ТОП просматриваемых книг сайта:
Ausgewählte historische Romane. Levin Schucking
Читать онлайн.Название Ausgewählte historische Romane
Год выпуска 0
isbn 9788027225880
Автор произведения Levin Schucking
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Was haben Sie denn da, Herr Vikar?« fragte Frau von Kraneck und langte mit einem Teelöffel in das dampfende Naß.
»Ich bin auch mal ins Wasser gefallen, Ew. Gnaden, und das hat mich so munter gemacht, als wär' ich ein Fisch gewesen.«
»Pfui!« rief die Hausfrau, »das brennt wie Feuer!«
»Gelt?« versetzte Herr Gerhards, sehr zufrieden mit der Kraft seines Trankes; »es ist aber auch vom besten, den Ew. Gnaden im Keller haben: Zwei Schoppen alten Spanischen und eine Handvoll Ingwer und –«
»Erlauben Sie gütigst, lieber Herr Vikarius«, unterbrach der Gutsherr ihn und nahm die Kanne aus seiner Hand; dann öffnete er das Fenster und goß den ganzen Dekokt in den Baumhof hinunter.
»Wenn meine Pferde das kalte Fieber bekommen, sollen Sie Doktor werden, Herr Vikar; hier aber lassen Sie Ihren alten Spanischen fort!«
Herr Gerhards war von der gewaltsamen Handlung seines sonst so sanftmütigen Gutsherrn in einem Grade überrascht, daß er keine Worte finden konnte, um seine Mißbilligung derselben in so entschiedenem Tone auszudrücken, wie er sie innerlich fühlte. Er schüttelte den Kopf, bückte sich, um die Scherben seiner irdenen Pfeife zusammenzulesen, die er aus Schrecken auf den Boden hatte fallen lassen, und sagte: »Ew. Gnaden, so wird ein Kranker nicht gesund, wenn man ihm nichts eingibt; aber ich sage kein Wort mehr.«
Der Vikar begann in der Tat mit seinem Rate von diesem Augenblicke an zornig hinter dem Berge zu halten. Nur einige Tage später, als er einen Domestiken bedauern hörte, daß kein Maderawein da sei, von dem die gnädige Frau einen Eßlöffel voll verordnet habe, ließ ihn nach heftigem inneren Kampfe seine Teilnahme und Liebe für Bernhard nicht länger untätig bleiben. Er trat um Mittag, als niemand in dem Krankenzimmer war, sachte ein und kam mit einem großen Glase voll Wein an Bernhards Bett.
»Es fehlt an Madera«, sagte er flüsternd.
»Nun, Herr Vikar, was haben Sie da?«
»Das ist ein Schöppchen alten Unkler roten, von anno 1699; ich habe so'n paar Krüglein auf den bittersten Notfall hinter die Gardine gestellt. Trinken Sie, Doktor!«
»Gott behüte, keinen Tropfen!«
»Nur dreist, nur dreist, ich möchte wetten, daß ein Schöppchen von dem gerade so viel Kraft haben muß wie ein Esslöffel voll Madera, wenn nicht noch mehr. Nehmen Sie nur, es wird gerade dasselbige sein, wenn nicht noch mehr; probieren Sie nur!«
Bernhard hatte Mühe, von dem Unkler roten, von dem ein Schoppen mindestens so viel Heilkraft haben sollte wie ein Eßlöffel voll Madera, sich zu befreien. Der Vikar trank endlich das Glas selber aus, wobei er mit großem Unmut sagte: »Auf Ihr Wohlsein; aber gesund werden Sie Ihr Lebtage nicht wieder, wenn Sie nicht besser Rat annehmen.«
Fürs erste schien Herr Gerhards recht zu behalten. Bernhard ward zwar eigentlicher Gefahr bald entrückt, aber die frühere Gesundheit wollte nicht wiederkehren; es schien eine völlige Mutlosigkeit über ihn gekommen, die alle seine Kräfte niederdrückte. Er fühlte sich verwaist, in einer toten Oede um ihn her. Seine Gedanken erlahmten, seine Gefühle irrten schwankend umher, ohne daß er sie zu lenken vermocht hätte; sie zogen dahin, von wo er sie mit aller Macht seiner Seele hätte zurückreißen mögen – zu ihr; und sie – sie hatte ihn vergessen und ließ ihn ratlos und hilflos in dem Kampf mit dem Siechtum seines Lebens unterliegen.
An der Stelle, wo die Bauern den verunglückten Anführer des heidnischen Nomadenvolkes, das in ihren Wäldern hauste, begraben hatten, sah man mehrere Tage nachher ein Kreuz aufgerichtet, das freilich von einer sehr kunstlosen Hand mit einigen rostigen Nägeln zusammengezimmert war, aber mit einem vollen und schönen Immortellenkranz die Mängel seiner Konstruktion bedeckte. Einige wollten auch abends jemanden sich dort umherbewegen gesehen haben, eine Gestalt, die bald wie eine Säule still gestanden, dann heftig sich auf und ab bewegt habe. Aber niemanden hatte Interesse an dem toten Heiden oder den klagenden Genossen seines Stammes zu näherer Untersuchung veranlaßt, wer es sein könne, der ein so unpassendes Symbol über seinem Grabe aufgerichtet habe.
Siebentes Kapitel
Wir kehren zur Residenz zurück.
Die unbekannte Person, welche bei dem Stiftsfräulein von Plassenstein eingeführt zu werden verlangt hatte, trat in das Zimmer, in dem wir oben Katharinas Bemerkungen über den steigenden Chinesismus ihrer Zeit und ihre Pläne mit dem fruchtbringenden Herrn von der Schäferzunft belauschten. Es war ein junges Mädchen, noch blutjung, aber mit einem blassen, ernsten und sprechenden Gesichte, das an das Sprichwort: »Stille Wasser sind tief!« zu erinnern geneigt war. Sie war hübsch, aber um sie schön zu finden, hätte man einen besonderen Geschmack für jenes orientalische, dunkle, brennende Kolorit und die Symptome verhalten kochender innerer Leidenschaftlichkeit haben müssen, die sich hier wohl durch den Einfluß eines nördlichen Klimas und vielleicht auch niederdrückender und zurückhaltender Erziehung gemildert, aber nicht ganz verwischt und ausgetilgt zeigten.
»Was willst du von mir, Kind?« fragte Katharina freundlich und nicht recht wissend, was sie aus der Eintretenden zu machen habe, deren Anzug den Schnitt der gewöhnlichen Bauerntracht, aber dabei eine ganz außergewöhnliche Nettigkeit hatte.
Die Fremde antwortete nicht; sie legte die Hände über dem Schoß zusammen und sah mit funkelnden Blicken Katharina an.
»Du bist gewiß die Tochter eines Försters oder Vogtes vom Lande? Du willst einen Dienst bei mir suchen? Sei nicht so ängstlich; sprich nur, Kind.«
Lene – denn sie war es – setzte sich auf ein Taburett, das am Fenster stand, und blieb fortwährend stumm.
»Bist du gekommen, mich anzusehen?«
»Ja,« sagte das Mädchen mit einer Stimme, die von irgendeiner verhaltenen Bewegung zitterte; »ich bin gekommen, um Euch ein paar Worte zu sagen und zu sehen, wie Ihr dabei ausseht.«
Ein wunderliches Geschöpf, dachte Katharina; sie sieht aus den Augen, als wäre sie geisteskrank. – »Nun, und die paar Worte sind?« fuhr sie lauter fort.
»Daß Ihr eine sehr schöne Dame seid und daß ich Euch alles Glück zu Eurem schönen Schatz wünsche.«
Katharina stand im Begriffe, die Klingel zu ziehen, um durch einen Lakaien die Wahnsinnige fortbringen zu lassen.
»Wartet einen Augenblick, ich bin nicht zu Ende,« sagte Lene, sich erhebend; »ich will Euch nur noch sagen, daß Euer Schatz ein Schuft ist, ja, ein Bösewicht, ein Räuber, ein Mörder, ein Betrüger!« schrie sie mit einer ausbrechenden Wut auf, die ihre ganze Gestalt erschütterte.
»Tolles Ding, wer bist du? Was willst du?«
»Ich will mich rächen an Euch, denn Ihr verdient es; ich habe geglaubt, Ihr müßtet eine Heilige sein, aber Ihr seid nichts als ein leichtsinniges Weib, und während Ihr dem einen das Herz brecht, habt Ihr Euch an den andern gehängt, der ein Betrüger ist. Euer Herr von Schemmey, von dem man sagt, daß Ihr ihn seiner Braut abgelockt habt und daß er mit Euch verlobt sei, ist ein Betrüger; ich will Euch sagen, wer der rechte Schemmey ist: Kennt Ihr den Sohn der alten Margret Fahrstein? Nein, Ihr kennt ihn nicht mehr, Ihr habt ihn vergessen! Er liegt krank, und Ihr kümmert Euch nicht, wo und wie!«
Katharina sank bleich werdend in einen Sessel, sie bemühte sich, einen Strom von Tränen zurückzuhalten, der aus ihren Augen drang, und wendete