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      „Schuft – Satan!!“ brüllte er. „Also deshalb starb Scharfer an der kleinen Wunde, also deshalb traf ich den Falschen …!! Der Wachtmeister hat recht – mit allem – mit allem!! Du Satan, Du sollst nicht länger leben, ich …“

      Und ehe noch jemand ihm in den Arm fallen konnte, hatte er das Dolchmesser vom Tisch gerissen und es blitzschnell dem Assessor durch das Gesicht gezogen.

      Mit schrecklichem Hohnlachen lehnte er sich dann an den Tisch …

      „Nun stirbt, Bestie, – stirbt wie Scharfer!“

      Vom rechten Ohr bis zum Kinn ging der Schnitt. Er war nicht tief, wenn auch das Blut in dicken Tropfen daraus hervorrieselte.

      Bellinger saß wie versteinert da. Und jetzt bewies er abermals, daß er ein Verbrecher ganz großen Schlages war, ein starker, nur auf Abwege geratener Charakter.

      Schippel, Sakschinski und Lossen stierten wie entgeistert auf den Assessor, dem der Tod gewiß schien.

      Da verzog Bellinger den Mund zu einem Lächeln.

      „Weshalb sind Sie so entsetzt, meine Herren? Ich erspare der Justiz eine umständliche Schwurgerichtsverhandlung und dem Scharfrichter eine kleine Arbeit …! Bitte – geben Sie sich keine Mühe mich zu retten! Das Gift des Dolchmessers wirkt sicher und schnell. Ehe ein Arzt hier wäre, bin ich eine Leiche. In der knappen Zeit, die mir noch zu leben vergönnt ist, will ich aber wenigstens so etwas gutmachen, was ich gesündigt habe. Ich habe dieses schöne Dasein sehr geliebt, besonders diesen hüpfenden Teufel, die kleine, elfenbeinerne Roulettekugel. Die Spielleidenschaft ist mein Unglück geworden, – Spiel und auch … der Alkohol. Meiden Sie beides, Weinreich, alter Freund, falls Sie noch wohlbehalten mal aus dem Zuchthaus herauskommen sollten. – Sie, Herr Thomas Schippel, sind doch der klügere von uns beiden gewesen. Sie haben mich niedergeboxt. Alle Achtung vor ihren Fähigkeiten! Ihre Kombinationen waren glänzend und – richtig in allen Punkten. – Haben Sie noch eine Frage an mich, so beeilen Sie sich. Ich fühle schon, daß das Gift wirkt. Ich sehe alles wie im Nebel, – so wie früher, wenn ich mein „Quartal“ hatte.“

      Schippel schüttelte das Entsetzen gewaltsam von sich ab.

      „Haben Sie die echten Diamanten des Rentiers gestohlen?“ fragte er schnell.

      „Ja. Ich tat’s.“ Das Sprechen wurde Bellinger schon schwer. „Ich bin Weinreich eines Abends nachgeschlichen, als er sich zur Oltendorf begab. Ich habe ihr Gespräch belauscht. Weinreich sagte zur Oltendorf, er hätte die Beweise in Händen, daß damals nur die Imitationen gestohlen wären. Die beiden stritten. Weinreich verlangte Schweigegeld. Nachdem er gegangen, beobachtete ich den Rentier durch das Fenster weiter. Oltendorf nahm die echte Sammlung vor. Er liebte Edelsteine, streichelte jeden Diamanten. Dann schloß er den Kasten weg, – in eine Truhe, unter alte Bücher. Er ging bald schlafen. Da wurde ich zum Diebe. Aber ich hatte kein Glück mit dem Raube. Die Steine waren zu schwer zu veräußern. Nur Geld lieh mir …“

      Er sank kraftlos zusammen, stöhnte schwer. – Schippel war zugesprungen und stützte den Sterbenden.

      Nochmals raffte Bellinger sich auf.

      „… Weinreich – vergeben Sie mir … war Ihr Verführer … Ihr böser Geist … Man … soll Sie nicht … zu hart bestrafen … Mein böser Geist … der hüpfende Teufel … Roulettekugel … rollt … springt … bleibt … auf Schwarz liegen … auf Schwarz für mich. Totenfarbe … hüpfende Teufel … Gott sei mir …“

      Bellinger reckte sich wie im Krampf. Dann war alles vorüber.

      Werner Lossen sank von seinem Stuhl. Er war ohnmächtig geworden. Diese Sterbeszene hatten seine Nerven nicht vertragen.

      * * *

      Um die Mittagszeit desselben Tages warteten Blendel und Lossen im Weinrestaurant „Traube“ auf Thomas Schippel.

      Der Baron hatte eine reichhaltige Speisenfolge bestellt – zur Feier von Lossens Rehabilitierung.

      Schippel erschien pünktlich. Er sah sehr ernst aus. Nur seine Augen strahlten.

      „Sie dürfen mir gratulieren, meine Herren“, sagte er gleich nach der Begrüßung. „Ich bin zum Kriminalkommissar ernannt worden, durch besondere Verfügung des Ministers des Innern. Aber – so rechte Freude habe ich nicht daran. Erst muß ich diese Nacht vergessen, – das Bild des sterbenden Bellinger …“

      Während der Mahlzeit hatte Blendel noch eine Unmenge zu fragen. Und Schippel gab bereitwillig Auskunft über alles, was noch unklar war bei diesem „Knäuel von Verbrechen“, wie er sich ausdrückte.

      Oltendorf hatte sich jetzt ebenfalls zu einem Geständnis bequemt. Erst durch dieses war es Schippel möglich geworden, die weit in die Vergangenheit zurückreichenden Fäden dieses einzigartigen Kriminalfalles vollständig zu entwirren.

      Zunächst widmete der neugebackene Kommissar jedoch noch als Fachmann dem toten Cäsar Bellinger eine Art Nachruf, indem er sagte:

      „Der Mann ist ohne Frage ein Genie gewesen. Schade, daß er an dem hüpfenden Teufel zugrunde gehen mußte. Hätte nicht diese unselige Leidenschaft ihn auf die Bahn des Verbrechens getrieben, hätte er die ganze Summe seiner Energie und Intelligenz in den Dienst der ausgleichenden Gerechtigkeit gestellt, – er wäre fraglos eine allererste Kraft geworden. So aber sank er immer tiefer. Die Geldgier verscheuchte auch die letzten moralischen Bedenken bei ihm. Der Streich, den er mit der so feineingefädelten Ermordung Scharfers gegen seinen Genossen Weinreich führte, wurde ihm zum Verhängnis. Der Stein kam ins Rollen, als er in überschlauer Vorsicht und Berechnung den Verdacht, Malettas Henker eingelassen zu haben, auf Scharfer lenkte und dabei die wirklich feinersonnene Geschichte von der Flucht des Maskierten nach Nr. 17 vorbrachte. Hierdurch wurde ich auf das andere Nebenhaus aufmerksam, so fand ich das Dolchmesser, die Schreibmaschine und als Bewohner der Dachkammer den Professor. Auch die geschickte Art, mit der er, um alle Fäden der verschiedenen Verbrechen in seiner Hand zu vereinen, für Lossen und Fräulein Oltendorf tätig sein wollte, verdient alle Anerkennung. Ich selbst habe bei der Entwirrung dieses Rattenkönigs von Kriminalfällen sehr viel Glück gehabt, allerdings auch die nötige Geduld. Als die Saat dann reif war, fielen mir die Früchte in wenigen Stunden fast von selbst in den Schoß.“

      Blendel und Lossen widersprachen lebhaft.

      „Sie sind zu bescheiden, mein Lieber“, meinte der Baron. „Wer wäre wohl, um nur ein Beispiel herauszugreifen, so schnell darauf gekommen, daß Bellinger den Kommerzienrat durch Weinreich auf diese gemeine, heimtückische Art hatte beseitigen lassen …?!“

      Schippel schaute nachdenklich vor sich hin.

      „Alles recht schön. Nur – nur eines hätte nicht sein dürfen“, sagte er leise. „Ich hätte nicht seinerzeit größtenteils aus dem Bestreben heraus, mich an Bellinger zu rächen, den großen Feldzug gegen ihn beginnen dürfen. Das erscheint mir jetzt wie ein Fleck auf meinem Charakter. – Jeder Mensch hat seine Fehler … Ich auch.“

      Dann kam er auf das andere zu sprechen – auf die Vergangenheit der Hauptbeteiligten dieses vielaktigen Dramas.

      „Maletta kannte Oltendorf aus Südafrika her, aus der Diamantenstadt Kimberley, wo auch Weinreich zu derselben Zeit als Besitzer eines Musiksalons gute Geschäfte machte. Maletta war bei der Ballary-Minen-Kompagnie als Chemiker, Oltendorf als Bergingenieur angestellt. Dieser hatte Glück, entdeckte später selbst in einem Flußbett Edelsteine und verließ als wohlhabender Mann Südafrika. Anders stand es mit Maletta. Der hatte gemeinsame Sache mit verschiedenen Aufsehern der Ballary gemacht und sich dort an einem Diamantendiebstahl beteiligt. Bei Weinreich hatte diese Gaunergesellschaft ihr Versammlungslokal. Und dort kam es im Verlaufe einer Beuteteilung zum Streit. Man beschuldigte Maletta der Übervorteilung seiner Genossen, der Chemiker antwortete mit Revolverschüssen, drei Tote blieben auf dem Platz, – und Maletta entfloh.

      In Berlin finden wir die drei nachher wieder: Weinreich in sehr ärmlichen Verhältnissen, Oltendorf als Rentier in Wannsee und Maletta als Mann, der sich durch eisernen Fleiß und Geschäftsgewandtheit hochgearbeitet

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