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liebkosen.

      Schamhaft wie eine Braut in der Hochzeitsnacht,

      verzückst du meine Seele sacht.

       (Dieter Kremp)

      Nicht die Schlüsselblume, sondern das Veilchen Viola ist zum Symbol des zeitigen Frühlings geworden. Trotz seiner sprichwörtlichen Zurückhaltung, Sinnbild der Sittsamkeit und Bescheidenheit, der Demut und der Jungfräulichkeit, gibt das Märzveilchen in der Duftmusik der Frühblüher den Ton an, obgleich die mit größeren Nahrungsspeichern begünstigten Blumenzwiebeln oft schon früher ihre Sprossen recken und es auch an Größe und Auffälligkeit des Flors übertreffen. So reiht sich auch das „sittsame, demütige“ Veilchen in die Reihe der Marienblumen ein, trägt es doch im Volksmund auch den Namen „Marienbräutli“.

      Wenn wir uns an die Veilchenplätze in den Wäldern unserer Kindheit ins Gedächtnis zurückrufen, wird uns inne, welch starken Eindruck auch bescheiden gebückte Winzigkeit hervorrufen kann, wo es in Massen auftritt. Das war in der milden Märzsonne schon eine betörende Duftwolke, die aus den wirren Gräserhaaren der erwachten Erde aufstieg, wenn man das Veilchenfeld unter den Haselsträuchern pflückte, ohne dass sich seine Fülle vermindert hätte.

      Das Märzveilchen oder „Wohlriechende“ Veilchen (Viola odorata) weckt – außer der Rose vielleicht –die meisten romantischen und poetischen Gedankenverbindungen aller Blumen. Der griechische Dichter und Arzt Nikandros bemerkte, dass die Nymphen von Ionien dem Jupiter ihre Liebe gestanden, indem sie ihm ein Veilchen schenkten. Oder wurde „Viola“ nach Io, der Geliebten Jupiters genannt? Er verwandelte die schöne, sittsame Nymphe Io in eine Kuh. Danach schossen Veilchen aus der Erde, um sie zu ernähren.

      Die Blume der Liebenden ist das Veilchen geblieben. Ihre Sprache ist die Botschaft der Zärtlichkeit, nicht der drängenden, begehrenden Liebe.

      Wollte man Venus, die Göttin der Liebe, ins Brautgemach laden, dann würde das Bett im Frühling mit Veilchen geschmückt. Duft und Farbe der blauvioletten Blüten üben offenbar eine aphrodisierende Wirkung aus.

      Das Veilchen konkurriert mit dem Vergissmeinnicht als „blaue Blume“ der deutschen Romantik. Die bei Novalis genannte blaue Wunderblume symbolisiert die Sehnsucht des Menschen nach der Erfüllung verborgener Wünsche. Die blaue Blütenfarbe weist demnach auch auf das Himmelsblau des kommenden Sommers hin.

      So trägt denn auch das Veilchen in den deutschen Landen verschiedene Volksnamen, die auf die Beliebtheit und Verwendung der „blauen Wunderblume“ hinweisen: Marienblümchen, Marienstängel, Marienduft, Marienbräutli, Duftengelchen, Schwalbenblume, Veicherl, Veieli und Osterveigerl. Die Bezeichnung „Marienbräutli“ weist darauf hin, dass Brautkränze aus Veilchen (Marienblumen) geflochten wurden.

      Schon im Altertum war das Veilchen beliebt; man flocht aus ihm Kränze, mit denen man sich bei Festlichkeiten und Orgien schmückte, um sich vor Kopfschmerzen, verursacht durch Trunkenheit, zu schützen. Die Bilder der Hausgötter wurden mit Veilchen geziert, und noch bei manch anderen Bräuchen spielte das Veilchen eine Rolle.

      Veilchen haben früher in den Frühlingsbräuchen auf dem Lande eine besondere Rolle gespielt. Das erste Veilchen wurde hoch geehrt; es durfte nur vom sittsamsten und schönsten Mädchen gepflückt werden. Wer das erste Veilchen des Jahres fand, durfte sich etwas wünschen. Und wenn der Frühling einzog, ging der Wunsch in Erfüllung. In den Dörfern wurde das erste Veilchen auf eine Stange gesteckt und umtanzt.

      Dass Veilchen die „Duftnote zum Frühling“ sind, beschreiben auch die deutschen Dichter. Goethe spricht: „Ein Veilchen auf der Wiese stand, gebückt in sich und unbenannt. Es war ein herzig Veilchen.“ Und Theodor Storm ergänzt: „Die Kinder haben die Veilchen gepflückt, all, all, die da blühen am Mühlengraben. Der Lenz ist da; sie wollen ihn fest in ihren kleinen Fäusten haben.“ Aber am schönsten träumt Eduard Mörike von den Veilchen im Frühling:

      „Frühling lässt sein blaues Band

      wieder flattern durch die Lüfte;

      Süße, wohlbekannte Düfte

      Streifen ahnungsvoll das Land.

      Veilchen träumen schon,

      wollen balde kommen.

      Horch, von fern ein leiser Harfenton!

      Frühling, ja du bist’s!

      Dich hab ich vernommen.“

      Das bescheiden am Boden kauernde Frühlingskind hat nicht nur viele, sondern auch erlauchte Verehrer gehabt. Gäbe es eine Geschichte in Blumenepochen, dann könnte das Veilchen einige Kapitel darin für sich beanspruchen.

      Sanftmut, Demut und Sittsamkeit scheinen im Veilchen Viola verkörpert zu sein; deshalb wurde es auch ein Symbol der Jungfrau Maria. Früher war es als kultischer Schmuck beliebt: mit Rosmarin zusammen im Mai für die Bildnisse der Hausgötter bei den Griechen, für die Bilder der Muttergottes und die römischen Bacchantinnen banden es um ihre Stäbe. In Athen wurde das Veilchen zur Modeblume, so sehr, dass sich die anderen Griechen über das „veilchenduftende Athen“ und die „veilchenbekränzten Athener“ lustig machten. Homer weiß Rühmliches von ihm: Es wuchs auf den Matten vor der Grotte der Kalypso, die den umherirrenden Odysseus so lange Jahre umgarnt hielt. Es stand dort so reizend, dass selbst der immer eilige Götterbote Hermes verweilte, um den dunkelblauen Teppich zu bewundern.

      Aphrodite, Miss Olymp für unbestimmte Zeit, bekam auch reichlich Veilchen verehrt und dazu den Beinamen „die Veilchenbekränzte“, was dunkelhaarig bedeutet. Vielleicht gab es auch schon bläuliche Haare?

      Josephine Beauharnais liebte die Marienblümchen so sehr, dass sie sich bei ihrer Hochzeit mit Napoleon als Blumenschmuck nur einen Veilchenstrauß wünschte. Ihr Festkleid wurde mit Veilchen bestickt. Napoleon vergaß das nie, und jedes Jahr zum Hochzeitstag bekam Josephine ihren Veilchenstrauß, selbst dann, wenn der Gemahl auf dem Kriegspfad war. Dennoch opferte Napoleon die Kapitänstochter Josephine der Staatsraison und setzte eine Prinzessin an ihre Stelle. Doch als Josephine starb, da lag auf ihrem Sarg, auf weißseidenem Kissen, ein frischer Veilchenstrauß.

      Die Dichter, und nicht nur sie, haben bemerkt, dass das Veilchen seine Farbe unverändert beibehält, bis es verblüht. Deshalb wurde es auch zum Sinnbild für Treue und Freundschaft. Auch die größeren Violen, die Stiefmütterchen, mit ihren melancholischen Gesichtern, gelten als Zeichen von Innigkeit und Treue.

      Im duft des Veilchens mischen sich sinnliche Reize – deshalb Liebesduft und Geistiges. Frauenschönheit zu erhöhen, ist das Veilchen wohl imstande.

      Ob es wohl noch jemanden gibt, der es Goethe gleichtut? Er liebte Veilchen sehr, trug oft Veilchensamen in der Rocktasche und verstreute diesen bei Spaziergängen rechts und links des Weges.

      Auch im Aberglauben unserer Vorfahren spielte das Veilchen eine große Rolle. Das 16. Jahrhundert erzählt von der Bedeutung des Veilchens in der Liebe: Ein Mädchen, das heimlich einen Mann liebt, der sie nicht beachtet, soll ihm ein Veilchen in den Schuh stecken; dadurch wird er gezwungen, ihr sieben Tage nachzugehen. Diese Zeit kann sie dann nützen, um seine Liebe zu gewinnen. Oder: Befestigt ein Mädchen ein Veilchen über seiner Tür, dann wird es vom ersten Manne, der eintritt, geheiratet werden. Als Amulett um den Hals getragen, macht es den Träger bei allen Leuten beliebt. Dem Veilchen wird nachgesagt, es wirke sich, wenn man am Abend einen Tee davon trinke, besonders auf die Träume aus, und erzeuge besonders schöne und angenehme Traumbilder, in denen es den zukünftigen Mann sehe. Wegen seiner violettblauen Blüten war das Veilchen auch ein Symbol des Himmels. Warf man im Frühling ein Veilchen in den blauen Himmel, so bedeutete das auch ein schöner Frühling. Als Liebesrezept bestens empfohlen: Trage ein Veilchen mit der Wurzel in einem violetten seidenen Tüchlein bei dir, so bist du allen lieb und angenehm. Ein Mädchen soll die Erde aufgraben, wo der Mann ihrer Wahl seine Fußspuren hinterlassen hat. Die Erde wird nun in einen Topf gebracht und das Veilchen hineingepflanzt.

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