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      »Das ist traurig,« sagte Sela.

      »Man kann’s auch lustig machen,« belehrte der Bursche; »das Gute, das vom Himmel fällt, man nimmt’s auf und läßt’s wachsen. Wir zwei wollen es auch so halten, gelt, Sela!«

      Dagegen könne man nichts einwenden, war ihre Antwort.

      Nun schritten sie eine Weile fast still nebeneinander hin. Insgeheim lugte er oftmals auf das Mädchen, wie es doch gar zu schön geworden sein. – Auf ihrem runden Gesichtchen lag das zarte Roth, »und in diesem Rosengärtlein standen zwei Violen«. Ihr lichtes Haar ging am Nacken nieder in zwei Ketten »wie der Fischer seine Angelschnur senkt«, und daran hing untrennbar des Burschen Lieb’ und Verlangen. Beide, die da gingen im Buchenwald, waren jung erwachsen, Beide wurden unruhig, wenn sich ihre Augen begegneten!

      Glücklich fügte es sich, daß der dichte Laubwald zu Ende ging und das dürre kahle Bestände des Tärn begann, da mußte Sela ihre Haarketten um das Haupt winden, daß dieselben nicht hängen blieben am starren Gezweige. Auf dem Boden knisterte bei jedem Schritte das Reisig und die Sonne stieg immer höher und der Schatten des Tärn war wie ein dünner, zerrissener Schleier. Als Erlefried auf einem Anger eine blasse Herbstzeitlose stehen sah, fragte er Sela, ob sie wisse, warum diese Pflanze giftig sei? Sie wußte es nicht. »Nun,« erklärte er, »weil sie die Zeit versäumt hat, und alte Mädchen giften sich.«

      »Das mußt Du freilich wissen,« spottete sie.

      Endlich kamen sie zu einer kleinen Gruppe von Weißtannen, die von der Waldpest verschont und in üppiger Grüne standen. Sie ruhten im Schatten, und Erlefried, der sinnend ins dichte Astwerk schaute, und dem doch die Gefahr seiner Gedanken auffiel, fragte Sela, ob sie wisse, warum bei den tannen jeder Zweig ein Kreuz bilde?

      »Wenn Du’s weißt, so mußt Du mir’s erzählen,« bat sie.

      »In alten Zeiten,« sagte er, »sind am Tannenbaum die Zweige palmartig himmelwärts gewachsen. Seit jenem Tage, da sie das Kreuz Christi aus einem Tannenbaum gezimmert haben, muß an diesem Baum alles ins Kreuz wachsen, so wie zu Trawies, wo doch kein Kreuz mehr stehen soll, alles ins Kreuz wächst.«

      »Ins Kreuz und Elend,« versetzte Sela.

      »ich bin auch ins Kreuz gewachsen,« sagte der schöne Bursche, da er sich hoch und stramm hinstellte und die Arme wagrecht auseinander spannte. »Willst gekreuzigt werden?«

      »Mir gefällt der Lärchenbaum besser als der Tannenbaum,« bemerkte das Mädchen und schaute hin in die Lichtung, wo in heller, weicher Grüne eine solche Ceder des nordischen Waldes stand.

      »Soll ich Dir auch die Geschichte vom Lärchenbaum erzählen?« fragte sie der Bursche. »Nun schau, mit den Bäumen ist es so, wie mit den Leuten. – Da sind einmal an einem Sonntage die Bäume zusammengestanden, daß sie unter sich einen König wählen. Der Fichtenbaum hat gesagt, ich bin der Schönste; der Tannenbaum hat gesagt, ich bin der Größte; der Kieferbaum hat gesagt, ich bin der Fleißigste und der Nützlichste und hat sogar vom Trasank herab die Legföhre mit sich gebracht, daß dieselbe für ihn stimmen soll. Zuletzt ist noch der Lärchbaum gekommen, der schöne, weiche, kräftige Lärchbaum, da haben die anderen Bäume gedacht: vor dem bestehen wir nicht, der ist der Fürnehmste, und haben die Königswahl auf den Winter verschoben. – Ich denke, Sela, ich verschiebe den anderen Theil von dieser Geschichte auch auf den Winter.«

      »Erzähle nur, erzähle,« sagte sie, »wir wissen sonst nichts Gescheites zu reden.«

      »Du hast Recht, Sela. Wenn ich bei Dir bin, fällt mir zwar allemal die gescheiteste Sach’ ein, aber ich bringe sie nicht heraus. – Nun also, wie der Winter gekommen ist und die Nadelbäume wieder zusammengekommen sind in ihrem immerwährenden Grün, da will der Lärchbaum nicht vortreten. Dreimal wird er gerufen, bis er kommt, er hat einen Schneemantel um. Die Anderen befehlen ihm, daß er die Winterpfaid sollt’ ablegen; er thut’s nicht gern, ist ja nackt und bloß, hat keine grünen Nadeln mehr an seinem Holz wie die anderen. Sie lachen ihn aus, und König ist der Fichtenbaum geworden. – Seither stellt sich der arme Lärchenbaum gern beiseite, und im Frühjahr wachsen ihm allemal wieder die grünen, weichen Federnbüschel und er vertreibt sich die Zeit besser als wie der König. Bei der Lärche trifft’s auch zu, daß Mann und Weib ein Leib ist.«

      »Jetzt magst bald aufhören mit Deinen Baumgeschichten.«

      »Ein Vogel ist in den Lüften, der heißt auch Lerche, der singt: didlde, didlde, und singt das Brautpaar ein.«

      »ich möchte nur wissen, Erlefried, wo Du das alles her hast?« fragte das Mädchen verwirrt.

      »Wer viel im Walde umgeht und Augen hat, der sieht’s,« antwortete er. »So ist’s noch gar nicht lang her, daß ich auf der Freiwildhöhe hab’ gesehen, wie der Schöne junge Fichtenbaum, unter dem das Fraunbild gestanden ist, sich was Feines gesucht hat.«

      »Du mußt nicht viel an Leut’ zu denken haben, weil Du Dich mit dem Holz sogar abgiebst,« bemerkte jetzt das Mädchen.

      »Ich will nicht fortweg an Leute denken, das ist nicht allemal gesund.«

      »So, da höre ich was Neues.«

      »Es ist doch umsonst. Mit Thieren gebe ich mich nicht ab; das dürre Holz ist mir auch verhaßt, so halte ich mich ans grüne. Ich mag mich noch so fest an die Bäume machen, allsogleich bin ich wieder bei Dir. Sie schicken mich ja zurück, zu Dir zurück.«

      »Daß sie aber so fein sind!«

      »Was,« sagte jetzt Erlefried, »was thut letzlich der Fichtenbaum auf der Freiwildhöhe? Fällt ihm ein, er will sich ein Weib nehmen. In der Nachbarschaft ist dort nicht viel zu holen, lauter kleine verkrüppelte Wesen. Da denkt er, ehe ich so eins meinen Kindern zu Mutter gebe, eher bleibe ich allen. Sonach gewahrt er, es gehe ihm nicht schlechter, als unserem Menschenvater Adam, er hat das Weib in den eigenen Rippen. In rothen Kätzlein haben sie sich zugelächelt; ein Körnlein aus seinem Herzen läßt er abfliegen, um zu freien; sie ist gescheit gewesen, Sela, sie hat den Freier nicht abgewiesen. Und da habe ich halt wieder an Dich denken müssen.«

      Er stützte sich vor ihr aufs Knie, und zwar in einer Stellung, in der Keiner lange verharrt.

      Das Mädchen drängte zum Aufbruch und machte selbst den Anfang, indem sie rasch aufsprang und weiterging. Der Jüngling folgte ihr wortlos, aber mit Hast. Eine Strecke waren sie dergestalt vorwärts gekommen, als Erlefried rief: »Bleibe stehen, Sela!«

      Sie blieb stehen.

      »Schau!« sagte er und wies auf einen grünen, niedergebrochenen Fichtenwipfel, der neben einem schönen schlanken Stamme übervoll von Zapfen auf der Erde lag.

      Sie schaute hin, sie schaute empor zu dem hauptlosen Baume und versetzte: »Was ist denn da zu sehen?«

      Erlefried gab keine Antwort. Sie gingen wieder fürbaß. Der Wipfel war unter der großen Last seiner Samenzapfen gebrochen, der Baum – von der Waldpest so gnädig verschont – zugrundegegangen an eigener Lebensfülle ...

      Nach all diesem kamen die beiden Leutchen immer tiefer hinein in den todten Tärn. Bald war kein einziger grüner Baum mehr um sie. Die Sonne glühte nieder, der Sommer hatte den Regen versagt und heftige Winde hatten die letzten Nadelbüschel von den Zweigen gerissen. Die dorrenden Bestände waren heiß und über dem Boden zitterte die Luft. Zwischen den Steinen blitzte da und dort ein Eidechsen hin, sonst fand sich kaum ein Lebendiges in dieser seltsamen Wüste. Selbst die Schwärme des Borkenkäfers waren verschwunden. Schon von weitem sahen unsere Wallfahrer zwischen den fahlen Stämmen das Kreuz ragen. Niemand war dort, sie schienen heute die Einzigen zu sein, die es besuchten.

      Für Erlefried, den schwärmerischen Sohn eines schwärmersichen Vaters, war das Kreuz in diesem Walde stets ein geheimnisvoller Gegenstand gewesen, von dem seine Seele gern träumte. So siegte auch jetzt in ihm das Kreuz über das Herz – wenn auch, weiß Gott, nur für kurze Zeit. – Still ging er ihm zu, zog das graue Hütlein vom Haupt und kniete nieder. Er gedachte jener Stunde, da er als Knabe ohne Gott und ohne Hoffnung heimgekehrt war zu seiner kranken Mutter. –»Er ist. Du weißt es, Du liebst ihn. Himmel

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