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      »Ob ich verstehe, Herr Rechtsanwalt! Natürlich! Ich werd’ die Sache schon machen, verlassen Sie sich ganz auf mich. Wenn ich auch nicht gerade geborener Berliner bin – helle sind wir doch!«

      »Schon gut. – Erledigst du den Auftrag zu meiner Zufriedenheit, so erhältst du drei Mark. Außerdem weißt du ja, daß ähnliche Angelegenheiten bei uns im Bureau häufig vorkommen. Stellst du dich geschickt an, so werde ich dich in Zukunft des öfteren zu verwenden wissen. – So, und nun verschwinde. Halte dich vor der Haustüre auf der anderen Straßenseite auf und gib genau acht, ob ein Herr mit einer Aktentasche wie dieser da den Flur betritt und bald wieder erscheint. Das ist dann der richtige.«

      Werner Tompsen verließ mit einer höflichen Verbeugung das Zimmer.

      Eine Viertelstunde später klingelte es an der Flurtür der zweiten Etage, deren linke Hälfte die Frau verwitwete Hauptmann v. Gersten bewohnte, bei der als Untermieter wieder der Rechtsanwalt Dr. jur. Ernst Heiling zwei Vorderzimmer innehatte.

      Gleich darauf klopfte Frau v. Gersters Stubenmädchen bei dem Rechtsanwalt an.

      »Herr Doktor,« – für Minna war ein ›Doktor‹ mehr als ein Rechtsanwalt – »ein Herr wünscht Sie zu sprechen.«

      »Ich lasse bitten.«

      Heiling erhob sich aus seinem Schreibtischsessel und ging dem Eintretenden entgegen.

      Es war tatsächlich der Fremde aus dem Stadtbahnzug.

      »Schmidt, Ingenieur der Firma Siemens und Halske,« stellte er sich mit leicht näselnder Stimme vor.

      Heiling machte eine einladende Handbewegung nach einem der Sessel hin, die um den großen Mitteltisch gruppiert waren.

      »Wollen Sie bitte Platz nehmen, Herr Schmidt – womit kann ich Ihnen dienen?«

      »Danke verbindlichst,« lehnte der angebliche Ingenieur ab. »Ich habe Eile. – Der Zweck meines Besuches ist der, Ihnen diese Aktentasche wieder auszuhändigen. Wir haben unsere Mappen vertauscht, als sie bei dem plötzlichen Bremsen des Zuges zu Boden fielen.«

      Heiling lächelte liebenswürdig.

      »Ich ahnte, daß Sie kommen würden, Herr Schmidt. Meinen Namen nebst Adresse mußten Sie ja auf den Akten in meiner Ledertasche finden. – Darauf rechnete ich und war daher über die Verwechslung nicht weiter in Sorge. – Vielen Dank. So bitte – hier ist Ihre Mappe. Ich will ehrlich sein: Ich versuchte dieselbe zu öffnen, um vielleicht aus dem Inhalt Ihren Namen zu erfahren. Da sie jedoch verschlossen war, gab ich mich in dem Gedanken zufrieden, daß Sie mich fraglos bald aufsuchen würden.«

      Einen Moment ruhten die Augen des Fremden fast durchdringend auf Heilings Gesicht. Offenbar war irgend eine mißtrauische Regung in ihm wach geworden. Aber da des Rechtsanwalts Mienen unverändert den harmlos zuvorkommenden Ausdruck beibehielten, schien er sich wieder zu beruhigen. Und mit einem Versuch zu scherzen meinte er:

      »Die Verwechslung ist Ihnen wohl sehr schnell infolge des nicht gerade geringen Gewichtsunterschiedes der beiden Taschen aufgefallen? Tut mir leid, daß Sie sich mit meinen Modellteilen für einen neuen Flugzeugmotor haben schleppen müssen, Herr Rechtsanwalt.«

      ›Nette Modellteile!‹ dachte Heiling. Laut aber sagte er:

      »Ah, da habe ich wohl gar kurze Zeit die Vorarbeiten für ein demnächst neues Patent in meiner Obhut gehabt, Herr Schmidt? – Nur gut, daß gerade ich Ihre Mappe mitnahm. Wer weiß, ob Ihr Modell bei einem Ingenieur z. B. nicht doch die Neugier geweckt hätte. Denn daß Metallgegenstände sich in der Ledertasche befinden, ist ja deutlich genug durchzufühlen.«

      Das klang alles so harmlos freundlich, daß bei dem Fremden auch der letzte Rest von Mißtrauen schwand.

      »Ja, ich bin auch sehr froh darüber,« entgegnete er mit einer gezierten Verbeugung. »Es handelt sich in der Tat um eine wichtige Erfindung, deren Kenntnis für einen Fachkollegen höchst wertvoll gewesen wäre …«

      »Na – jetzt können Sie jedenfalls ganz beruhigt sein,« sagte Heiling gutgelaunt. »Ebenso wie ich mich freue, daß ich meine Akten wiederhabe.«

      Sodann fügte er in ernsterem Tone hinzu: »Pardon – ich vergaß mich bei Ihnen zu entschuldigen, daß ich Sie in Morgenschuhen und in der Hausjoppe empfangen habe. Ich war so in meine Arbeit vertieft –«

      »Aber lassen Sie doch, Herr Rechtsanwalt …!« unterbrach der andere ihn. »Das bedarf keiner Entschuldigung, wirklich nicht. – Gestatten Sie mir nunmehr, daß ich mich verabschiede. – Guten Abend, Herr Rechtsanwalt … War mir sehr angenehm, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.«

      »Ganz auf meiner Seite, Herr Schmidt …«

      Heiling begleitete den Besucher bis zur Flurtür und kehrte dann in sein Arbeitszimmer zurück.

      2. Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      In der Dresdenerstraße im Süden Berlins steht ein älteres, etwas verräuchertes Gebäude, neben dessen schwerer, massiver Eingangstür aus geschnitztem Eichenholz ein Porzellanschild mit der Aufschrift:

      Detektivinstitut Argus, Inhaber Fritz Schaper

      hängt. Noch vor einem Jahr hatte der Aufdruck dieses Schildes, der besseren Reklame wegen, anders gelautet. Aber Fritz Schaper war jetzt eine Berühmtheit geworden und hatte es nicht mehr nötig, die Klienten durch marktschreierische Ankündigungen herbeizulocken. Die Aufdeckung der Geheimnisse des ›Bildes mit den Glasaugen‹, wobei es sich um eines der eigenartigsten Verbrechen handelte, die in der Kriminalgeschichte aller Länder je vorgekommen sind, hatte den Namen Fritz Schaper weit über die Grenze Deutschlands hinaus bekannt gemacht. Das Detektivinstitut beschäftigte jetzt nicht weniger als sechs Angestellte außer dem Bureaupersonal, alles erprobte Leute, auf die der Chef sich unbedingt verlassen konnte.

      Zu der festen Kundschaft Fritz Schapers, der früher Apotheker und eine Weile auch Schauspieler gewesen war, gehörte eine große Anzahl Berliner Rechtsanwälte, die dem Institut die notwendigen Ermittlungen zur Überprüfung von zweifelhaften Aussagen für die Prozeßführung regelmäßig übertrugen.

      Fritz Schaper, ein noch recht jugendlich aussehender Herr mit glattrasiertem Gesicht, saß am Schreibtisch in seinem Sprechzimmer und schrieb soeben einem auswärtigen Kunden, der sich nach der Kreditfähigkeit einer Charlottenburger Firma erkundigt hatte, eine ausführliche Antwort.

      Gerade schob er den Brief in den Umschlag, als das auf dem Tisch stehende Telephon zu schrillen begann. Folgende Unterredung, die von seiten des Detektives mit wachsendem Interesse geführt wurde, entspann sich nun.

      »Herr Schaper persönlich?«

      »Jawohl. – Mit wem habe ich die Ehre?«

      »Das tut nichts zur Sache. – Ich will zunächst nur anfragen, ob Sie auch einen Auftrag übernehmen würden, bei dem der Auftraggeber unbekannt zu bleiben wünscht.«

      »Hm … Es käme ganz darauf an, worum es sich handelt,« entgegnete Schaper zögernd.

      »Um einen Mord,« klang es durch den Apparat zurück.

      Der Detektiv war gewiß an Überraschungen aller Art gewöhnt. Dieser Bescheid brachte ihn aber doch etwas aus der Fassung.

      »… Mord? – Habe ich richtig gehört?« fragte er dann nochmals zur Sicherheit.

      »Ja, leider. Vor kurzer Zeit ist in dem sogenannten Katzen-Palais in Charlottenburg in der Schloßstraße der Rentier Gottfried Marschall durch mehrere Stiche in die Brust ermordet worden. – Sie sollen nun sofort die Nachforschungen nach dem Täter aufnehmen. Erklären Sie sich hierzu bereit, so wird Ihnen umgehend als Anzahlung auf Ihr Honorar die Summe von fünfhundert Mark per Postanweisung zugehen.«

      Schaper schwirrte förmlich der Kopf. So etwas war ihm noch nicht vorgekommen. Die Sache schien ja mehr als geheimnisvoll

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