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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
Читать онлайн.Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Год выпуска 0
isbn 9788075837325
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Um Mitternacht schlich sich der Roderich vermittelst einer Strickleiter, die er durch eine Stange am Dachfenster befestigt hatte, in die Bodenkammer des Barthauses. Er machte sich in derselben bequem und zündete seine Kerze an. Sie brannte heute etwas ungleich und knisterte zuweilen. Im Hause schien wohl alles zu schlafen, und doch war eine gewisse Unruhe, als wenn Mäuse und Ratten umgingen. Dem Roderich war nicht ganz heimlich. – Er hatte ihr, als er letztlich das Haar geschnitten, ein klein wenig das Brusttuch seitab gezogen, der Locken wegen, die hinein verbunden gewesen waren – nur der Strähne wegen – sollte das von Übel gewesen sein? Nun es ist ja alles still im Hause, die alten Schränke stehen hier so einladend da; eine innere Wärme, wie Jugendgluth, durchrieselt den alten Kerl und er macht sich leuchtendes Auges an sein Geschäft. Wir wollen uns nicht zu Mitwissern der That machen und kehren in einem anderen Gelasse des Barthauses ein.
In der Scheune auf duftigem Heu liegen zwei Männer. Der Eine davon läßt das Zeichen hören, daß er schläft, da erhebt sich der Andere sachte und schleicht zum Fenster. Der Bart braucht es nicht zu wissen, um nicht noch einmal zu wiederholen, daß der Teufel süß pfeife, ehe man ihm aufsitze. – Eine Todsünde, die schöne Sela mit so Einem zu vergleichen! Aber auch der Teufel, pflegte der Bart zu sagen, sei in seiner Jugend schön gewesen. – Die gute Sela ist ja ein Engel! Denkt Erlefried. Macht nichts, sagt der Bart, wenn man dem Teufel auf sein Horn »guter Engel« schriebe, gäbe es Leute genug, die es glaubten. – Daher braucht der Alte nichts zu wissen. Wenn der, so rechnet der Jüngling, die Beiden alleweil zusammenthut, so mag’s wohl gerathen, daß sich Einer dem Teufel verschreibt ...
Erlefried schaut hinaus in die Nacht und zu den Fenstern des gegenüberstehenden Wohnhauses.
Im Walde geht die Mär, daß zwei Leute, die sich lieben, täglich einmal – und wären sie sich noch so ferne – einen Augenblick hätten, in welchem Eins das Andere sehen könnte. Dieser Augenblick, er sei bei Tag oder Nacht, währe so lange, als ein Thautropfen falle vom Wipfel eines Lärchenbaumes bis zum Erdboden nieder. Wer ihn nicht verpaßte!
Für Erlefried kam dieser Augenblick zur nächtlichen Stunde, wenn der alte Bart neben ihm eingeschlafen war. Und der schöne aufgeweckte Bursche nahm ihn wahr; er stand auf und blickte zu den Fenstern des Wohnhauses hinüber und sah im Geiste, wie sie ruhte und – seiner gedachte. Stundenlang sah er ihr süßes Bild, denn ein Thautropfen, wie lange braucht er, bis er vom hohen Wipfel des Lärchbaumes, an Zweig und Zweig sich verweilend und verdunstend, zu Erde kommt!
Und wie nun heute Erlefried zum Fensterchen der Scheune hinauslugt, sieht er im Oberboden, wo Sela ihren Kleiderschrank hat, ein Licht. – Sie wacht noch? Sie sitzt da oben und bessert vielleicht ein Gewand aus und es wird ihr dabei die Weile lang. – Das Wasser des Grundes rieselt allerwege, da ist nichts Neues zu hören; des Himmels Sterne funkeln hell, es sind immerdar die alten. Auch dem Burschen wird die Weile lang. So will er zu ihr in die Dachkammer schleichen und bei ihr sitzen und ihr das Licht hüten, daß sie arbeiten kann. Und wenn sie dann vor dem Schlafengehen die Arme nach rückwärts hebt, um die Haarflechten zu lösen – denn sie schläft gern mit losem Haar – dann wird sie sich nicht wieder mit ihrer Hand die Lippen zudecken können.
Erlefried schleicht – er sucht die Thür, er weiß, wie sie zu öffnen ist, er steigt leise die finstere Stiege hinauf, er steht an der Bodenkammer. Da klopft er anfangs und flüstert ihren Namen, daß sie nicht erschrecke.
In demselben Augenblick ist drinnen ein Gepolter, und als er eintritt, ist es in der Kammer finster und leer; das Fenster ist offen und draußen eilt eine Gestalt davon.
Der Dieb ist entwischt, aber die Schränke sind noch unversehrt und Erlefried steht da und weiß nicht recht, wie ihm ist. Diesmal hat er die Zeit des fallenden Thautropfens nicht wahrgenommen. Aber was bedeutet’s? Thau fällt ja täglich.
Lange saß der Jüngling auf ihrem Schranke, dann als es ihm zu spät wurde, legte er sich darauf hin und fing zu schlafen an.
Am anderen Tage war das Gedächtnis der Erhöhung des Kreuzes.
Wer in diesen Bergen dachte daran oder wollte daran denken? Manche waren, die hätten das Bedürfniß nach religiösen Festlichkeiten gehabt; sie hatten ja vielleicht den Glauben, aber sie hatten die Hoffnung nicht. Im Hause des Bart ging es völlig umgekehrt; da hatte man nicht den Glauben an den Fluch, und daß er auch Unschuldige treffen müsse, aber man hatte die Hoffnung auf Gott und sein Reich. Der Bart ließ die Bewohner seines Hauses alle Feste begehen, er selbst beging keines mit; er für seine Person, das wußte er, er hatte Theil an dem Fluche.
Zur Feier der Erhöhung des Kreuzes hatten die Leute des Barthauses gern eine Wallfahrt unternommen in den Tärn, zu jenem Kreuze hin, das mitten im Hochwaldschatten stand und so geheimnißvollen Ursprungs war. Dorthin waren sie betend gegangen, dort waren sie gekniet und hatten ihr Herz erhöht, und hatten der fernen Lebendigen gedacht und auch der Todten in den Gräbern, oder der im Feuer wimmernden Seelen. Hierauf hatten sie sich niedergesetzt auf das braune Moos, hatten ihr Wanderbrot verzehrt und waren dann still wieder zurückgezogen zu ihrer geborgenen Wohnung.
So sollte sie auch heute gehen. Und schon früh, da die Baumgerippe der Tärnhöhen in die Morgenröthe hineinstarrten, stieg Sela zur Bodenkammer hinauf, um sich für den weiten Weg anzukleiden. Sie that einen Schrei, als sie den Schrank öffnen wollte und auf demselben einen Menschen liegen sah. Erlefried erwachte, sprang auf und wußte wieder nicht, wie ihm geschah.
»Ich frage Dich, Erlefried,« redete ihn Sela ernsthaft an, »ich frage Dich, was Du da gemacht hast?«
»Du wirst es besser gesehen haben, als ich selbst,« war seine Antwort, »ich habe geschlafen.«
»Zum Schlafen hast Du Dein Heu.«
»Das ist mir zu hart.«
»Und auf der hölzernen Truhen, meinst, wäre es weicher?«
»Es ist Deine Truhen,« sagte er trotzig.
»Ich bedanke mich,« versetzte sie schneidig.
»Hast Dich auch zu bedanken. Mußt wissen, Sela, heutzutage soll jeder Schrank ein lebendiges Schloß haben.«
»Geh’ jetzt weg. Ich will mich ankleiden, ich gehe zum Kreuz im Wald.«
»Ich gehe mit Dir.«
»Ist mir lieber, Du bleibst daheim. Deine Frommheit auf dem Wallfahrtsweg, die kennt man.«
»Da in der Nacht nicht einmal Dein Gewandschrank sicher steht, wird’s nicht von Übel sein, wenn ich mit Dir durch den Wald gehe. Auf die Frommheit kommt’s da nicht an.«
»Narr’ Dich nicht auf, Erlefried,« sagte das Mädchen und legte die Hand auf seine Achsel und blickte ihm innig ins Auge, »Du meinst mir’s gut, ich erkenne es, und ich möchte nicht gern in den Tärn gehen ohne Dich.«
Da war’s den Beiden gut, da war’s ihnen sehr gut. Und Erlefried zog rasch sein Sonntagsgewand an und band sich das hellste und bunteste seiner Halstücher um; heute wollte er auch von außen leuchten, wie es in seiner Seele leuchtete – er ging mit dem lieben Mädchen.
Ihr Weg führte sie anfangs durch grünes, frisches Buchengehege, wo in allen Zweigen Leben war. Die übrigen paar Leute aus dem Barthause, die auch gingen, hatten sich abgesondert, sie kannten nichts Langweiligeres, als mit diesen zwei jungen Menschen zu sein; sie dachten: Vögel mit gleichen Federn fliegen gern miteinander, was geht das uns an! – sie ließen sie ziehen.
Nun sie ganz allein dahinwandelten in der herbstlichen Morgenkühle, sagte Sela: »Erlefried, ich gehe nur mit Dir, wenn Du Frieden giebst und mir unterwegs wieder Geschichten erzählst.«
»Geschichten von der schönen Welt?« fragte er.
»Es mag auch vom Himmel sein.«
»Kennst Du die von den zwei Säemännern? So los’. Im Himmel droben gehen fort und fort zwei Säemänner um, der Eine säet Segen auf die Welt herab, der Andere Fluch.«
»Mir scheint, daß der Erste nicht gar zu fleißig ist,« meinte das Mädchen.
»Ei,