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zu und sagte leise: »Laßt, laßt, Ihr könnt ganz ruhig sein; ich habe zwei Worte mit Euch zu sprechen. Ich bin ein Scherenschleifer; ich bin ihr Anführer, wenn Ihr das wissen wollt und es etwas zur Sache tut.«

      »Und was wollt Ihr von mir?«

      »Wollt Ihr das Mädchen heiraten, das Eure Mutter auferzogen hat?«

      »Heiraten? Ich? Wen?«

      »Lene, sag' ich Euch.«

      »Mensch, seid Ihr toll?«

      »Manchmal; je nachdem man mir's macht!«

      »Wie kommt Ihr auf den Einfall?«

      »Ich habe meine Gründe gehabt, es zu glauben. Es wäre kein dummer Streich von Euch; sie könnte Euch zu einem reichen Manne machen.«

      »Mich zu einem reichen Manne? Ich glaube wirklich, daß Ihr toll seid! Erklärt Euch oder ich rufe! Ihr seid in in meiner Hand.«

      »So wenig wie die Enten da drüben; habt Ihr je gehört, daß der Heidenküster Wendels gefangen sei? und es haben ihm schlauere Leute nachgestellt als Ihr seid.«

      Der Bursche drückte seine Finger um Bernhards Arm wie eine Eisenschraube so fest.

      »Seid ganz ruhig,« fuhr er fort; »was ich Euch zu sagen habe, ist immer des Anhörens wert. Ich will sie heiraten, aber sie will aus Eurem Hause nicht fort; daran seid allein Ihr schuld; sonst würde sie das freie fröhliche Ziehen über Berg und Heide nicht aufgeben, um sich einer alten Hexe gegenüber am Feuer zu schmoren und sich wie eine Magd aushunzen zu lassen, während sie wie eine Königin im Walde draußen sein kann. Ich schlag' Euch nun einen Handel vor; er soll Euch nur Worte kosten und dafür geb' ich Euch einen Namen, Güter, Land und Leute. Wollt Ihr?«

      »Um Gottes willen, Mensch, was wollt Ihr von mir? sprecht weiter, sprecht!«

      »Ihr sagt, sie könne Euretwegen nur gehen; Ihr haßtet sie; sie sei eine Scherenschleiferdirne, die Ihr nicht möchtet. Sagt Ihr das frei heraus, als ob's aus Euch selber käme; achte Tage später habt Ihr Papiere in Händen, kraft deren Ihr nichts weiteres zu tun braucht, als Eure alte Römische Margret an den lichten hohen Galgen hängen zu lassen und dann Besitz von so schönen Gütern zu nehmen, als ihrer im Lande sind. Wollt Ihr?«

      »Ich soll meine Mutter hängen lassen? Ich soll ein Geschöpf, das durch Gottes Hilfe zu ehrlichen Leuten gekommen und eine Christin geworden ist, Euch Diebsgesindel wieder zutreiben? Kerl, packt Euch jetzt oder Ihr bereut es! Ihr sagt mit Wahrheit, daß Ihr mitunter toll seid.«

      »Ihr habt so unrecht nicht,« sagte der Scherenschleifer nach einer Weile nachdenklich; »ich bin ein Narr, daß ich zu Euch kam, ohne mein Versprechen auf der Stelle erfüllen zu können; wie kann ich verlangen, daß Ihr mir glaubt! Gute Nacht! – Nach acht Tagen komm ich wieder zu Euch; an der Waldkapelle oben; wollt Ihr nicht hinkommen, so will ich Euch schon anderswo finden; Ihr werdet dann anders sprechen.«

      Die Weidentür sprang auf und der Scherenschleifer glitt geräuschlos, wie er gekommen war, hinaus. In der nächsten Erdhütte riskierte Herr Gerhards einen Schuß; ein zweiter fiel; der Gutsherr hatte geschossen; auch Bernhard feuerte sein Rohr ab, kaum wissend, was er tat, und sprang zur Hütte hinaus. Die Hunde warfen sich laut anschlagend in das Wasser, um die Beute zu apportieren.

      Sie brachten zwei Stück getöteten Wildes zurück, die Herr von Kraneck als von ihm erlegt erklärte.

      »Aber eine mochte ich wohl getroffen haben,« sagte Herr Gerhards mit betrübter Stimme Bernhard ins Ohr; »ich habe ebensogut wie der gnädige Herr in den dicksten Haufen gefeuert. – Sagen Sie, Herr Doktor, konnte das nicht wohl meine Ente sein? Was meinen Sie?«

      Der junge Doktor sagte und meinte nichts; er stützte das Kinn auf die Mündung seines abgeschossenen Rohres und blickte starr auf die Wasserfläche. Der Vikar ging und wog die Beute in seinen Händen, befühlte die Brust des Wildbrets, dehnte ihm die Flügel aus, dann die Schwimmflossen, warf sie auf den Rasen und sagte ingrimmig: »Alte Racker!«

      »Nun, lassen Sie sie jetzt nur fliegen,« kam Herr Gerhards nach einer Weile wieder zu Bernhard; »die kriegen wir doch nicht mehr.« Der Vikar glaubte, Bernhard beobachtete die aufgescheuchten und über den Spiegel langgereckt dahinschießenden Entenschwärme. Er mußte ihm einen Stoß in die Seite geben, um ihn lebendig zu machen.

      »Ei, so kommen Sie doch; der gnädige Herr mochten wohl verdrießlich werden; wir haben schlechte Jagd gemacht.«

      Der gnädige Herr fanden gar nicht, daß sie so schlechte Jagd gemacht; auch waren sie keineswegs verdrießlich, daß sie allein zwei Stück Wildbret geschossen, während die andern gar nichts bekommen; was sie als vollständig konstatiert annahmen. Herr von Kraneck war, als die drei Herren heimschritten – der Jäger blieb zurück, um die Lockenten aufzunehmen – ganz außerordentlich gesprächig, Herr Gerhards desto schweigsamer. Herr von Kraneck hatte so allerlei Stücklein, auf die er bei solchen Stimmungen, um die Heiterkeit der Gesellschaft zu erhöhen, zurückzukommen liebte, obwohl Herr Gerhards das gar nicht begriff, da er nicht das mindeste Vergnügen daran fand, sie zu hören.

      »Monsieur l'Abbé,« sagte Herr von Kraneck, »meine Frau Gemahlin wird die Gnade haben, uns eine Flasche Glühwein vorsetzen zu lassen; ich denke, es wird uns guttun.«

      »Gott steh' uns bei!« murmelte Herr Gerhards; dann sagte er laut: »Freilich, die Luft ist etwas kalt und feucht geworden, Ew. Gnaden, und ich glaube auch, wir mochten andres Wetter bekommen, denn wenn es am Crispinustag kalt und –«

      »Ja, halten Sie einmal ein, Herr Vikar, was wollt' ich auch noch sagen? – Ja, von der Flasche,« Herr von Kraneck lachte, »wissen Sie noch, wie Sie in die Flasche kriechen wollten?«

      »Oh, Ew. Gnaden, es war ja ein Aprilscherz!«

      »April? Nichts da, es war mitten im März; wollen Sie den Kalender sehen, worin ich's angestrichen habe? Hören Sie, Doktor, wie der Vikar hat in eine Flasche kriechen wollen. Eines Abends – wir wollten uns gerade zu Tische setzen und warteten nur noch auf den Herrn Vikar, da kommt er herein, ist sehr vergnügt und aufgeregt und erzählt, drunten im Dorfe in der Schenke sei einer, der könne ihn in eine Flasche praktizieren! Ei, ich dachte Wunders, was er habe; wir nahmen es für einen Scherz; er blieb aber dabei und wurde nur gegen das Ende der Tafel durch unsre Argumente gegen die Möglichkeit des Umstandes, daß der Hals einer Flasche sich so erweitere, um einen ganzen Vikar durchschlüpfen zu lassen, ein wenig zweifelhaft. Am andern Abend aber kommt er – Herr Vikar waren wieder in der Schenke gewesen – triumphierend heim: Ew. Gnaden, 's ist nun aber ganz gewiß wahr, der Karl Habicht unten in der Schenke hat mich ausgelacht mit meinem Zweifeln und gesagt, er habe schon den Pastor von Werdenohl in eine Flasche gesetzt; und das kann jedes Kind sehen, der ist doch noch viel dicker als ich! – Ei, du meine Güte, hat jemand solchen Glauben in Israel gefunden? Nein, Monsieur l'Abbé, man kann wohl eine Flasche in einen Vikarius praktizieren, aber nimmer einen Vikarius in eine Flasche!«

      Herr von Kraneck lachte laut über sein Stücklein, auch Bernhard mußte lächeln, aber er fand nur, daß dies Beispiel von Leichtgläubigkeit und arglosem Vertrauen einen neuen und ganz harmonischen Zug zu dem rührend kindlichen Charakter des gutmütigen Vikars füge.

      Man hatte das Dorf erreicht, und Bernhard war von dem gnädigen Herrn mit der Einladung, eine der Enten oben im Schlosse verzehren zu helfen – während der Jäger ihm die andre morgen für seine Mutter zustellen solle – verabschiedet worden. Margret war noch auf; sie könne doch nicht viel schlafen, sagte sie. Auch Bernhard, der im höchsten Grade durch das Gespräch mit dem Scherenschleifer aufgeregt war, floh lange der Schlaf, als er in den Federn lag; endlich siegte die Ermüdung und seine Augen schlossen sich.

      Fast eine Stunde später wurde die Klinke seiner Tür leise aufgehoben; dann bekam diese einen kurzen und heftigen Stoß, so daß sie ganz geräuschlos halb offen schnellte, und von einem Oellämpchen angeflimmert, vor dem sie bedeckend die Hand hielt, trat Lene in das Zimmer. Sie stellte das Lämpchen auf den Tisch, dann ein Buch vom größten Formate davor und näherte sich sacht dem Lager Bernhards. Dann schlug sie die Arme über der Brust zusammen, stand unbeweglich wie eine Statue und schien mit der größten Spannung

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