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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
Читать онлайн.Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Год выпуска 0
isbn 9788075837325
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Wie er daran denken könne! warfen ihm die Trawieser vor, ob er nicht wisse, daß die fremden Ketzer seine Lehre mitsammt dem Propheten und der Gemeinde austilgen würden? Jetzt an seiner Seite stünden sie auf festem Boden und hätten wieder einen Himmel über sich und einen vor sich – jetzt zum Kreuze kriechen? Weniger, als jemals.
Einige fingen nun an, die Felder, die seit Langem nur mehr als Weiden für Rinder, Ziegen und Schafe gedient hatten, oder gar als Unkrautwildniß dagelegen waren, wieder zu bebauen. Aber es war keine regelmäßige Arbeit möglich, sie stritten sich um die Grenzen, um die Grundstücke endlich, sie stritten sich um die Knechte und um das Samenkorn, das ohnehin auf dunklen Wegen in die Gegend gekommen war. Es fand sich kein Gesetz, das hier Recht geboten hätte, und fand sich eins – sei es auf einem alten Blatte, sei es im Haupte eines alten Mannes – so wurde es nur von Dem beachtet, dem es Recht zusprach, von dem Anderen aber verlästert und verflucht. Wahnfred, vor dem sie Achtung und eine innere Scheu hatten, war nicht immer und überall zugegen, und so entschied schließlich stets das älteste Gesetzbuch – die Faust.
Trotzdem hingen sie mit Wärme, sogar mit Leidenschaft an dem neuen Glauben vom Feuergott. Das Bedürfniß des Volkes nach religiösen Formen ist ja so groß und war zu einer Zeit, da alles Ideale fast nur im Gottescult bestand, noch viel größer als später, da die Köpfe und Sinne mit anderen Aufgaben beschäftigt wurden. Der religiöse Cultus hing damals eng zusammen mit allerlei Aberglauben, ja selbst mit dem Hexenwesen. Eines trug das Andere. Beides war das tägliche Brot der armen Seelen. Menschen, die man aus der kirchlichen Gemeinschaft stieß oder die sonstwie an derselben nicht theilnehmen konnten, verkamen gar bald, fielen einer Richtung anheim, die ihr Dasein gefährdete, schon darum, weil sie dem Scheiterhaufen zustrebte. Die keinen Gott hatten, ergaben sich dem Teufel.
Wie Wenigen gelang es, auf Grund alter Schriften, die zufällig in ihre Hände fielen, sich ein eigenes System aufzurichten, das im Einklange mit ihrem Wesen war, dem sie heimlich nachleben konnten und das sie erbaute. Aber selbst mit Solchen nahm es oft ein eigenthümliches Ende.
Wahnfred hatte in den Leuten von Trawies die volle Religionsleidenschaft zu wecken gewußt, die nun um so heftiger hervorbrach, je länger sie unbefriedigt geblieben war. Sie schwärmten jetzt für alles was leuchtete, von der Sonne herab bis zum Johanneswürmchen. Nun wußten sie, warum das Feuer so wohlthätig und fürchterlich war. Dem Feuer und der Verehrung, die für dasselbe aufgekommen war, dieser Gottesanbetung schrieben sie das Verlöschen der Seuche zu. Wie sie sonst geweihte Kreuzchen und Amulette aller Art unter ihren Kleidern mit sich getragen hatten, so gingen sie jetzt mit Lichtchen oder glimmenden Schwämmchen um. Wie sie sonst in ihren Häusern zum Gebete vor dem Hausaltar gekniet waren, so knieten sie jetzt um den Herd, schürten das Feuer und sangen. Wie sie sich sonst mit geweihtem Wasser besprengt hatten, so führten sie jetzt einen Funken gegen ihr Haupt und hielten sich für besegnet.
Etliche waren den Wahnfred angegangen, daß er an dem vom Feuerwart ihm gesandten Ahnfeuer ihre Herdflammen entzünden lasse; er hatte es verweigert. Solange sie nur einen Formgottesdienst huldigten und nicht auch ihr Leben darnach einrichteten, wären sie des heiligen Feuers nicht werth, und dasselbe sollten sie erst kennen lernen am Tage des Gerichtes, wenn die Welt zu Asche würde verbrennen.
Im waldumschatteten Hause auf dem Johannesberge glimmte fort und fort das Ämplein und Wahnfred wahrte es an geborgenster Stätte und ließ es nicht verlöschen. Er hütete es mit Angst vor Dieben. Gegen jeglichen Windhauch war es geschützt, aber eine Fliege konnte es in das Öl stoßen und dämpfen, ein Schmetterling konnte es mit seinen Flügeln ausblasen. – Sein glühendes Auge, so lange hatte es an diesem Funken getrunken, das es plötzlich auf der Welt und im Himmel nichts mehr sah als Feuer. Wie lange hatte er gegrübelt nach der Formel, um das Ungeheuer in Trawies zu beschwören! Und als er sie gefunden und ausgesprochen, war er selber in ihrem Banne. In Nebel versunken waren die Legenden und Evangelien der alten Schrift und über diesen Nebel aufgetaucht war der lodernde Flammenring; seine Seele hatte wie ein Falter die Flamme so lange umflattert, bis sie plötzlich von ihr erfaßt war ...
Und die Leute in den Thälern um Trawies, die sich zur Noth in neuen Hütten einzuleben suchten, gingen niedrigen Sinnes, frevelten an sich und Anderen und hielten dann zur Buße den Finger über die Flamme, bis sie vor Schmerz wimmerten.
Wenn die Tagen waren, daß Feld und Garten Arbeiter heischten, lagen diese auf dem Bauch um ein Feuer, das sie am Waldrande angezündet hatten, und machten sich weiters keine Sorgen. Wo Mehrere feindlich gegeneinander geriethen, da vertheidigte und schlug man sich mit Feuerbränden. Und Einen gab es dabei, der verordnete, daß, wenn er todtgeschlagen sein, man ihn nicht begraben, sondern verbrennen möge.
Das waren nicht die Schlechteren. Das ungezählte Gesindel strich und lauerte in der Gegend umher, wie vor und ehe, ihr Leben war ein Feuer ohne Wärme und ihre Thaten hat kein Lichtstrahl verklärt.
Im Trasankthale wurde ein altes Weib abgefangen, welches schon lange im Rufe einer Hexe gestanden. Es war die Kofelarztin. Sie betete die Krankheiten ab, wendete allerlei geheimnisvolle Mittel an und Viele glaubten durch sie geheilt worden zu sein. Als aber die Seuche kam und ihre Kunst gar nicht mehr anschlug und man oft sah, wie sie geheimnisvolles Wesen trieb, wurde sie verdächtig. Ein Hirt vom Traboden war der Erste, der sie eine Hexe nannte. Derselbe begann zu siechen und abzuwelken, und jetzt war es den Leuten gewiß, daß die Kofelarztin »den Teufel brauche«.
Man vertheidigte sie: Warum sollte dieses Weib nicht den Teufel brauchen? Alte Weiber sind dazu auf der Welt.
Und gar jetzt, wo ganz Trawies dem Teufel angehört! Warum soll Eins nicht tapfer darauf loshexen! Man kam zur Alten, um von ihr zu lernen, doch sie sagte, sie nehme ihre Kunst mit ins Grab.
Als nun aber der neue Glauben aufgekommen war und die Leute wieder einen Gott hatten, begannen sie gegen den Teufel feindselig zu werden. Die Alte bäumte sich noch dazu auf und lästerte den neuen Glauben als eine Ketzerei. Sie verfolgten die Hexe, fingen sie ein und schleppten sie nach Trawies, wo man sie verbrennen wollte. Schon versammelten sich die Leute zum Spectakel und trugen Holz herbei und eilten um die Wette, den Scheiterhaufen recht hoch zu bauen, während das Weiblein todtenblaß und geknebelt an einem Baumstamm kauerte und mit stieren Augen den fleißigen Leuten zuschaute. Da kam Wahnfred herbei. Er meinte anfangs, sie bauten ein Haus und freute sich der Emsigkeit seiner Trawieser. Als er aber sah, was hier geschehen sollte, gerieth er in Zorn und rief: »Ist Euer Hirn dahin? Ist die Kofelarztin eine hexe, was wollt Ihr sie in die Arme Gottes schleudern! Wollt Ihr das Feuer verunreinigen? Laßt die Alte laufen, ist sie des Teufels, so entkommt sie ihm nicht.«
Sie sahen es ein, ließen das Weib frei und leisteten dem Feuer Abbitte. –
Wahnfred hatte lange schon auf Mittel gesonnen, die Leute zu beschäftigen, ihnen eine Art von Frohndienst aufzulegen, der sie im Zaume hielt. Ihr Wahn sollte dabei sein Bundesgenosse und Zuchtmeister sein. Nun er sie beim Schichten des Scheiterhaufens gesehen hatte, kam ihm der Gedanke: Ein Tempelbau.
Die Leute von Trawies müssen ihrem Feuergott einen Tempel bauen. Das soll ein Bau werden, wie diese Berge noch keinen gesehen haben, ein festes gewaltiges Haus, aus Urwaldstämmen gezimmert, eine Burg für den Priester und Herrn, ein Hort der Gemeinde, der Kern des neuen Trawies. Aber nicht im Thale soll dieser Bau stehen, wo die Wässer graben, und wo er von der nächsten Höhe aus beherrscht werden könnte. Das alte Trawies mit seiner Kirche soll verfallen, um die Dreiwand soll eine Wildniß wuchern. Das neue Haus wird auf hohem Berge stehen und in der Sonne leuchten wie eine flammende Gesetzestafel.
Eine flammende Gesetzestafel! Sollte in dem Haupte des düsteren Wahnfred schon jetzt, da er den Tempel plante, die Ahnung gedämmert haben von dem, was da oben auf dem Berge des Johannes später geschehen ist?
Voll des Geistes, Trawies seinem Elende zu entreißen, es zu erheben, zu stärken und wieder der menschlichen Gesellschaft gerecht zu machen, stieg Wahnfred auf den Berg. Der Scheitel desselben war eine kleine felsige Fläche, die nach drei Seiten schroff abfiel. Auf dieser Fläche zeichnete er mit seinem Stabe in Sand und Erde den Grund des Baues.
Ihr blickt den Erzähler fragend an – fragend: welche Wege wird er Euch nun führen müssen? –
Es