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er gesonnen sei, sein Recht gegen Sie auszubeuten. Sie, die Sie gewohnt sind, Ihren kranken Vater in dessen Geschäften zu vertreten, begeben sich zu der Burg hinauf, Sie haben eine längere Unterredung mit Epaville – und dennoch versichern Sie mich, daß Sie nicht von der Angelegenheit, die Ihnen doch sehr dringend am Herzen liegen mußte, mit ihm reden wollten ...«

      »Zweifeln Sie an meinen Worten?«

      »Nicht im geringsten, Mademoiselle Ritterhausen, ich erstaune nur. Aber ich lasse auf Ihr bloßes Wort hin sogleich meine ganze Ueberzeugung fallen.«

      »Und diese Überzeugung war?«

      »Daß der Graf Ihre Vergleichsvorschläge zurückgewiesen, daß er Ihnen seinen festen Willen erklärt hat, sein Recht zu verfolgen.«

      »O nein, mein Herr – es war durchaus umgekehrt,« versetzte Sibylle mit einem bittern und verächtlichen Lächeln, »der Graf war voll zuvorkommender Anträge zu jedem möglichen Vergleich; er machte aus seiner Freundschaft eine sehr wohlfeile Ware ...«

      Der Polizeibeamte warf einen seiner scharfen Blicke auf Sibylle.

      »Sie haben also doch von Ihrer Angelegenheit mit ihm geredet,« sagte er. »Soeben verneinten Sie es,«

      »Ich verneinte, daß ich ihn aufgesucht; nicht daß, als der Zufall mich ihm in den Weg geführt, er nicht sofort von der Sache begonnen und der Unterredung eine Wendung gegeben, die mich veranlassen mußte, sie so bald abzubrechen, wie es immer möglich war.«

      »Aha, ich verstehe alles,« erwiderte Monsieur Ermanns mit boshaftem Lächeln, »Nun haben wir denn doch ganz dasselbe, was ich vorhin als Tatsache feststellen wollte: Sie haben eine Kriegserklärung von dem Grafen erhalten und als Sie darauf eine zufällige Unterredung mit demselben hatten, begriffen Sie, daß ein Friedensschluß mit ihm nur auf Bedingungen hin zustande kommen könne, welche Sie unter keinen Umständen, nie und nimmer, eingehen würden!«

      »Darf ich Sie bitten, mein Herr, mir zu sagen, wozu Sie mich über diese Angelegenheit verhören, denn die freundschaftliche Unterredung, um welche Sie mich baten, hat gar sehr den Charakter eines Verhörs angenommen.«

      »Hat sie das in der Tat, Mademoiselle? Nun, es mag sein. Aber ich würde untröstlich darüber sein, wenn etwas in meinem Tone und in meinen Fragen läge, das Sie persönlich verletzen könnte. Niemals in meinem Leben möchte ich weniger als Beamter und mehr als ein teilnehmender, wirklich ergebener Freund erscheinen!«

      »Dann würde ich es als einen Freundesdienst betrachten, wenn Sie mir ohne weitere Einleitung sagen wollten, wozu –«

      »Ohne Einleitung bringe ich das nun eben nicht übers Herz, Mademoiselle Ritterhausen, und deshalb bitte ich Sie, spannen Sie mein herzliches Mitleiden mit Ihrer Lage nicht dermaßen auf die Folter ...«

      »Herzliches Mitleiden ... ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, mein Herr, aber ich muß Ihnen gestehen, daß ich es überaus überflüssig finde,« fiel Sibylle erbleichend ein.

      »Mademoiselle, ich will die Tatsachen vor Ihnen reden lassen – Sie sollen dann selber die Schlüsse ziehen. Nachher erst werden wir auf diesen Punkt zurückkommen. Sehen Sie, was sich ereignet hat, ist dieses: Im Jahre 1799 gewinnt der Baron Huckarde einen Prozeß wider den Hammerbesitzer Ritterhausen, dahin, daß der Rheider Hammer, welchen der letztere längst als sein Eigentum betrachtete, den er geschaffen, verbessert, vergrößert hat, der ihn reich oder doch wohlhabend machte, der seine kleine Welt, sein ein und sein alles ist, auf dem er geboren und auf welchem er zu sterben gehofft hat, daß dieser Hammer nicht ihm, sondern dem Baron Huckarde gehöre.

      »Der Baron hat beschlossen, ihn von dem Hammer zu entfernen.

      »Um dem zuvorzukommen, kauft Ritterhausen Förderungen, welche dritte Personen an Huckarde haben, Schuldverschreibungen des Barons an sich. Er eröffnet dem gestrengen Herrn dies. Er droht ihm: brauchst du dein Recht, so gebrauche ich das meine. Treibst du mich von dem Hammer fort, so treibe ich unerbittlich meine Forderungen ein, lasse deine Burg, oder wenn das nicht möglich, da sie Lehngut, alle deine fahrende Habe mit Beschlag belegen und versteigern.«

      »Wie wissen Sie das, mein Herr?« fragte Sibylle in hohem Grade verwundert.

      »Von dem Herrn Ritterhausen selbst. Er war vorhin in einer vertraulichen Unterredung so freundlich, es mir mitzuteilen.«

      »Mein Vater selbst sagte Ihnen ...?«

      »Gehen wir weiter,« versetzte Monsieur Ermanns; »also der Hammerbesitzer bedroht den Burgherrn; der Burgherr aber entgegnet, daß er diese Bedrohung nicht beachten werde, daß er sein Wort gegeben, seine Ehre verpfändet, den Herrn Ritterhausen von seinem Grund und Boden auszutreiben, und daß er ihn deshalb austreiben werde.

      »Herr Ritterhausen sieht ein, daß er mit dem alten vorurteilsvollen Manne nicht werde zu einer Verständigung kommen können. Er muß sich sagen, daß der Tag naht, wo er zur Schadenfreude seiner Neider und Feinde den Hammer werde räumen und in die Welt hinausziehen müssen. Sie trennen sich im Zorn, die beiden Männer. Der alte Huckarde geht spät abends noch aus, zu einer Stunde, in welcher auch Ritterhausen ganz gegen seine Gewohnheit außer seiner Wohnung ist – am andern Morgen findet man plötzlich den alten eigensinnigen Baron mit einer Wunde am Hinterkopf tot in der Wupper!

      »Erste Tatsache. Gehen wir über zur zweiten.«

      »Der Hammerbesitzer Ritterhausen bleibt nun unangefochten auf seinem Hofe. Jahre vergehen. Wir schreiben 1807. Die Rheider Burg wird Eigentum eines neuen Herrn, eines Mannes, dessen Privatverhältnisse ihn zwingen, die Zitronen, welche man ihm schenkt, nicht unausgepreßt zu lassen. Dieser Herr erklärt denn auch sofort dem Hammerbesitzer: du sitzest auf meinem Eigentum; ich fordere es zurück von dir, du sollst mein Pächter werden, mein Heuerling, oder sofort den Herd, an dem du dich unrechtmäßigerweise breit gemacht hast, verlassen.«

      »Der Hammerbesitzer sendet seine Tochter zu dem neuen, so schlimm auftretenden Herrn, um mit ihm zu verhandeln. Aber diese Botschaft bleibt fruchtlos. Sie hat nur ein noch mehr erbitterndes Ergebnis, denn der neue Burgherr führt der Tochter des Hammerbesitzers gegenüber eine Sprache, welche ihre jungfräulichen Gefühle verletzt und ihren Zorn erregt. Herr Ritterhausen also muß sich einmal wieder sagen: es gibt hier keine Rettung für dich, du wirst deinen alten Besitz mit dem Rucken ansehen müssen. Da, in der nächsten Nacht, findet man den neuen Burgherrn mit einer tiefen Wunde in der Brust tot auf seinem Bette.

      »Habe ich die Tatsachen einfach, wie sie sind, richtig und wahrheitsgetreu vorgetragen?«

      »In Ihrer eigenen Färbung! Aber, um Jesus und aller Heiligen willen, was folgern Sie daraus,« rief Sibylle, die bis dahin mit immer größer werdenden Augen, immer bleicher werdenden Zügen der Rede des Polizeibeamten zugehört hatte.

      »Was ich daraus folgere? Brauche ich das zu sagen? Folgern Sie selber: die Moral der Geschichte scheint mir nicht schwer zu finden!«

      »Sie werden doch nicht andeuten wollen,« rief Sibylle, plötzlich über und über dunkelerrötend und mit vor Zorn bebender Lippe, »Sie werden doch nicht die Verwegenheit haben, anzudeuten, daß mein Vater mit diesen Mordtaten oder was es sein mag, irgendeine Verbindung habe!«

      »Beruhigen Sie sich, Demoiselle Ritterhausen; nehmen wir die Dinge wie sie sind; ich habe Sie meiner Ergebenheit und Dienstbeflissenheit hinreichend versichert; ich will nichts andeuten, nichts behaupten, ich will nur mit Ihnen überlegen, auf welche Weise ...«

      »Mein Herr,« fuhr Sibylle entrüstet dazwischen, indem sie aufstand, »ich danke Ihnen für eine Freundschaft und Ergebenheit, welche sich darin zeigt, daß Sie mir Unverschämtheiten sagen. Haben Sie die Güte, mich zu verlassen, oder ich ...«

      »Sacht, sacht, meine teure Demoiselle,« fiel hier Monsieur Ermanns ein, »stoßen Sie meine wohlwollende Teilnahme nicht von sich, denn Sie würden dann sehr unglücklich werden. Ich bin in der Tat nicht so unverschämt und verwegen, wie Sie sagen. Wenn ich aus der Lage der Dinge den Schluß gezogen habe, daß Herr Ritterhausen der intellektuelle Urheber, wie die Juristen sich ausdrücken, dieses Mordes an dem Grafen von Epaville ist, so habe ich noch eine ganz bestimmte Tatsache, welche die Folgerungen meiner Vernunft

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