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klein erscheinen. Ja, Felix war wirklich froh, hergekommen zu sein. Es war noch alles in der Schwebe, er wusste noch nicht, wie er mit Sandra umgehen sollte, aber er wollte nicht nur ablehnend sein und nicht selbstgerecht. Sogar Mörder wurden irgendwann begnadigt, Menschen, die bewusst jemanden umgebracht hatten oder im Affekt. Das Baby …

      Sandra hatte es nicht umgebracht. Es war wegen einer Verwicklung unglücklicher Umstände gestorben.

      Felix lief durch das Krankenzimmer, öffnete die Tür, sah seinen Sohn, der ihm angstvoll entgegenblickte.

      Felix lächelte, und das war für Manuel ein Zeichen. Er stürzte in den Raum, blickte abwechselnd seinen Vater und seine Stiefmutter an und rief: »Wir gehen alle nach Arizona, die ganze Familie.«

      Dann umarmte er zuerst seinen Vater und dann Sandra, und das tat er so stürmisch, dass die beiden ein wenig schmerzhaft ihr Gesicht verzogen.

      Es gab noch viel zu reden, und die Stimmung wurde immer lockerer, beinahe ausgelassen.

      Felix hatte nichts dagegen, als Manuel sagte: »Papa, du hast doch nichts dagegen, dass ich jetzt da unten Blumen für die Mama hole?«

      Hatte Felix nicht, und er musste lachen, als Manuel sagte: »Papa, dazu brauche ich aber Geld, mein Taschengeld ist leider alle.«

      Felix gab ihm das Geld, und Manuel stob davon. Zwischen Felix und Sandra blieb es still, beide hingen ihren Gedanken nach, doch es war keine unangenehme Stille. Dazu war die Stimmung viel zu friedvoll.

      Arizona … Sandra gefiel der Gedanke immer mehr. Ja, das konnte ein guter Neuanfang sein.

      Felix ergriff ihre Hand, hielt sie sanft umschlossen.

      Wie schön es doch war, wieder von ihm berührt zu werden, und wenn es nur die Hand war …

      Sie konnte sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen, weil sie ihn über alles liebte. Dass er hier war, war so unglaublich, und ein bisschen Nähe war bereits da, und somit ein bisschen Hoffnung.

      »Sandra, ich kann dir keine Versprechungen machen«, drang seine Stimme an ihr Ohr. »Doch wenn wir beide daran arbeiten, dann finden wir einen Weg, davon bin ich überzeugt.«

      »Felix, das bin ich auch.«

      Sie hätte gern noch mehr gesagt, doch in diesem Augenblick kam Manuel ins Zimmer gestürzt, atemlos und ungestüm.

      »Und wie gefällt dir der Strauß?«, wollte er wissen und hielt Sandra genau einen solchen Strauß Rosen entgegen, wie Felix ihn neulich beinahe gekauft hätte.

      Manuel kam zwar auf seine Mutter, aber es war nicht zu verkennen, dass er auch sein Sohn war.

      »Er ist fantastisch, Manuel«, sagte Sandra. »Ich habe noch nie so herrliche Rosen gesehen. Du hast einen unglaublichen Geschmack, mein Junge.«

      Ein schönes Kompliment, das hätte auch an ihn gehen können, dachte Felix, aber er war halt zu stur gewesen.

      »Ich hol mal eine Vase«, sagte er, denn er fand, nun hatten auch Manuel und Sandra ihre Zeit verdient.

      *

      Wie ein Lauffeuer breitete sich das Verschwinden von Gerda Schulz im Sonnenwinkel aus, obwohl weder Roberta noch Hilda darüber gesprochen hatten, und Hilda wohnte ja noch nicht einmal im Sonnenwinkel.

      Doch natürlich war die Polizei da gewesen, um nach Spuren zu suchen, und wo die Polizei war, da war auch die Presse nicht weit.

      Inge Auerbach, die sich am Tratsch nie beteiligte, wurde durch mehrere Leute informiert, und Gerdas Verschwinden beruhigte Inge nicht, aber sie machte sich schon ihre Gedanken wegen des Hauses. Es gehörte schließlich ihrer Tochter Ricky und ihrem Schwiegersohn Fabian, und wenn die Mieterin sang- und klanglos verschwunden war, dann gab es keine Mieteinnahmen mehr.

      Inge überlegte einen Moment.

      Ricky war so glücklich mit ihrer kleinen Teresa, genoss ihr Mutterglück, das bei ihr immer noch genauso innig war wie beim ersten Baby.

      Sollte sie diese Idylle zerstören, indem sie ihrer Tochter die Neuigkeiten überbrachte?

      Wie schade, dass Werner nicht zu Hause war, damit sie sich mit ihm besprechen konnte. Inge war ein bisschen wütend, wenn es darauf ankam, da war sie immer allein, musste alles allein ausbaden. Das war schon so gewesen, als die Kinder noch klein und daheim gewesen waren, und es hatte nie aufgehört. Wo waren denn Werners vollmundige Versprechungen, kürzertreten zu wollen?

      Früher war Inge so stolz gewesen, mit einem berühmten Wissenschaftler verheiratet zu sein, der weltweit gefragt war.

      Jetzt wünschte sie sich, ihren Mann auch mal für sich allein zu haben, mit ihm beispielsweise Wanderurlaube zu machen oder Städtereisen mit einem interessanten Kulturprogramm.

      Es würde ihr ja schon reichen, wenn er mal mit ihr nach Hohenborn käme, um ein Eis zu essen oder in einem Café ein Stück Torte. Nie hatte er Zeit. Sie schaffen es gerade mal, hier und da in den ›Seeblick‹ zu gehen.

      Was sollte sie tun?

      Ricky anrufen, weil es wichtig war?

      Oder sich erst einmal mit ihren Eltern besprechen? Nein, diesen Gedanken ließ sie sofort wieder fallen. Sie war eine erwachsene Frau, die auch nicht mehr ganz taufrisch war, sie musste ihre Probleme selbst lösen und durfte nicht immer wieder zu ihren Eltern laufen, weil es so angenehm war, sie direkt nebenan zu haben.

      Inge kochte sich einen starken Kaffee, der war immer ihr Retter in der Not, und dann griff sie entschlossen zum Telefon. Ja, zum Telefon. Sie fand, dass Wichtiges entweder persönlich oder am Telefon besprochen werden musste. Inge fand die Anonymität der neuen Möglichkeiten, miteinander zu kommunizieren, schrecklich. Und sie konnte sich gut erinnern, wie sehr sie sich aufgeregt hatte, als sie erfuhr, dass der Verlobte einer Nachbarstochter per Smartphone die Verlobung aufgelöst hatte, und das drei Tage vor der Hochzeit. Das war ja schon seelische Grausamkeit!

      Schon wollte sie wieder auflegen, als Ricky sich meldete. »Hallo, Mama, schön, dass du anrufst, aber ich habe wirklich nicht viel Zeit.«

      Na, das war ja eine Begrüßung.

      »Mein liebes Kind, die Zeit wirst du dir jetzt aber nehmen müssen«, sagte Inge spitz.

      Mutter und Tochter kannten einander gut, prompt kam also von Ricky: »Mama, ich habe wirklich nur wenig Zeit, Teresa wird gleich aufwachen, weil sie Hunger hat. Und Fabian hat zwei Freistunden und wird jeden Augenblick zu Hause sein. Er kann als stolzer, glücklicher Vater auch nicht genug bekommen von unserer süßen, kleinen Prinzessin.«

      Inge wollte momentan nicht über ihre kleine Enkelin reden, obwohl sie in die ganz vernarrt war und normalerweise nicht genug von ihr bekommen konnte.

      »Gut, dass Fabian gleich nach Hause kommt, dann kannst du ihm gleich alles erzählen, was ich dir jetzt zu sagen habe. Ricky, ich habe keine guten Nachrichten.«

      Und dann sprudelte es aus Inge nur so heraus, doch zu ihrer Verwunderung regte sich Ricky darüber, dass Gerda Schulz verschwunden war, überhaupt nicht auf.

      Sie fand ganz entsetzlich, was Gerda dem armen Mädchen angetan hatte, das sie sich widerrechtlich angeeignet hatte wie einen Artikel aus einem Regal im Supermarkt.

      »Ricky, es bleiben die Mieteinnahmen weg«, erinnerte Inge ihre Tochter. Ihre Tochter und ihr Schwiegersohn brauchten die Mieten doch, denn auch wenn Fabian sehr gut verdiente, kostete eine so große Familie viel Geld, besonders, wenn man seinen Kindern einiges bieten wollte, und das taten Ricky und Fabian aus tiefster Überzeugung, weil ihre Kinder ihre Welt waren.

      »Mama, entspann dich bitte. Ich habe drei Monatsmieten Kaution, und die reichen bis zur Neuvermietung des Hauses. Der Sonnenwinkel ist begehrt, man reißt sich darum, dort wohnen zu dürfen.«

      »Und wenn ihr nun doch verkauft?«, wandte Inge ein.

      Sofort widersprach Ricky.

      »Von einem solchen Gedanken sind wir ab, für Geld bekommt man keine Zinsen mehr, alles ist beliebig vermehrbar,

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