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bin später mit dem gebeugten, blassen Mann, den sie den Einspanig nennen, wieder zusammengekommen. Da habe ich an ihn die Frage getan: »Was ist das mit dem Glasscherbenfresser? Das ist doch eine märchenhafte Geschichte.«

      »Märchenhaft ist das ganze Waldland«, spricht der blasse Mann. »Und der Aberglauben ist dieser Leute geistiges Leben.«

      Nach diesen Worten hat er sich gewendet und ist emsig von hinnen geholpert.

      Wie, Alter, bist nicht auch du selber ein Sohn des Waldlandes? Bist wahrhaftig seltsam und märchenhaft genug. – Den Einspanig, den Einsamen nennen sie ihn, sonst wissen sie schier nichts von ihm zu sagen. –

      Auch mit den Pechern hab' ich schon Bekanntschaft gemacht. Der Pecher, das ist schon auch ein wunderlicher Geselle. Man riecht ihn schon von weitem, und man sieht ihn glitzern durch das Dickicht. Die Hacke glitzert, mit der er das Harz von den Bäumen schabt; die Steigeisen glitzern, mit welchen er an den glatten Stämmen emporklettert wie eine Waldkatze, um den Baum auch an seiner Höhe abzuernten oder, wenn keine Ernte ist, zu verwunden, auf daß für künftig das Harz hervorquelle. Und die Lederhose glitzert, und der mit Pech völlig überzogene Lodenspenzer glitzert, und die Scheide des langen Messers an den Lenden glitzert, und letztlich das Glutauge. Wenn eine Blüte oder eine niederfallende Tannennadel ihn streift, so bleibt sie kleben an seinem Arm, an seinen Haaren, an seinem Bart. Wenn eine Fliege herumtanzt oder ein Falter oder eine Spinne – das Tierchen bleibt kleben an dem Manne; und bunt besetzt ist sein Kleid mit kleinen Wesen aus dem Pflanzen- und Tierreiche, wenn er in Wald- und Abenddunkel heim in seine Klause kehrt. Der Pecher verwundet die Bäume arg und bringt sie zuletzt ums Leben. Der Urwald ist dem Untergang verfallen. Die alten Tannen und Fichten sind durch den Pecher zu Krüppeln geworden; jetzt strecken sie ihre langen Arme nach ihm aus, möchten den Todfeind am liebsten erschlagen.

      Aus dem Harze bereitet der Pecher durch das Verfahren des Abdunstens das Terpentin und andere Öle, wie sie in den Waldgegenden gegen allerhand Krankheiten und Gebrechen in großen Mengen verwendet werden. Ich habe schon mehrmals zugesehen auf so einer Brennstelle, wie die schwarze Masse kocht und brodelt, bis sie in geschlossene Tonbehälter kommt, aus welchen ihr zu gewinnender Gehalt durch Röhren in die Zuber und Flaschen übergezogen wird. Mit diesen Zubern und Flaschen in einem großen Korbe geht nun der Mann hausieren. Der Holzschläger kauft Pechöl gegen jegliche Verletzung, die er sich in seinen Kämpfen mit dem Walde zuzieht. Der Kohlenbrenner kauft Pechöl gegen Brandwunden; der Kohlenführer für sein Roß; der Branntweinbrenner für sein Fäßlein. Der Wurzner kauft gegen Verrenkungen und gegen Bauchgrimmen, das er sich durch seine meist ungekochte Nahrung zuzieht. Das Kleinbäuerlein weiter draußen kauft Pechöl für sein ganzes Haus und Vieh, gegen alle bösen Zustände.

      Du Pechölmann! Mir nagt seit lang schon im Herzen ein kleinwinzig Käferlein – wär's nicht zu tilgen mit deinem gallbitteren Öl? –

      In des Pechers Klause darf man sich nicht niedersetzen, man bliebe kleben. Und gleich kämen die kleinen, ungewaschenen und zerzausten Rangen heran und krabbelten empor und ritten gar auf den Nacken und man käme ihrer nicht mehr los. – Das sind die lebendigen Sünden der Alten, sagt meine Haushälterin. – Besser lebendige als wie tote, sage ich.

      Des Pechers Wohnung ist einfach genug. Unterhalb der nackte Erdboden, oberhalb das schieferige Baumrindendach, seithalb die Wand aus rohen Stämmen gezimmert und mit Moos verstopft. Der holperige Steinherd ist gleich als Tisch eingerichtet. Unter der Bettstatt ist die Vorratskammer für Erdäpfel, Schwämme und Holzbirnen. Der wurmstichige Kleiderschrank ist das Allerheiligste des Hauses, er bewahrt die geweihten Andenken der Voreltern, das Taufangebinde der Kinder und den Wettermantel des Pechers, wenn er nicht am Leibe ist. Die Fenster haben kaum so viel Glas, daß, wie die Leut' sagen, der »Fresser« sich daran hätte satt essen können. »Lappen und Strohpapier sind auch so gut wie Spiegelscheiben, wenn einer kein sauberes Gesicht durchgucken lassen kann«, meint der Pecher. Wohl, der weiß von Spiegelscheiben was, der ist nicht allfort im Wald gewesen. Gar weit, weit in der Wienerstadt etwan ist er wachgestanden vor Spiegelscheiben – hat ihm nicht gefallen, ist durchgegangen, ist eingefangen worden, ist spießrutengelaufen, ist wieder durchgegangen und in die Wildnis herein – läßt sich nicht mehr fangen.

      Hinter dem Schrank hängt das Schießgewehr. Tritt einmal der herrschaftliche Jäger ins Haus und sieht er's, so ist's gut – eine Waffe muß sein, im Wald gibt es Wölfe.

      Sieht er's nicht, so ist's besser.

      Bei des Pechers Hauswirtin ist's auch so; sieht man sie, so muß man bedenken, daß im vierzigsten Jahr bei niemandem ein neuer Frühling mehr anbricht, daß, wie das Sprichwort sagt, am Halse ein Kropf besser ist als ein Loch, daß einäugig noch nicht blind, und daß ein wenig säbelbeinig weder Schande noch Prahlerei ist. Sieht man sie nicht, so ist's besser.

      Wie ich aber schon wahrgenommen hab', bleibt an manchem Pecher zuweilen auch ein junges Weib kleben. Viele Landmädchen sind um ein gut Teil anders wie die Stadtfräulein.

      Die Stadtfräulein haben es zumeist nicht ungern, wenn ihre Liebhaber recht schön weiß und zart und schlank und gefügig sind und zärtlich wie Tauben. Die Landdirnen wieder mögen einen, der recht derb und rauh und struppig und eckig und wild ist. Wenn eine die Wahl hat zwischen einem, der ihr schäkernd die Strümpferln stopfet, und einem andern, der sie anwettert mit jedem Wort – so nimmt sie den Wetterer.

      Sie hat ihn ja doch im Sack. Wie geht das Lied, das der Pecher gern singt?

      »Fürs Pech hon ih mei Hackel,

       Fürs Haserl mei Bix;

       Für'n Jager a por dicke Fäust,

       Fürs Mensch hon ih nix.

      Nix is ollszweng, hot's gsogt,

       Hot mih ba da Tür ausgjogt;

       Hiazt geh ih und prügl an Jager o,

       Daß ih an Unterholtin ho.«

      Mag sein, daß nicht viel Schönes dran ist, indes wer einmal so ein Lied singt, der tut dem Jäger nichts. Wer mit finsteren Gedanken umgeht, der singt kein heiter Lied.

      Unter den Waldteufeln der Gehobeltste, der Geschmeidigste und meines Ermessens der Gefährlichste ist der Branntweiner. Er trägt ein feineres Tuch wie die andern und schneidet allwöchentlich seinen Bart. Er trägt allerwege so ein Fläschlein mit sich herum, mit dem er vertraulich jedem aufwartet, der ihm in den Weg kommt. »Du«, sagt er zum Wurzner, zum Pecher, wenn es heißer Sommer ist, »du, ein kühl, frisch Tröpfel hätt' ich da!« Und wenn es kalter Winter ist: »Du, los (horch) auf, das höllisch Feuer hätt ich da!« Wer trinkt, der ist ihm verfallen, der kommt ihm in die Schenke.

      Der Branntweiner erntet zweimal. Fürs erste von den Ebereschen die roten Beeren, von den Hagebutten, Wacholdersträuchern, vom Heidekraut, von allem, was hier Früchte hervorbringt. Der Branntweiner glaubt an den Geist der Natur, der in allen Geschöpfen lebt, und beschwört ihn hervor aus den Früchten des Waldes, und – wie jener Zauberer im Märchen – hinein in die Flasche; – flugs den Stöpsel darauf, daß er gefangen ist. Seine Brennerei ist ein förmlicher Zauberkreis unter dem hohen, finsteren Tann, ein Kreis, wie ihn auch die Spinne zieht und einwebt. Bald sind ein paar Fliegen da und zappeln im Netze. Die Waldleute, wie sie herum- und ihren Geschäften nachgehen, zuletzt aber klebenbleiben in der Schenke – das sind der zweibeinigen Spinne die Fliegen, an denen der Branntweiner nun seine zweite Ernte hält.

      Jedes Weib rät dem Mann, er möge nicht den Weg über den Tann nehmen, der sei so finster und uneben, er sei auch weiter als jeder andere. Der Mann sieht's ein, hat auch gar nichts auf dem Tann zu tun, aber – 's ist eben ein wandelbar Ding, die Gesundheit – wie er so hinschreitet, da empfindet er jählings ein Drücken in der Gurgel, ein Grimmen im Bauch – ein schlimmes Grimmen, schier wie die Magengicht. Pechöl hat er keines bei sich, da weiß er nur noch ein Mittel und – er nimmt den Weg über den Tann. – »Das erste Gläschen« – sagt der Rüpel – »lindert den Schmerz; das zweite macht warm ums Herz, das dritte macht noch wärmer; das vierte macht den Beutel nicht mehr ärmer; das fünfte tut erst die Glieder spannen; bei dem sechsten wackeln schon die Tannen; bei dem siebenten geht es glühheiß durch den Leib; bei dem achten verlangt sich's nach dem Weib.«

      Heimwärts

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