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Rentier liebt seine Diamantensammlung über alles, hat sich von ihr eine genaue Nachahmung in Similisteinen anfertigen lassen, und diese zeigt er stets nur seinen Bekannten. An dem Anblick der echten erfreut er sich allein. Seine Vermögensverhältnisse sind nicht glänzend. Er hat gleich nach seiner Übersiedlung nach Berlin an der Börse viel Geld eingebüßt. Dann wird die unechte Sammlung gestohlen. Die echte hat Oltendorf versichert gehabt, aber die letzte Prämie nicht bezahlt. Er versucht trotzdem, von der Gesellschaft die Versicherungssumme zu erlangen, wird abschlägig beschieden, sieht ein, daß die Sache aussichtslos ist und gibt sich zufrieden. Inzwischen hat Weinreich im Zimmer seiner Tochter auf dem Ofen die Similisteine entdeckt. Jetzt besitzt er eine Handhabe, den Bekannten als Erpresser auszubeuten. Die Freundschaft geht in die Brüche. In Oltendorfs Villa kommt es zu bösen Szenen zwischen beiden. Der Rentier muß stets mit neuen Summen herausrücken. Einmal in seiner Verzweiflung greift er zum Revolver, feuert auf seinen Peiniger und verwundet ihn leicht an der Schulter. Diese Unklugheit, zu Tätlichkeiten übergegangen zu sein, benutzt Weinreichs dazu, von Oltendorf einen Schein unterzeichnen zu lassen, in dem der Rentier das Revolverattentat zugibt, erklärt, daß er das Geld freiwillig hergegeben habe, und sich eidlich verpflichte, Maletta unter keinen Umständen etwas von der Anwesenheit Weinreichs in Berlin mitzuteilen. Inzwischen haben sich nämlich auch Maletta und Oltendorf wiedergesehen, und von diesem hat der Professor von des Chemikers Niederlassung in der Reichshauptstadt gehört. Sofort entsteht nun bei Weinreich der Plan, auch Maletta als Zitrone zu benutzen. Im Verein mit seinem Freunde Bellinger, der die Einzelheiten des Planes entwirft, wie er auch schon bei der erpresserischen Ausnutzung Oltendorfs mitgeholfen hat, beginnt er den neuen Fischzug gegen den Chemiker, droht diesem schriftlich mit der Aufdeckung seiner Vergangenheit und erhält auch, ohne je seinen Namen zu nennen oder persönlich mit Maletta in Berührung zu kommen, erhebliche Summen, da der Chemiker nichts so sehr fürchtet als eine Bloßstellung seiner Person. Als Malettas schließlich die fortwährenden Anzapfungen zu viel werden und er den Erpressern Schwierigkeiten zu machen anfängt, gehen diese zu ernsteren Drohungen über, – zu scheinbaren Attentaten. Monate und Monate verstreichen. Mittlerweile ist Oltendorf, der in seiner pekuniären Bedrängnis abermals spekuliert hat, am Rande des Ruins angelangt, zumal sein Quälgeist Weinreich immer neue Forderungen stellt und ihm nicht glaubt, daß auch die echte Sammlung sehr bald nach den Imitationen gestohlen worden ist. Der Professor fordert immer dringender von Oltendorf die Hälfte der Diamanten, die der Rentier ja tatsächlich gar nicht mehr besitzt. Weinreich kennt des Rentiers pekuniäre Lage. Und im Kirgisenzelt spricht er hierüber mit Bellinger, der ihn soeben über das Dach in das Klubhaus eingelassen hat. Diese Unterhaltung zwischen den beiden belauschen Sie, lieber Lossen. Der Assessor spielte den Erstaunten, daß damals nur unechte Steine geraubt sein sollten, während er doch selbst der Dieb der echten war. Weinreich hat also ebenfalls seine Geheimnisse vor dem Assessor gehabt, da er diesem nie erzählt hat, auf welche Weise er Oltendorf zur Hergabe des Geldes zu zwingen wußte. Er wollte natürlich die echte Sammlung oder doch wenigstens die Hälfte davon für sich allein erpressen. Also zwei Gauner, die sich gegenseitig betrogen. – Oltendorf weiß keinen Ausweg mehr. Er ist ruiniert. Weinreich wird ihn nicht schonen. Daher verschwindet er in der Absicht, ins Ausland zu gehen. Nur so hofft er sein einziges Kind, seine Tochter Charlotte, vor der Schande bewahren zu können, ihren Vater als Ehrlosen an den Pranger gestellt zu sehen. Weinreich hat dem Rentier ja nicht allein mit der Anzeige des versuchten Versicherungsbetruges gedroht, nein, auch damit, daß Oltendorf vor Gericht bei der Verhandlung gegen Sie, lieber Lossen, einen Meineid geleistet hat. Der Rentier beschwor, die echte Sammlung sei gestohlen, und verschwieg vollständig, daß eine Imitation vorhanden gewesen war. – Oltendorf liebte seine Tochter. Damals, als Sie, Herr Baron, morgens mit Fräulein Charlotte zusammen nach Wannsee fuhren, hat er Sie beide heimlich beobachtet. Die Sorge um sein Kind trieb ihn, nachdem er sich unkenntlich gemacht hatte, wieder in die Nähe seiner Villa. So wurde er Zeuge, wie Charlotte, um nach ihm zu forschen, sich nach Berlin begab. Er folgte ihr auf Schritt und Tritt, um sie nötigenfalls zu schützen. Und dieselbe große Liebe war es, die ihn dann auch Maletta aufsuchen ließ, eine Begegnung, die ich durch das Schlüsselloch beobachtet habe. Maletta war fest überzeugt, daß der Rentier, der ja die dunklen Geschichten aus Kimberley gleichfalls kannte, mit zu den Leuten gehörte, die an ihm die Erpressungen verübten. Bei dieser Aussprache ist es Oltendorf jedoch gelungen, ohne den Namen Weinreichs getreu seinem Eide zu nennen, Maletta davon zu überzeugen, daß er nicht zu dessen Widersachern gehöre und ihm das Versprechen abzuringen, für Charlotte wie ein Vater zu sorgen. Aus der Flucht des Rentiers ins Ausland wurde nichts. Ich ließ ihn verhaften, und ich hoffe, daß er mit einer nicht allzu hohen Strafe davonkommen und nachher in Ruhe sein Leben beschließen wird. Die echten Diamanten sind ja jetzt bis auf vier wieder herbeigeschafft worden. Der größte Teil der Steine wurde heute vormittag in Bellingers Wohnung gefunden.“
Schippel schwieg jetzt nach diesem langen Vortrag und feuchtete sich die Lippen mit einem Schluck Rheinwein an.
„Und der Professor, – dem wird wohl das Zuchthaus nicht erspart bleiben?“ meinte der Baron.
„Sicherlich nicht“, erwiderte Schippel streng. „Und er verdient es auch. Nur seine arme Frau tut mir leid. Sie soll ihren Gatten wie einen Abgott lieben. Auch Fritzi Pelcherzim hat wohl ein wenig Anspruch auf unser Mitgefühl, diese ungesunde Großstadtpflanze, die die Gier nach gleißendem Schmuck zur Diebin … von Similisteinen werden ließ. Dem Gefängnis entgeht sie nicht. Hoffentlich verläßt sie es völlig geläutert.“
Werner Lossen hob jetzt sein Glas gegen Thomas Schippel.
„Ihr Wohl, mein Retter, mein Befreier!“ sagte er herzlich.
„Nein – zunächst das Ihrige!“ meinte Schippel. „Auf das neue Leben als Mann von makelloser Vergangenheit!“ Und leise fügte er hinzu: „Sie sind besser daran als ich. Sie stehen jetzt rein vor aller Welt da. Ich habe mich gerächt. Aber die Schmach der grauen Mauern nimmt keiner von mir!“
* * *
Eginhard von Blendel reichte sehr bald seinen Abschied ein. – Weshalb …? – Er konnte als aktiver Offizier nicht gut der Schwiegersohn Oltendorfs werden.
Er hatte Charlotte nicht mehr vergessen können. Einmal hatte er sie in seinen Armen gehalten, – damals im Morgenzuge nach Wannsee, als sie von Schwäche übermannt umgesunken war. Und dieses eine Mal hatte sein Schicksal entschieden.
Charlotte sträubte sich lange. Sie sei seiner nicht würdig … – Die Liebe siegte doch …
Und an einem wunderbaren Vorfrühlingstage stand das neuvermählte Paar dann während seiner Hochzeitsreise auch in einem der Roulettesäle der größten Spielhölle der Welt – in Monte Carlo.
Die Elfenbeinkugeln klapperten auf den sich blitzschnell drehenden Scheiben, sprangen hin und her, auf Rot, auf Schwarz, – verfolgt von den schillernden Augen der Spieler …
„Hüpfende Teufel!“ sagte Eginhard leise zu seinem jungen Weibe.
Und Charlotte schauerte leicht zusammen.
— Ende —