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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
Читать онлайн.Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Год выпуска 0
isbn 9788075837325
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Des Schreiners vom Gestade?« lispelte sie nachdenkend, »das ist ja Der, welcher den Pfarrer umgebracht hat. Und Du bist sein Sohn Erlefried?«
»Der bin ich.«
»Bist Du es wirklich?« Sie befühlte seine Hand, sie betastete seinen Leib. »Bist Du es wirklich?«
»Ich bin’s; weshalb sollte ich’s nicht sein?«
Hierauf antwortete die Blinde: »Ich habe es ja geahnt, daß ich gestorben bin.«
»Ich lebe, so wie Du lebst – in der anderen Welt.«
So sprach sie, dann schwieg sie stundenlang und brütete und ließ sich willenlos von ihm leiten. Er war nun überzeugt, daß sie dem Irrsinne verfallen, und jetzt wuchs sein Mitleid.
In einer verlassenen Hirtenklause des Birstling hatten sie sich niedergelassen und der Jüngling sammelte Brombeeren, Preiselbeeren und andere Waldfrüchte, die er zu kochen wußte.
Als Bertha das Herdfeuer fühlte, begann sie zu weinen. Auf seine liebevolle Frage nach der Ursache antwortete sie, daß sie an ihre Mutter denke. »Wir müssen ihr ja begegnen, sie ist schon lange da. Wenn Du sie siehst, so führe mich zu ihr.«
Und nach einer Weile fragte sie: »Weißt Du, was mit Deinem Vater geschehen ist?«
»Der lebt auf dem Johannesberg.«
»So!« Rief das Mädchen und richtete sich auf, »dann hat er auch meine Mutter umgebracht. Sie hat auf dem Johannesberg gewohnt. O, Ihr seid Mörderleute. Erlefried, geh und laß mich allein! Bin ich denn verdammt, daß ich mit Euch muß sein!«
Und einmal, während sie aß, lachte sie auf und rief: »Ich will mich hell verwundern, daß hier Vieles noch so ist, wie es dort gewesen. Hast denn auch Du Hunger? Willst auch Du noch essen und trinken? Schau, und bist lang schon gestorben.«
»Wer hat Dir gesagt, daß ich gestorben bin?«
»Das haben die Trawieser Leut’ gesagt, und daß Dich beim Bart vom Tärn die Räuber hätten erschlagen.«
Nun freilich war ihm wenigstens ein Theil ihrer wunderlichen Worte klar. Allmählich offenbarte aich ihm diese arme Seele ganz. Ja, sie bildete sich in ihrem Wahne nichts Anderes ein, als daß sie im Fegefeuer sei, und er vermochte es nicht, sie zu erleuchten.
Dann athmete sie doch wieder auf und griff mit ihren Händen in die Luft hinein und murmelte: »Ja, das ist ganz wieder, wie das süße Leben. Wüßte ich nur, ob ich das Sterben noch vor mir habe!«
Er wußte es. Nur das wußte er nicht, ob er sie erfreuen oder betrüben würde, wenn er ihr die Wahrheit sagte. Und weiß auch kein Mensch, wie es besser wäre, den Tod vor oder hinter sich zu haben.
»Du mußt jung und schön sein,« hauchte sie ihm einmal zu, »ich möchte nur wissen ob dahier in der anderen Welt das Liebhaben auch Sünde ist.«
»Traurig, wenn’s keine wär’,« bemerkte der Bursche und spielte mit einer Kohle, »nicht sündig – nicht lustig.«
»Du hast auf der Welt gewiß eine Liebste gehabt?«
»Kind, ich habe sie noch,« antwortete er, »und will sie erst recht haben.«
Darauf schwieg sie, schwieg und weinte die ganze Nacht. Erst gegen Morgen wurde sie still und Erlefried, der auf seinem Lager aus Heidekraut eine peinvolle Beklemmung empfunden, konnte nun schlafen. Als er erwachte, lag die durch die offene Thür fallende Sonnentafel auf seinem Bette. ‘s ist heller Tag, wie ganz anders schaut jetzt wieder die Welt aus, als in der schweren finsteren Nacht! Die Bangniß ist weg, der Kummer verschwunden.
Des blinden Mädchens Ruhestätte war leer. Hat sie sich hinausgetastet und sitzt auf dem Stein, um im freien Morgen des Leidens zu vergessen? – Erlefried erhob sich und trat aus der Hütte. Aber das Mädchen sah er nicht. Im thauigen Grase folgte er den Spuren menschlicher Tritte, sie führten im unregelmäßigen Zickzack zwischen Bäumen hin, an Büschen vorbei und endeten an einem schroffen Abhang.
Tief im Grunde lag sie – auf blutigen Steinen.
Es ist nicht offenbar, wie die unglückliche Bertha den Tod gefunden. Hat sie ihn gesucht? Dann muß sie an jenem Morgen bei Vernunft gewesen sein, denn in ihrem Wahne hatte sie ja schon in der anderen Welt gelebt. Wollte sie, die Blinde, vor Erlefried fliehen, weil sie ihn haßte oder – liebte? und war sie auf ihrer Flucht verunglückt?
Erlefried wollte laufen, so weit ihn die Füße trugen, so unheimlich war ihm. Als er sie berührt hatte und sah, wie sie starr und kalt war, vermochte er keinen Blick mehr auf ihr Angesicht zu werfen. Er riß Fichtenäste ab, im Birstling waren sie noch grün und buschig, und bedeckte mit denselben den Leichnam, bis nichts mehr zu sehen war, als ein Hügel von Reisig auf dem Felsgrund. Dann begann er und trug Steine zusammen, so groß, als er sie zu schleppen vermochte, und baute um den grünen Hügel einen Wall und deckte ihn mit Steinen, bis ein breiter, hoher Kegel dastand, zu dessen Spitze er selbst kaum zu reichen vermochte, als er – am dritten Tage seiner Arbeit – den letzten Stein darauf legte. Das war ihr Begräbniß. Ein anderes konnte ihr Erlefried nicht geben, denn er hatte weder Spaten noch Hacken, um ihr ein Grab zu graben.
Und als er diese Gruft vollendet steckte er als stilles Bekenntniß, daß er weder sich noch die Todte als verloren betrachte, ein hölzernes Kreuzlein auf die Pyramide, und der erste Beter, der vor diesem Kreuze kniete, war er selbst. Es hatte sich in die Tiefe seines Herzens Angst eingenistet seit jenem Abende, da er Blutstropfen auf den grauen Stein fließne ließ; aber das Kreuz war immer noch seine Zuversicht und sein Vertrauen.
Dann verließ Erlefried die Todtenhütte im Birstlingwald und kehrte nie mehr zu ihr zurück. Die jüngsten der Bäume, die damals in diesem Walde sproßten, sind heute als der Urstämme älteste im Vermodern, aber unter einem Felshange ist noch der Steinhügel mit Rasen und Schlingpflanzen überwachsen zu finden, unter welchen eines der unseligsten, unschuldigsten Opfer des verworfenen Trawies begraben liegt.
Erlefried wandelte im Wald dahin. Die Rauchschichte über dem Tärn war endlich vergangen. Leute, die ihm begegneten, hatten bestürzte Gesichter und erzählten, daß in Trawies der Spaß jetzt aufgehört habe. Sie erzählten vom großen Sterben.
Ob die Seuche auch auf die Höhen des Bart am Tärn gedrungen sei?
Das Haus des Bart stehe leer, berichtete man ihm, die Inwohner seihen geflohen.
Jetzt war das letzte Band gerissen. Erlefried sprang über die Grenze, den Flammenring geheißen, hinaus, ging gelassen an den Henkerspfählen vorbei, die an der Markung der Ortschaften und Schlösser standen, und sprach in den Häusern zu. Er bat um Wegzehrung und fragte überall an, welchen Rath man ihm geben könne in Bezug auf Trawies. Er sei nämlich auf dem Wege nach Trawies.
Was er dort suche?
Er sei von dort gebürtig, sei aber in seiner frühen Kindheit durch einen Vetter, der Priester gewesen, nach Neukloster gebracht worden und die Zeit her dort Laienbruder gewesen. Aber sein unglückseliger Heimatsort, was man von ihm höre, dauere ihn gar sehr, er könne es nicht glauben, daß die Trawieser Leute so sehr entmenscht geworden, und seine Absicht wäre, zu gehen, um die Dinge zu untersuchen und vielleicht eine Vermittlung und Rettung anzubahnen für das, was noch zu retten wäre.
Man rieth ihm entschieden ab. Trawies sei eine Räuber- und Mörderhöhle, da lasse sich gar nichts machen, als auf der Hut zu sein, daß Keiner hervorbreche, des Weiteren aber ruhig abzuwarten, bis sich die Rotten und Banden gegenseitig selbst vertilgt hätten. Vielleicht auch übernehme es ein Größerer, der gottlosen Brut noch eher, als man glaube, ein Ende zu machen.
Mit anscheinendem Widerwillen gab dann der schlaue Bursche seinen Plan, nach Trawies vorzudringen, stets auf, indem er anscheinend den Rückweg antrat, während er doch immer vorwärts kam hinaus ins Land, wo sich die Gefahr, als Trawieser erkannt und gerichtet zu werden, mit jedem Tag verringerte.
Endlich war er auf der Ebene