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dem Stein; es hebt ängstlich an, hin und her zu lugen, es schwant ihm von jenem schrecklichen Wesen, das schlank wie ein Baum auf zwei Beinen einherzieht und den knallenden Blitzstrahl schleudert nach ihm, dem armen, harm- und wehrlosen Tiere. Des Entsetzens voll, schlägt es seine Beine aus und eilt von dannen.

      Ich habe schon mehrmals nach der Bedeutung jenes Kreuzes gefragt. Seit Gedenken steht es auf dem Stein, kein Mensch kann sagen, wer es aufgestellt. Der Sage nach sei es gar nicht aufgestellt worden. Alle tausend Jahre flog' ein Vöglein in den Wald und das brächte ein Samenkorn mit aus unbekannten Landen. Alle anderen Körner seien bislang verlorengegangen, oder man wisse nicht, sei die Giftpflanze mit der blauen Beere oder der Dornstrauch mit der weißen Rose oder ein anderes Schlimmes oder Gutes daraus entwachsen. Das letzte Korn aber habe jenes Vöglein auf den Klotz im Felsentale gelegt, und daraus sei das Kreuz entsprossen. Man gehe zuweilen hin, um davor zu beten; manchmal habe das Gebet daselbst schon Segen gebracht, manchmal aber sei auch ein Unglück darauf gekommen. Man wisse also auch vom Kreuze nicht, ob es zum Heile oder zum Unheile sei. Den Einspanig sehe man noch am öftesten im Felsentale, und er verrichte seine Andacht vor dem Bilde; aber man wisse auch vom Einspanig nicht, ob er Gutes oder Schlimmes bedeute.

      Nach mehreren Tagen der Wanderung bin ich wieder einmal zurückgekehrt in mein Haus an der Winkel. Mehrmals über das Kreuz im Felsentale und den Einspanig nachdenkend, hab' ich im Winkel ein weniges erfahren.

      Erstlich, wie ich eintrete in das Haus, wundere ich mich baß, daß meine sonst recht gutmütige Hauswirtin heute gar aufgebracht ist. Die Sache soll so gewesen sein; am Försterhause geht der Einspanig vorüber. Die Haushälterin schaut just zur Tür hinaus und denkt: Ei, wenn sich nur mit diesem seltsamen Menschen einmal ein kleines Plaudern anheben ließ, daß eins doch ein bißchen was von ihm erfahren könnt'. Und kaum er so zufällig sein Haupt gegen die Tür wendet, lädt sie ihn artig ein, an der Bank ein wenig abzurasten. Er tut's, sie bringt ihm eilig Milch und Brot herbei und fragt ihn in ihrer Weise: »Ihr guter Mann Gottes, wo kommt Ihr denn her?«

      »Von dem Felsentale hernieder«, ist die Antwort.

      »Ihr Närrchen!« ruft das Weib aus, »das soll ja so viel eine böse Gegend sein. Da oben im Felsental ist die Welt mit Brettern verschlagen.«

      Darauf der Einspanig: »Wo ist die Welt mit Brettern verschlagen? Gar auf keinem Fleck. Die Berge gehen weit, weit zurück hinter den Hochzahn, dann kommen die Hügelländer, dann kommen die Ebenen, dann kommt das Wasser. Viele tausend Stunden breitet sich das Wasser, dann kommt wieder Land mit Berg und Tal und Hügeln, und wieder Land und Wasser und Land und Land –«

      Hat ihn die Haushälterin unterbrochen: »Jesus, Einspanig, wie weit denn noch?!«

      »Bis heim, bis in unser Land, in unseren Wald, in das Winkel, ins das Felsental. – Ehrsame Frau, gibt Euch Gott Flügel und Ihr fliegt fort gegen Sonnenuntergang, und fort und immerfort, der Nase und der Sonne nach, so kommt Ihr eines Tages von Sonnenaufgang her geflogen gegen Euer friedsam Haus.«

      Darauf die Hauswirtin: »O du Fabelhans, fable wen andern an, ich bin die Winkelhüterin. Die Milch schenk' ich Euch und redlicher alter Leut' Wort dazu: Es ist ein Fleck, da ist die Welt mit Brettern verschlagen. So ist der alte Glauben, und in dem will ich leben und sterben.«

      Der Mann soll darauf gesagt haben: »Weib, Eueren alten Glauben hoch in Ehren! Aber ich bin den Weg schon gegangen, gegen Niedergang hin und von Aufgang her.«

      Und dieses Wort hätte das Weib vollends erbittert: »Du bist eine Lugentafel!« soll sie gerufen haben, »auf dich hat der Teufel seinen Heimatschein geschrieben!«

      Und hierauf sei der Mann kopfschüttelnd davongezogen.

      Das gute Weib muß schon schwer auf mich gewartet haben, um sich weiters Luft zu machen. Als ich nach Hause komme, ruft sie mir über den Gadern (Bretterzaun) her entgegen: »Mein Eid, mein Eid! Was es doch auf der lieben Erde Gottes für Leute gibt! Jetzund glauben sie gar nimmer ans End' der Welt! Ich aber sag: Unser Herrgott hat's recht gemacht, und ich bleib' bei meinem alten Glauben, und die Welt ist mit Brettern verschlagen!«

      »Freilich, freilich, Winkelhüterin!« gebe ich bei und steige über die Bretter des Hausgaderns: »Wohl richtig – mit Brettern verschlagen!«

      Und so bleiben wir beim alten Glauben!

      Bei den Holzern

       Inhaltsverzeichnis

      Daß doch der Wald, wie er sich so hinbreitet über Höhen und Täler – unabsehbar, wie er daliegt, grün und dunkel und weiterhin duftig blauend am sonnigen Sehkreis – der stille, unendliche Wald –, daß er doch auch seine Feinde hat!

      Wie ist das eine schöne, säuselnde, rauschende, brausende, all-lebendige Ringmauer, schützend vor dem wüsten Unfrieden draußen! Aber – Waldfried ist gestorben.

      Im Forste braust der Sturmwind, schlägt manchem jungen Tannling den lustig winkenden Arm weg, bricht manchem trotzigen Recken das Genick. Und in der Tiefe rauscht und schäumt in weißen Gischten und Flocken – wie ein brandender Wolkenstrom – der Wildbach und wühlt und gräbt und nagt das Erdreich von den Wurzeln, immer weiter und weiter hinein, daß der wuchtige Baum zuletzt schier in der Luft dasteht und sich oben mit starken Armen nur noch an den Nachbarn hält, um nicht zusammenzubrechen, endlich aber doch niederstürzt in das Grab, das ihm jenes Wasser heimtückisch gegraben hat. Jenes Wasser, welches er durch seinen Nebeltau gestärkt, durch seine dichte Krone vor dem Lechzen des Windes geschützt, durch seinen Schatten vor dem zehrenden Kusse der Sonne bewahrt hat. – Und auf den luftigen Wipfel hackt der Specht, und unter den Rinden frißt die Borke, und das Sägerad der Zeit geht allerweg, und die Späne fliegen – im Frühlinge als Blüten, im Herbst als gedörrte Nadeln und Blätter.

      Es geht ewig zu Ende, und im Ende keimt ewig der Anfang.

      Da naht nun erst der Mensch mit seiner Zerstörungsgier. Da schallt das Schlagen und Pochen, da surrt die Säge, da klingt das Beil auf das Stemmeisen im dunkeln Grunde; – wenn du oben hinblickst über das stille Meer der Wipfel, so ahnst du es nicht, welchen es angeht.

      Aber das Stemmeisen und der Keil dringen tiefer und tiefer; da schüttelt einer der Hundertjährigen sein hohes Haupt, er weiß doch gar nicht, was die Menschlein wollen da unten, die kleinen, possierlichen Wesen – er kann nicht begreifen und schüttelt wieder das Haupt. Da geht ihm der Stoß ins Herz; – unten knistert es, schnalzt es, und nun wankt der Riese, knickt ein, rauschend und pfeifend in einem weiten Bogen kreist er hin, mit wildem Krachen stürzt er zu Boden. Leer ist es in der Luft, eine Lücke hat der Wald. Hundert Frühlinge haben ihn emporgehoben mit ihrer Liebe und Strenge; jetzt ist er tot, und die Welt ist und bleibt ganz auch ohne ihn – den lebendigen Baum.

      Still stehen die zwei, drei Menschlein, sie stützen sich auf den Beilstiel und blicken auf ihr Opfer. Sie klagen nicht, sie jauchzen nicht, eine grausame Kaltblütigkeit liegt auf ihren rauhen, sonnverbrannten Zügen; ihr Gesicht und ihre Hände sehen auch aus wie von Fichtenrinden. Sie stopfen sich ein Pfeiflein, schärfen die Hacken und gehen wieder an die Arbeit. Sie hauen die Äste von dem hingestreckten Stamme, sie schürfen ihm mit dem breiten Messer die Rinde ab, sie schneiden ihn vielleicht gar in klafterlange Stücke; – und nun liegt der stolze Baum in nackten Klötzen.

      Der Holzhauer denkt nicht daran, kann nicht daran denken, nur daß er sich, wenn der »Meisterknecht« nicht zugegen, ein wenig auf den weißen Stock mit den Jahresringen setzt und wieder ein Pfeifchen stopft oder – wie das bei den Waldleuten schon eine absonderliche Gewohnheit ist – sich gar einen Ballen Tabak in den Mund steckt, um einen halben Tag an ihm zu kauen. Das Tabakkauen ist dem Holzschläger ein eigener Genuß, es ist ihm, wie er sagt, das halbe Essen und dreiviertel Arzenei.

      Die Baumstämme werden in diesen Gegenden zumeist zu Kohlen verwandelt und zu diesem Zwecke zu Scheitern oder längeren Stücken, den »Dreilingen« (drei hackenstiellangen Strünken), zerkleinert. Die Kohlen werden entweder zu Wagen oder, wo der Weg zu elend ist, auf den Rücken der Pferde oder Halbpferde hinausbefördert zu den Hammerwerken der Vorgegenden. Nur

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