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heiße Welle vom Herzen durch den ganzen Körper flutete.

      Und verlegen stotterte er nun, nur um etwas zu sagen:

      »Geheimnisse …? – Das klingt ja wirklich beinahe gefährlich.«

      Irma war es entgangen, daß der ›Adoptivbruder‹ soeben gefühlt hatte, welche Klippen dieser vorgetäuschte stille See geschwisterlicher Zuneigung doch vielleicht haben könnte.

      »Gefährlich ist wohl zu viel gesagt,« meinte sie ernst. »Immerhin handelt es sich um Dinge, die ich nicht begreife, das heißt, hinter deren Sinn ich nicht komme. Und das beunruhigt mich – sehr, sehr sogar.«

      Sie nahm ihr ledernes Handtäschchen und brachte daraus drei Briefe zum Vorschein, die sie Fritz Melcher nun reichte, indem sie erklärte:

      »Lesen Sie … Ich habe die Umschläge numeriert. Fangen Sie mit eins an.«

      »Bedienen Sie sich aber zunächst noch, bitte. Darf ich Ihnen noch ein Brötchen streichen?«

      Sie nickte. »Sehr lieb von Ihnen. – Danke. Die Marmelade ist vorzüglich.«

      Während er las, beobachtete sie ihn. Mehrmals schüttelte er den Kopf, murmelte auch wohl etwas wie »Unglaublich – unbegreiflich!« vor sich hin. Dabei war er noch immer bei dem ersten Brief, der noch, allein genommen, gar nicht so sehr wirkte. –

      Er lautete:

      Irma Hölsch!

      Es können Ereignisse eintreten, die geeignet sein dürften, Ihr Leben stark zu beeinflussen – vielleicht nicht nach der guten Seite hin. Vergessen Sie dann nicht, daß es eine irdische Macht gibt, die Sie schützen kann. Bereiten Sie sich jedenfalls jetzt schon vor, Überraschungen durchzumachen, die Ihr seelisches Gleichgewicht stören werden.

      die treue Hand

      Fritz Melcher legte dieses Schreiben beiseite, wobei er zu Irma hinüberschaute und wie ratlos die Achseln zuckte.

      Nun das zweite …

      Irma Hölsch!

      Die Wandlung in Ihrem Dasein ist eingetreten. Lassen Sie sich jedoch warnen! Bleiben Sie, was Sie sind! Und doch – zögern Sie nicht, an verschlossenen Türen zu rütteln! Der gute Ruf jener, von der nie Liebe ausging, muß Ihnen über allem stehen! – Wenn Sie nicht mehr aus noch ein wissen, schreiben Sie vertrauensvoll an Postamt Leipziger Platz postlagernd unter 91836.

      die treue Hand

      Der junge Sekretär warf diesen Brief zu dem ersten. – Er warf ihn! – Und brummte: »Ein lächerlicher Scherz!«

      Aber Irma sagte leise: »Sie werden anderer Meinung werden!«

      Dann der dritte Brief …

      Irma Hölsch!

      In kurzem werden Sie nun wissen, was geschehen ist. Ein Grab hat sich geschlossen. Und aus dieser Gruft reckt sich Ihnen flehend eine Hand entgegen: ›Rüttele an verschlossenen Türen! Der Tempel der Liebe ruft! Wahre die Geheimnisse des Lammerthofes!‹ –

      Lassen Sie sich nochmals warnen! Geben Sie Ihren Beruf nicht auf! Dort zwischen den kahlen Heidehügel blüht für Sie kein Glück! –

      Sorgen Sie dafür, daß die Kiste bei Nacht verschwindet, daß der Tempel der Liebe leer wird – in aller Stille! Denken Sie an den guten Ruf Ihrer Großmutter und … an 91836.

      die treue Hand

      Fritz Melcher blickte auf, wollte etwas sagen. Aber Irma kam ihm zuvor.

      »Auch ich habe den ersten Brief für einen schlechten Scherz gehalten,« erklärte sie. »Den zweiten nicht mehr, denn er enthält eine Andeutung, die sich nur auf das Verhältnis zwischen meiner Großmutter Elvira Hölsch und mir beziehen kann. Sie hat mich ebenso wenig geliebt wie meinen Vater. Und weil auf die Kälte dieser unserer Beziehungen dort angespielt war, nahm ich dieses Schreiben recht ernst. Daher auch das dritte, das ich heute morgen erhielt. –

      Und nun passen Sie auf, Herr Melcher. Heute morgen der dritte Brief, darin der Satz von dem Grabe, das sich geschlossen hat, und heute Nachmittag die amtliche Nachricht von dem am 3. April, also vor acht Tagen, erfolgten Tode meiner Großmutter, die am 8. ohne mein Wissen bereits beerdigt worden ist.«

      Der junge Polizeisekretär saß wie versteinert da. Endlich brachte er ein »Hm – ja, – dann allerdings!« mühsam hervor, überflog nochmals den dritten Brief und sagte dann kopfschüttelnd:

      »Seltsam – seltsam!«

      »Sehen Sie! Nun hat es Sie auch gepackt!« meinte Irma befriedigt. »Nun müssen Sie zugeben, daß diese drei Schreiben der treuen Hand doch etwas auf sich haben! Und, um Sie gleich ganz einzuweihen, der erste Brief erreichte mich am Abend des 3. April, also am Todestage meiner Großmutter, und schon er enthält Anspielungen auf diesen Todesfall, spricht ja von Ereignisse, die mein Dasein stark beeinflussen …«

      Fritz Melcher erwiderte nichts. Seine gutgepflegte Hand strich nur sehr nachdenklich den blonden Bart, und seine Augen waren sinnend auf die Sofaecke gerichtet, in der eng zusammengeringelt der Liebling der drei Geschwister Melcher lag, der Wolfspitz Kerlchen. Und Kerlchen hatte soeben die Lider aufgeschlagen, fühlte den Blick Herrchens und wedelte mit der buschigen Rute einen Gruß hinüber.

      Dann kehrten des ernsten Beamten Augen zu Irmas reizvollem Gesicht zurück.

      »Und in dieser Sache wollten sie Hedwigs Rat einholen?« fragte er mit einem kaum merklichen Lächeln. »Hedwig ist dir wohl ein kluger Mensch. Aber es gibt doch Dinge, die anderswo besser aufgehoben sind. Auch ich bin für diese Sache kaum zuständig. Vielleicht einer unserer Kriminalkommissare oder … Egon Larisch.«

      Irma horchte auf.

      »Egon Larisch?« meinte sie erstaunt. »Seit einer Woche sitzt mir bei Frau Mikla ein Schriftsteller mittags gegenüber, – Sie wissen, guter, billiger Mittagstisch, im Abonnement für 1,25 Mk. – Ist das etwa derselbe Herr Larisch?«

      Fritz Melcher wurde etwas rot.

      »Allerdings – ganz richtig, – mein Schulfreund Egon, der vor vierzehn Tagen seinen Wohnsitz von München nach hier verlegt hat,« beeilte er sich zu erklären.

      Irma maß ihn mit ebenso prüfenden wie verwunderten Blicken.

      »Ja – aber den Namen habe ich weder von Ihnen noch von Ihren Schwestern bisher gehört?!« sagte sie lauter und eindringlicher. »Wie kommt denn das?! Mögen Ihre Schwestern diesen Herrn Larisch etwa nicht gern? – Irgend eine Bewandtnis muß es doch haben, daß ich, die fast täglich hier im Hause ist, noch nie diesen Schriftsteller erwähnen hörte …?!«

      Der blonde Sekretär fegte mit den Fingerspitzen die Krümel auf der Tischecke zusammen und schaute nicht auf.

      »Ein Zufall,« sagt er unsicher.

      »Ist Egon Larisch denn schon mal bei Ihnen gewesen?« forschte Irma hartnäckig weiter.

      »Ja – öfters!« Das klang wieder so merkwürdig verlegen. Und dann stand Fritz Melcher hastig auf, ging zu der großen Kanarienvogelhecke hin, die schräg vor dem einen Fenster ihren Platz hatte, und rief zwei sich zankenden Hähnen zu: »Schämt euch – werdet Ihr wohl Frieden halten!«

      Irma merkte, daß die Freundschaft mit diesem Egon Larisch besonderer Art sein müsse und daß der junge Sekretär nicht mit der vollen Wahrheit herausrücken wollte.

      Sie ließ daher diesen Gegenstand fallen und sagte möglichst gleichgültig:

      »Ich denke, Herr Larisch ist Schriftsteller. Und doch nannten Sie seinen Namen in einem Atem mit Kriminalkommissaren?!«

      »Freilich. Er schreibt nämlich Kriminalromane, – wie er stets sagt ›als Akkordarbeiter‹. Dabei ist er aber noch so zu seinem Privatvergnügen auch Detektiv. Nein, ganz paßt diese Bezeichnung auf seine Neigungen doch wohl nicht. Er liebt alles Außergewöhnliche, mag es ein Angesicht haben wie es will! Nur alltäglich darf es nicht sein.«

      »So, so. Und Sie meinen, Herr

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