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hat ihm die Laterne abnehmen und ihm leuchten wollen, aber er hat ihn zurückgeschickt, er finde den Weg schon allein. Der ist aber stehengeblieben, um zu sehen, wohin der alte Herr ginge, und so hat er gesehen, daß er den Bergweg nach dem Hammer eingeschlagen hat. Wohin hätte er auch sonst gehen können! Nun ist er aber auf dem Hammer niemals angekommen. Er hätte auch den Ritterhausen dort gar nicht gefunden; der ist erst viel, viel später heimgekommen, und kein Mensch weiß, was er draußen in der Nacht getrieben hat ...« »Der alte Huckarde ist niemals wieder heimgekommen,« fuhr Spielberend fort, »weder die Nacht noch den andern Morgen; und am Nachmittage hat man ihn gefunden zwei Stunden von hier unterhalb in der Wupper, eine große Wunde hinten am Kopf.«

      »Kuriose Geschichte,« sagte der Deserteur nach der stummen Pause, die beim Schlusse von des Spielmanns Geschichte entstanden war, »er hatte eine Wunde am Kopf? Und wie sah die aus?«

      »Blutig und schrecklich genug,« fiel Claus ein, »Ich habe sie gesehen, als man die Leiche herauf, hier ins Haus brachte. Auf dem großen Saale oben hat sie gestanden.«

      »Aber,« fuhr Johannes fort, »konnte man denn nichts daran sehen, an der Wunde, wie sie wohl entstanden war?«

      »Die gutmütigen Leute,« versetzte Claus, »sagten, der alte Herr sei ins Wasser gestürzt in der Dunkelheit und dabei sei er mit dem Hinterkopf auf einen Stein oder eine Felskante aufgeschlagen.«

      »Und die nicht gutmütigen meinten wohl, er habe sich selber hineingestürzt ins Wasser?« fragte der Deserteur, indem er Claus und Spielberend, einen nach dem andern, bedeutsam anblickte.

      »So war es, Kamerad,« sagte der Spielmann.

      »Und die bösen – die sagten wohl noch etwas anderes?«

      »Kann sein,« erwiderte Claus Fettzünsler, »aber,« fügte er mit seinem schlauen Blinzeln hinzu, »wer wollte nachsagen, was böse Leute sagen?«

      »Und die Gerichte,« fuhr der Deserteur fort, »sagten die nichts?«

      »Die Gerichte? Nun, dazumal waren wir noch in der guten bergischen Zeit und die Gerichte waren nicht wie heute. Man ließ noch Gottes Wasser über Gottes Land laufen. Auch rief sie keiner herbei. Der Mann ist verunglückt, hieß es eben. Der junge Herr Robert beweinte und begrub seinen Vater stattlich und mit allen Ehren, und als das geschehen war, ging er zum Hammer hinunter und dort verlangte er Mamsell Sibylle Ritterhausen zu sprechen. Die beiden haben dann eine lange Unterredung miteinander, gehabt, zwei, drei Stunden lang, und dann ist er heimgekehrt mit düsterer Stirn und einem Gesicht, daß niemand gewagt hat, ihn anzureden; und so hat er sich seine Sachen zusammengepackt und hat sein Pferd satteln lassen und ist denselbigen Abend noch fortgeritten der Wupper nach und in die Welt hinein, und es hat niemals jemand wieder etwas von ihm gehört.«

      »Was ist denn nun hernach aus der Sache geworden, aus dem Hammer, den Ritterhausen und der Burg?«

      »Was die Burg angeht,« nahm Claus das Wort, »so ist sogleich ein Konkurs ausgebrochen über des alten Huckarde Nachlaß; und die Rheider Burg hat schon in dem Amtsblatt gestanden, wie daß sie sollte öffentlich meistbietend bei brennendem Licht verkauft werden, und der Herr Ritterhausen hat sie kaufen wollen und schon sein Geld dazu parat gemacht, als könnte sie ihm nicht entgehen; da ist auf einmal die kurpfälzische Regierung dazwischen gekommen und hat gesagt, die Rheider Burg sei ein landesfürstliches Lehn, und weil kein Erbe sie zu muten gekommen, so werde sie als heimgefallen betrachtet, und so hat die Regierung über die Schulden, die darauf hafteten, mit den Gläubigern sich in Verhandlungen begeben und ihnen fürs erste die Einkünfte zugewiesen, aber die Burg ist kurfürstlich geworden. Und den Herrn Ritterhausen hat der Kurfürst ruhig auf seinem Hammer gelassen gegen den alten Kanon, und das hat gedauert bis die Franzosen gekommen sind. Da ist die Rheider Burg großherzogliche Domäne geworden und der Ritterhausen hat nach den neuen Gesetzen das Erbpachtswesen von seinem Hammer ganz ablösen und abkaufen können und nun ist der Hammer sein und ich denke, der Teufel selber bringt ihn nicht herunter.«

      »Wenn er ihn nicht holt!« fiel hier lachend der Lügenschuster ein, »anders wohl nicht!«

      »Nun wißt Ihr die ganze Geschichte, Kamerad,« sagte Spielberend.

      »Ich danke Euch für Eure Geschichten,« versetzte Johannes; »um einem die Zeit vom Einrühren des Pfannkuchens bis daß er gar ist, zu vertreiben, sind sie nicht schlecht.«

      »Und gar ist er,« sagte Claus Fettzünsler, »und jetzt, Mannen, langt zu und laßt ihn nicht kalt werden.«

      Der würdige Hausvater hatte, während der Erzählung in der Küche hin und her hinkend, den Tisch, an welchem Spielberend und Johannes der Deserteur saßen, gedeckt, mit zinnernen Tellern und einer reichlich gefüllten Salatschüssel besetzt, Schwarzbrot und Butter dazugestellt und nun das Ganze mit seinem duftenden, noch zischenden Eierkuchen gekrönt. Der Deserteur wartete keine zweite Einladung ab, namentlich da er auch den Schuster Matthis in kriegerischer Stimmung zum Angriff anrücken sah. Spielberend aß wenig und zwischen Johannes und Matthis schwankte die Palme der umfassendsten und erfolgreichsten Leistung, zu deren Unterstützung Claus Fettzünsler wesentlich durch einen rundbäuchigen Krug voll guten Gerstensaftes, den er aus einem Wandschrank hervorholte, beitrug.

      Viertes Kapitel

       Großherzog Murat

       Inhaltsverzeichnis

      Es waren zwei Tage verflossen, und wieder war es um die Nachmittagsstunde, wie das erste Mal, als wir das Gartenzimmer des Rheider Hammers betraten. Von den Schmiedegebäuden her tönte das tosende Rauschen des Wassers, das Klopfen und Hämmern und all der Lärm, der mit einer solchen Werkstatt voll angespannter Tätigkeit verbunden ist. Im Wohnzimmer Ritterhausens dagegen herrschte tiefe Ruhe; der Hammerbesitzer lag zwar mit umwundenen Füßen in seinem Sessel wie gewöhnlich; er hatte jedoch einen guten schmerzensfreien Tag. Sibylle saß ihm auch heute gegenüber; ihre großen Bücher lagen auf dem Tische, aber sie hatte sie nicht aufgeschlagen, sie stützte den Arm darauf und auf den Arm ihr schönes Haupt und blickte mit ihren großen Augen träumerisch durch die offene Gartentür in die sonnige Landschaft hinein.

      »Worüber sinnst du so lange in dich versunken nach, Sibylle?« sagte Ritterhausen endlich gähnend, da ihm die Stille lästig zu werden anfing.

      »Ich sinne darüber nach,« antwortete sie, »ob es eine prophetische Anlage im Menschen geben könne, eine Sehergabe.«

      »Und wie kommst du darauf?«

      »Durch eine zufällige Veranlassung, Ich bin neulich dem Spielberend begegnet und der wunderliche, unheimliche Mensch hat mir allerlei Dinge gesagt, die –«

      »Die du so töricht bist, zu glauben?«

      »Das nicht,« fiel Sibylle ein; »aber jedermann im Lande weiß, daß der Spielmann Ereignisse vorhergesagt hat, welche mit allen Umständen genau so eingetroffen sind. Dies ist eine Tatsache. Aber wenn in einem Menschen eine solche Sehergabe lebt, so muß sie doch, mehr oder minder verhüllt, in allen leben; denn ich kann mir nicht denken, daß in einem Menschen ein Seelenvermögen läge, was nicht auch, wenigstens im Keime, in jedem andern verborgen liegt. Wir sind doch alle nach einem und demselben Vorbild geschaffen.«

      »Meinst du? Ich danke meinerseits für diese Voraussetzung,« sagte der Hammerbesitzer. »Wenn du beobachtest, was den meisten Menschen gefällt, was sie schön oder was sie ein Vergnügen nennen, so merkst du bald, daß du nicht mit ihnen aus demselben Stoffe geknetet bist.«

      »Darüber mag man denken, wie man will,« versetzte Sibylle, »es bleibt doch das wahr, daß die menschliche Seele ein gleichartiges Wesen ist, sie mag nun im Körper eines Weibes oder Mannes, eines Bauern oder eines Künstlers stecken. Wenn nun in dem Bauern eine Eigenschaft wie die Prophetie hervortritt, weshalb sollte sie dann nicht auch in der Seele des Künstlers, des Gelehrten liegen, weshalb sich nicht in ihm entwickeln, auferziehen lassen?«

      »Möchtest du aus dir eine Vorgeschichtenseherin entwickeln? Oder ist dies ein leiser Vorwurf, daß ich dich nicht dazu auferzogen habe?« fragte Ritterhausen

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