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alten Tisch …

      Viktor und Haßfeld verließen das leere Haus. – –

      Als die Meller am anderen Morgen erschien, wurde sie abermals ins Vertrauen gezogen. Dies war nötig, da Ihle gegen halb zwölf mittags den ‚Schriftsteller‘ verhaften lassen wollte.

      Der Himmel war bedeckt. Er drohte mit Regen, und es gab auch wirklich einen kleinen Guß. Nachher klärte sich der Horizont auf, der blaue Fleck am Himmel wurde größer und größer, und nachmittags gegen ein Uhr schien die Sonne. –

      Inzwischen war der Bewohner des Mansardenheims, der ja krank zu Bett lag für die übrige Menschheit, genau wie mit Ihle vereinbart, verhaftet und auf einer Krankenbahre, auf der von seinem Gesicht nichts zu sehen war, in einen Wagen getragen worden, der sich alsdann in Bewegung setzte. Dieses Ereignis konnte im Pfeffergang nicht unbemerkt bleiben. Und die Meller sorgte dafür, daß die Neuigkeit, der Schriftsteller Dr. Karl Wilde sei als Mörder Tompsons verhaftet worden, wie ein Lauffeuer sich weiter und weiter verbreitete.

      Die Erregung war allgemein. Bekannte telephonierten sich diese neueste Sensation, auf den Straßen bildeten sich Gruppen, die von nichts anderem sprachen, und natürlich wurde auch unter den in und vor der Börse versammelten Kaufleuten diese Kunde viel erörtert. – –

      Dr. Wildes Wohnung blieb nur drei Stunden verschlossen und versiegelt. Dann kam Ihle mit ein paar Beamten, um die Räume – zum Schein! – zu durchsuchen.

      Vor dem Hause standen viele Neugierige, denen die Meller immer wieder erzählen mußte, wie die Verhaftung vor sich gegangen war und wie die Polizei jetzt oben alles durchwühlte. –

      Unter den müßigen Gaffern befanden sich auch zwei Arbeiter mit schmierigen Kitteln und rußgeschwärzten Gesichtern, scheinbar Heizer irgend eines Dampfers, in Wirklichkeit Haßfeld und Viktor Ruhnau.

      Es schienen rechte Tagediebe zu sein, diese beiden Schmierfinken, denn stundenlang lungerten sie in der Straße umher, qualmten aus ihren kurzen Holzpfeifen dicke Wolken und – da gaben doch genau auf alles acht, was ringsum geschah. So konnte ihnen auch nicht die hagere Gestalt Pinkemüllers entgehen, der in der Haltung eines Menschen angeschlichen kam, dem dieses Verweilen inmitten einer erregten, aus den einfacheren Volksschichten sich zusammensetzenden Menge alle Sicherheit des Auftretens nahm. –

      Des Professors Gesicht erstrahlte wieder in recht verdächtiger Röte. Offenbar hatte er sich für diesen Gang nach der Mordgasse besonders gestärkt.

      Pinkemüller fragte ein dickes Weib, weswegen diese Zusammenrottung hier erfolgt sei und erhielt auch eine mehr als erschöpfende Auskunft. Eilig machte er sich sogleich wieder auf den Rückweg. Haßfeld folgte ihm vorsichtig, während Viktor weiter im Pfeffergang sich herumdrückte.

      Die Nachmittagssonne lag jetzt auf den verstaubten Fenstern des leeren Hauses und stahl sich auch hinein in das ehemalige Bureau, wo auf dem großen Tisch einsam die Lahore-Vase stand – einsam und unscheinbar …

      Drüben am Schlafstubenfenster Dr. Wildes konnte man einen Mann hinter den Gardinen bemerken, der mit Hilfe eines Fernglases wahrscheinlich nach derselben Vase ausspähte.

      Er konnte aber nur den untersten Teil des bauchigen Gefäßes wahrnehmen, auf dem das hellere Sonnenlicht lag. Der Mann war Kriminalkommissar Ihle.

      Jetzt trat er zurück und gab seinen drei Unterbeamten, die nur zum Schein einzelne Behältnisse durchwühlt hatten, den Befehl zum Verlassen der Wohnung, die wieder versiegelt wurde.

      Ihle ging unten im Pfeffergang dicht an Viktor Ruhnau vorbei, blieb stehen und bat um ein Streichholz für seine Zigarre. Schnell und unauffällig flüsterten sie bei dieser Gelegenheit miteinander.

      „Spengler hat vorhin aus Heubude antelephoniert. Sie treffen um sieben Uhr ein,“ sagte er, während ihm Viktor wieder mitteilte:

      „Pinkemüller, mein Onkel, war hier, natürlich um zu spionieren. Vielleicht hoffte er mich zu erwischen – oder ihn führte etwas anderes her.“

      Ihle schaute den schmierigen Gesellen prüfend an.

      „Etwas anderes? Ist er etwa …?“

      Da griff der Heizer an den Mützenschirm und schlenderte weiter.

      Eine halbe Stunde später gesellte sich Haßfeld wieder zu Ruhnau.

      „Na?“ fragte dieser.

      „Deine Vermutung war richtig,“ erklärte der Berliner Kommissar.

      Dann bummelten sie der Langen Brücke zu und lehnten sich dicht bei der Anlegestelle der Heubuder Dampfer an das Geländer des Bollwerks, sahen den Möwen zu, die über das trübe Wasser hinstrichen und … hatten beide nur einen Wunsch, daß die Nacht bald käme, denn die Erwartung dessen, was – vielleicht! – in dieser Nacht sich ereignen würde, lag ihnen wie eine starke Erregung in allen Nerven.

      Der Dampfer kam. Spengler und der würdige Herr Kanzleisekretär verließen ihn getrennt, und letzteren rief dann der eine der Heizer an, fragte, ob er das Päckchen des alten Herrn tragen dürfe, fügte aber leise hinzu: „Begib dich aufs Polizeipräsidium zu Kommissar Ihle, Karl! Ich komme nach.“

      20. Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Ihle hatte für ein einfaches kaltes Abendbrot und etwas Trinkbares gesorgt.

      Wir saßen in seinem Dienstzimmer um den großen Schreibtisch herum. Papierservietten vertraten das Tischtuch, und mit Tellern, Messern und Gabeln war es auch schwach bestellt. So war es zwar recht gemütlich, doch – wir hatten alle keinen rechten Hunger. Nur die Kognakflasche und die beiden vorhandenen Gläschen wanderten häufig von einer Hand in die andere.

      Spengler erzählte, wie er dazu gekommen war, seinen friedlichen Dorfschullehrerberuf gegen seinen jetzigen etwas aufregenderen zu vertauschen. Die Geschichte war ein ganzer Roman, er verstand zu erzählen, und die Zeit verging schnell.

      Ihle sah nach der Uhr. –

      „Aufbruch, meine Herren!“ sagte er und erhob sich. „Wir müssen kurz nach zehn Uhr an Ort und Stelle sein.“

      Alles war schon vorher verabredet.

      Tory und ich bildeten sozusagen die Vorhut. Dann kam in hundert Schritt Entfernung das Gros, Ihle und Haßfeld, und Spengler wieder stellte allein die Nachhut dar.

      Als wir in die Breitgasse einbogen, begann es zu tröpfeln. Die Luft war mit warmer Feuchtigkeit gesättigt, richtige Gewitterluft.

      Im Pfeffergang waren abends ‚zufällig‘ gerade die beiden Laternen rechts und links vom leeren Hause durch einen ‚Betrunkenen‘ nicht nur ausgedreht, sondern auch der Glühstrümpfe beraubt worden, so daß bei dem sternenlosen Himmel vor dem alten leer stehenden Gebäude nun eine sehr zweckdienliche Finsternis lagerte.

      Tory hatte im Moment die Haustür mit dem Dietrich geöffnet, nachdem hinter uns Ihle dreimal kräftig gehustet hatte – ein Zeichen, das uns besagte: Die im Pfeffergang postierten beiden Beamten haben nichts verdächtiges bemerkt und der Weg ist frei!

      Wir fünf stiegen nun im Dunkeln die Treppen empor. Die Haustür war wieder abgeschlossen worden. – Wir nahmen uns nicht weiter in acht. Mochten die Stufen ruhig knarren.

      Jetzt ging’s in das Mordzimmer hinein. Auch diese Tür wurde hinter uns wieder verschlossen, wie wir sie gefunden hatten.

      In dem unheimlichen Raume war es stockfinster. Wir standen dicht beieinander regungslos still, bis Ihle seine Laterne eingeschaltet hatte und uns nun schnell unsere Plätze zuwies und zwar so, wie Tory es gewollt hatte.

      Tory und ich setzten uns auf die morschen Dielen in die Ecke links von den Fenstern. Als Deckung hatten wir einen alten Aktenbock vor uns. Spengler wieder saß vor dem Mauerpfeiler zwischen den Fenstern hinter zwei zusammengerückten Stühlen, und Ihle und Haßfeld hatten die andere Fensterecke uns gegenüber inne, wo ein kleiner, umgelegter

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