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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
Читать онлайн.Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Год выпуска 0
isbn 9788075837325
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Mich närrischen Jungen stimmen meine Entdeckungsreisen heiterer, als ich's je vermeint hätte. Es liegt ein traurig Geschick über diesem Völklein, aber dieses Geschick macht zuweilen ein unsäglich spaßhaftes Gesicht. Ich halte diese Waldleute auch nicht für so verdorben. Verwahrlost und ungeschlacht sind sie. Es ließe sich vielleicht was aus ihnen machen; – nur Sauerteig muß dazukommen, daß sie aus ihrer Versunkenheit einmal auflockern.
Aussterben wird das Geschlecht nicht so leicht. Gerade in dem feuchten, dunklen Waldboden gedeihen die kleinen Rangen wie die Pilze. Die Jungen gehen den Weg der Alten und tragen die Wurzelkrampe oder den Hirtenstab oder die Pechhacke oder die Holzaxt.
Beim Pfarrer draußen in Holdenschlag ist bekannt, daß die Waldkinder lauter Mädchen sind. Die Knaben werden zumeist getauft mit dem Wasser des Waldes; sie sind in kein Pfarrbuch geschrieben, auf daß Sie vergessen bleiben draußen im Kreisamte und im Verzeichnisse der Wehrpflichtigen. Die Männer hier sagen, die Landesregierung und was dazu gehöre koste ihnen mehr, als sie ihnen wert wäre, und sie verzichten darauf. Das lasse ich gelten, aber die Regierung verzichtet nicht auf die gesunden Winkelstegerleute.
Die Mädchen, werden sie ein wenig flügge, gehen bald auch ins Ameisen- und Wurzelgraben, ins Kräutersammeln, und sie wissen für alles Absatz, und sie pflücken die Erdbeeren und die Hagebutten- und die Wacholderfrüchte für den Branntwein. Und die Jungen, denen noch das Höschen nicht trocken wird den ganzen Tag, helfen schon auch den Branntwein trinken.
Vor einiger Zeit habe ich einer Kinderschar zugesehen. Sie spielen unter Lärchenbäumen. Die niedergefallenen Lärchzapfen sind ihre Hirsche und Rehe, denen sie grünes Reisig vorlegen zum Fressen. Andere laufen umher und spielen hinter Gebüsch »Verstecken«, »Salzhalten«, »Geier austreiben«, »Himmel- und Höllfahren«, und wie sie die Schalkheiten und Leibesbewegungen alle heißen. – Man sieht ihnen gerne zu; sie sind zwar alle halbnackt, haben wohlgebildete und gesunde Glieder, und ihre Spiele sind so kindlich heiter, wie ich anderwärts noch nie Kinder spielen gesehen habe. – Hier ist die verwundbare Stelle des »Waldteufels«, der am Ende ein gehörnter Siegfried ist!
Ich habe den Kleinen unter den Lärchen fortwegs zugelächelt, aber sie haben mich kaum angeblickt; nur daß sich die Jüngsten vor mir gefürchtet. Nach einer Weile hab' ich es versucht, mich in ihre Spiele zu mengen; wie sich da die meisten gleich verblüfft zurückgezogen haben! Nur wenige geben sich mit mir ab; wie ich aber von diesen wenigen im Wettlaufen und Haschen einige Male überlistet werde, da kommen auch die anderen wieder herbei. Und bald bin ich in dem tollschwirrenden Kreise dieser jungen Menschen ein guter und gern gesehener Bekannter. Ich schwätz' ihnen manches vor, noch öfter aber lasse ich mir von ihnen erzählen. Ich gehe zu den Kindern in die Schule, um die Schulmeisterei zu lernen.
Von oben durch einen Strick zur Höhe ziehen lassen sich die Waldleute nicht; wer sie für die Höhe gewinnen will, der muß ganz zu ihnen niedersteigen, muß sie Arm in Arm und wohl auf weiten Umwegen emporführen.
Im Felsentale
An den Lehnen der Voralpe und an den Hängen des Hochzahns und seiner Gletscherketten ziehen sich fort und fort die Waldberge hin in der Richtung gegen Abend. Von oben gesehen, liegen sie da in der Bläue, wie ich mir das Meer denke, bergend in ihren Gründen die ewigen Schatten und die seltsamen Menschen.
Eine Tagreise vom Tale der Winkel gegen Abend hin, fernab von der letzten Klause, ist jene Stelle, von der die Waldleute sagen, da sei die Welt mit Brettern verschlagen.
Mit Steinen vermauert, wäre besser gesagt. Senkrecht aufsteigende, tiefklüftige Wände schließen hier das Waldland ab. Es beginnt der Urstock der Alpen, in welchem die Felsschichten nicht mehr liegen noch lehnen, sondern fallrecht gegen Himmel ragen. Ein Meer von Schnee und Eis mit Klippen, an denen ewige Nebel hängen, soll unabsehbar hingebreitet sein über die Riesenburgen, die da oben ragen und vormaleinst ein Eden gewahrt haben, das heute versteinert und in Starrnis versunken ist. So die Sage. Daß doch dieser wundersame Traum von einer einstigen verlorenen Glückseligkeit die Herzen aller Völker und Volksschichten durchdämmert!
Daß jenseits des Alpenstockes wieder menschenbewohnte Gegenden beginnen, das wollen mir viele Leute hier gar nicht glauben. Nur ein alter, schlau blinzelnder Kohlenbrenner sagt, sein Großvater hätte wohl einmal erzählt, es seien da hinten drüben Menschenwesen, die so hohe und spitze Hüte trügen, daß, wenn sie des Nachts auf den Bergen herumgingen, sie nicht selten damit einen Stern von Himmel stechen täten. Und der Herrgott müßt des Abends jedmal sorgsam die Wolken vorschieben, sonst hätt' er längst mehr kein einzig Sternlein an seinem Himmel.
Der Schalk hat die Spitzhüte der Tiroler gemeint.
Wo nun dieses Waldland von dem Felsgebirge begrenzt wird, sind verrufene Stellen. Dort hat man schon manchen toten Gemsjäger gefunden, dem ein Körnlein Blei durch die Brust gegangen. Auch bricht, sagen die Leute, aus einer der zahlreichen Felsenhöhlungen zuweilen ein Ungeheuer hervor, das alles verschlingt, das aber im Gebirge einen unermeßlichen Schatz von Edelsteinen bewacht. Wenn das Waldland noch eine Weile besteht, so muß ein heldenhafter Mann kommen, der das Ungeheuer besiegt und die Schätze hebt. Bislang ist noch kein solcher dagewesen.
Ich meine, ich wollte es erkennen und nennen, das Ungeheuer...
Den finsteren Sagen angepaßt ist Jene Gegend. Sie ist ein totes Tal, in welchem kein Finklein will singen, keine Wildtaube will glucken, kein Specht will hacken, in welchem die Einsamkeit selbst ist eingeschlummert. Auf dem grauen Sandmoosboden liegen zerstreut Felsblöcke umher, wie sie von dem hohen Gewände niedergebrochen sind. Dort und da ist ein vorwitziges Fichtenbäumchen hinangeklettert auf einen solchen wettergrauen Klotz und blickt stolz um sich und meint, es sei nun besser als die anderen, halb verkommenen Gewächse unten auf dem Sandboden. – Wird nicht lange dauern, so wirst du verhungern und verdursten auf dem dürren Felsboden und herniederfallen. Hierum kann der Wald nicht gedeihen, und steigt doch wo eine schlanke, kerzengerade Fichte empor, so sind ihre Tage gezählt. Jählings kommt ein Sturmwind niedergefahren von den Felsmulden und legt den schönen jungen Stamm mitsamt der losgelösten Wurzel fast sanft hin über den Boden. Und da tut er jetzund, als wollte er eine kleine Weile sich nur ausrasten und bald wieder aufstehen mit seinen grünen Zweigen und weiter wachsen; und indessen fallen ihm schon die Nadeln ab und es schrumpft und springt die Rinde, und die Käfer lösen sie los, und nach einer Zeit liegt das nackte, bleiche Gerippe da, das immer mehr und mehr in die Erde hinein versinkt, aus der das Bäumchen einst hervorgewachsen war.
Und doch muß eine Zeit gewesen sein, in welcher der Wald hier glücklicher gediehen ist; es ragt ja noch hier und da der graue, gespaltene Rest eines gewaltigen Tannenbaumes empor oder eines uralten Ahorns, in dessen Höhlen das Wiesel wohnt oder durch die der Fuchs den Eingang hat zu seiner unterirdischen Behausung.
Die Kiefer allein ist noch kampfesmutig, sie will die steilen Lehnen hinanklettern zwischen den Wänden, will wissen, wie es da oben aussieht bei dem Edelweiß, bei den Alpenrosen, bei den Gemsen, und wie weit es noch hinauf ist bis zum Schnee. Aber die gute Kiefer ist doch keine Tochter der Alpen, balde faßt sie der Schwindel, und sie bückt sich angstvoll zusammen und kriecht mühsam auf den Knien hinan, mit ihren geschlungenen, verkrüppelten Armen immer weiter vorgreifend und rankend, die Zapfenköpfchen neugierig emporreckend, bis sie letztlich in den feuchten Schleier des Nebels kommt und in demselben planlos umherirrt zwischen dem Gestein.
Auf einem der niedergestürzten Felsblöcke dieses letzten Tales des Waldlandes steht ein Kreuz. Es ist unbeholfen aus zwei rohen Holzstücken gezimmert; es hängt stellenweise noch die Rinde daran. Still steht es da in der verlorenen Öde; es ist wie die erste Kunde von dem Welterlöser, welche der heilige Bonifaz vormaleinst in den deutschen Wildnissen aufgepflanzt hat. Die Eidechse schlüpft auf dem Felsengrunde dahin; ein Reh trippelt heran mit seinen