinnen aber, ob es nicht besser wäre, dieses Teufelsspiel hier liegen zu lassen und allein zu fliehen, dazu war gar nicht mehr Zeit. Weder an Gott noch Teufel denkend, zog er die Taumelnde mit sich fort, da über ihren Häuptern die Funken flogen.

      Sie entkamen der Gluth, aber nicht der Noth. Tagelang irrte Erlefried rast- und rathlos mit dem blinden Mädchen umher. Hunger bei Tag und Frost bei der Nacht waren ihre Genossen. Erlefried sah an dem Mädchen nun nichts Anderes mehr, als ein sieches, elendes Wesen, das er nicht verlassen konnte. Wohin aber mit ihr sich wenden? In Trawies durfte er sich nicht zeigen, er wußte auch, daß man dort alles suchen dürfe, nur nicht Hilfe. Sollte er in das Haus des Bart zurückkehren? Der Bart wird ihn fragen, woher er diese Begleiterin habe, Sela wird ihn fragen, wieso er zu diesem Geschöpfe gekommen sei? Kann er sich verantworten? Wird es nicht an seiner Stirne stehen, so wie sein Name blutig auf dem Felsklotz in der Wildniß steht, wie weit es mit ihm gekommen ist. Er kann der Geliebten nicht mehr ins Auge blicken, er kann nicht mehr zurück in das Haus seines Nährvaters. Soll er sich im Walde herumtreiben, sich und seine Genossin mit wilden Früchten nähren? Der Wald brennt und alles Lebendige, das noch in ihm ist, flieht. Kann er den Flammenring überschreiten und bettelnd durch das Land ziehen? Draußen drohen die Pfähle. Und doch, wenn er will, er kann’s, nur verlassen kann er das Mädchen nicht, das er auf so seltsame Weise gefunden hat.

      Es ist ihm eine harte Last, das leugnet er sich nicht.

      Mancher der das paar schwerfällig dahinwandeln sieht, oder wortlos sitzen auf einem gestürzten Strunk, denkt sich allerlei, nur nicht das Richtige. Daß sie Bruder

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