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überlegen, wie wir es anstellen können. Du gehst zurück in deine Gemächer, die Baribas ab jetzt bewachen wird.“

      Juchata stand wie vom Donner gerührt. Jetzt war sie es, die ihren Vater mit ihren Blicken durchbohrte.

      „Das ist nicht dein Ernst. Niemals, niemals wird das geschehen. Von wegen gütig. Du sprichst Worte, die du nicht einmal verstehst. Willst du es genauso machen wie bei Mutter? Willst du das?“ Sie schrie und tobte, wäre beinahe auf Vincus losgegangen, konnte sich jedoch gerade noch beherrschen. Schon stand sie neben ihm auf dem Podest, hatte den Arm bereits zum Schlag erhoben.

      Vincus war wie erstarrt. Was wusste Juchata über ihre Mutter? War es eine Ahnung? Oder hatte sie seine intimsten Gedanken, seine größten Sünden entdeckt? Seine Tochter war gefährlich, das ahnte er spätestens jetzt. Für einen Moment verlor er die Beherrschung. In dem Moment, als Juchata ihre Hand wieder senkte, erhob er sich. Juchata sah noch, dass auch er seinen Arm hob.

      Der mächtige Schlag traf sie unvorbereitet. Es war das erste Mal, dass er sie körperlich gezüchtigt hatte. Mit der Rückseite seiner Handfläche traf er sie, mit voller Wucht, so dass sie schwungvoll zu Boden stürzte.

      „Baribas....“ Vincus rief donnernd seinen ergebenen Diener, der herbei gelaufen kam, schneller als sonst, denn seine Verletzung schien wie verschwunden.

      „Bring sie zurück in ihre Gemächer und bewache sie. Du verantwortest ihr Wohlsein mit deinem Leben.“

      Baribas nickte, sah auf Juchata, die noch immer benommen vor den Beiden lag. In seinem Gesicht spiegelte sich lechzende Zufriedenheit wider, seine blassen Backen waren bläulich angelaufen, seine Augen fieberten vor gewalttätiger Lust. Wie sehr er es genoss, sie so zu sehen, sie, die ihn behandelt hatte wie Luft, die beinahe besser war als er, ein männlicher Nocturn.

      Baribas packte Juchata am Arm. Sicher hätte er noch warten können, bis sie aufgestanden wäre, doch die Gelegenheit, ihr Schmerzen zuzufügen, wollte er nicht ungenutzt verstreichen lassen.

      Er zerrte an ihr, bis sie vor ihm stand. Mit hasserfülltem Gesicht blickte sie nun auf Vincus, machte sich mit einer ruckartigen Bewegung von ihrem Widersacher los, dessen Brutalität ihr durchaus bewusst war.

      Ihr Vater stand daneben, tat nichts.

      Juchata flüsterte ihm zu:

      „Wir werden noch sehen, was morgen geschieht. Ich hasse dich, du wirst mich nie wiedersehen, das verspreche ich dir. Was immer geschieht.....“ ihre Worte brachen ab, denn sie fühlte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Doch diese Genugtuung wollte sie ihm nicht geben.

      Vincus lächelte nur schief und unecht, sagte aber nichts mehr, sondern machte nur eine Handbewegung in Richtung Baribas, der Juchata sofort wieder packte und aus dem Saal zog. Draußen machte sie sich wieder von ihm los, rannte in die Richtung ihrer Gemächer. Baribas bemühte sich, ihr zu folgen, bereute, dass sie freiwillig lief. Zu gerne hätte er sie noch ein wenig misshandelt, vielleicht sogar geschlagen. Der Gedanke daran erregte ihn noch mehr, doch es blieb bei dem Gedanken. Als er mit seinem hinkenden Gang ihre Gemächer erreichte, waren diese bereits vollständig von innen verriegelt. Mit einem tiefen Seufzer bezog er Stellung vor der Tür, folgte dem Befehl seines Herren und würde an diesem Tag kein Auge schließen. Die Erinnerung an die vergangen Szenen hielten ihn jedoch wach, so sehr erfreute er sich selbst im Nachhinein daran.

      In der Kammer saß Juchata betrübt auf dem Bett. Sie wusste, dass sie in der Falle saß, machte sich noch nicht einmal Gedanken, wie sie hier unbemerkt herauskommen könnte. Sie war in den Händen Ophras, zu dem sie jetzt betete. Er war ihr letzter Ausweg, die letzte Hoffnung. Wie weit war es gekommen, dass sie sich nun auf einen Gott verlassen musste?

      Sie bemerkte die Tränen nicht, die ihr in Strömen über die blassen Wangen liefen. Irgendwann schlossen sich ihre Augen von selbst und ein dumpfer Schlaf umhüllte sie. Wenigstens spürte sie nichts mehr.

      Sie schlief so fest, dass sie auch durch das laute Klopfen nicht erwachte. Sie integrierte die Geräusche in ihre Träume, die wild und verwirrend waren. Erst als Vincus begann, sie zu rufen, ihren Namen zu schreien, erwachte sie. Juchata sah sich verwundert um. Nur langsam kamen ihre Erinnerungen wie durch einen Nebelschleier zu ihr zurück, nahmen Kontur und Form an, bis sie wieder ganz bei ihr waren. In aller Grausamkeit und Härte. Benommen stand sie auf, noch immer hämmerte ihr Vater gegen die Tür. Sie verspürte nicht die geringste Lust, ihn zu sehen, eine innere Stimme sagte ihr jedoch, dass sie es besser doch tun sollte. Mit einem Schwung öffnete sie, wollte bereits zu einem Wutausbruch ansetzen, doch verstummte sie, als sie in das Gesicht ihres Vaters sah, der ihr, kreidebleich und voller Sorgenfalten, wie ein Gespenst gegenüberstand. Noch nie hatte sie ihn so gesehen.

      „Es ist etwas Furchtbares geschehen. Komm mit, schnell, wir dürfen keine Zeit verlieren. Pack einige Sachen ein, nichts Schweres, du musst weg.“

      „Aber..“ Juchata verstand nicht.

      „Ich erzähle es dir im Laufen, beeil dich.“

      Juchata gehorchte ihrem Vater, der sie mit seinen Sorgen, die sie noch nicht kannte, bereits angesteckt hatte.

      Kapitel 9

      Der Riese kam auf Naxbil zu, zähnefletschend folgte ihm der Megant, der Anstalten machte, sich auf ihn zu stürzen. Naxbil sah die angespannten Muskeln des Tieres, das nur durch die Macht seines Reiters davon abgehalten wurde, ihn zu verschlingen. Der Kämpfer schaute auf Naxbil hinab, ohne den Augenkontakt mit ihm zu brechen, rief er einen Befehl zum Meganten hinüber, der widerstrebend gehorchte und sich zurückzog, um andere Namenlose zu töten, die sein Herr nicht vor diesem Schicksal zu bewahren dachte. Wie erstarrt blickte Naxbil auf sein Gegenüber, der ebenso reglos dastand wie er, noch immer mit der Hand am Visier.

      Mit einem lauten Quietschen, das sogar die Schreie der Sterbenden um die beiden herum übertönte, öffnete sich der Helm und zum Vorschein kam das runde Gesicht des Gladicus. Versteinert schauten sich die beiden an, beinahe bereits Verwandte, hier auf dem Feld der Unterstadt jedoch Feinde. Zumindest sah es so aus. Keiner fand ein Wort für die groteske Situation, die völlig unmöglich schien und in der beide keine Ahnung hatten, was sie nun tun sollten. Als Erster fand Gladicus seine Sprache wieder:

      „Naxbil......aber...... du warst doch gerade noch bei der Zeremonie.....“ Gladicus hatte nicht mitbekommen, dass sich Naxbil sehr früh entschuldigt hatte.

      Der Sohn des Vincus empfand es als unnütz zu antworten, tat es aber schließlich trotzdem:

      „Wie du siehst, bin ich nicht mehr dort.“

      Gladicus wirkte wie betäubt, denn den Konflikt, der in ihm schwelte, konnte niemand erahnen. Selbst Naxbil nicht, der langsam begann, diese Begegnung als positiv zu betrachten, die ihn zweifellos vor dem sicheren Tod und der Schande, in der Unterstadt zu sein, retten würde.

      „Was tust du hier?“ Gladicus Stimme wirkte jetzt fester.

      „Sagen wir, ich bin hier einigen unverschiebbaren Tätigkeiten nachgegangen.“

      Die Antwort gefiel Gladicus nicht, dessen Miene immer noch steinern und stoisch den General zeigte, der in seiner Pflichterfüllung nicht schwankte und jetzt genau wusste, was er zu tun hatte.

      „Naxbil, wer immer du bist, ob mein Bruder oder Freund, das hier ist ernst, auch wenn du morgen mein Schwager wirst, denn Juchata wird mich heiraten. Ich frage noch einmal, was tust du hier?“

      Naxbil erkannte langsam, dass dies der letzte Sargnagel in seine Existenz sein konnte. Dieser grobschlächtige Krieger würde nicht einmal davor zurückschrecken, ihn der Obrigkeit auszuliefern, selbst wenn er sein Verwandter werden würde.

      „Ich war eben hier, habe mich amüsiert. Warum auch nicht? Die Hochgeborenen können das ja kaum noch, untereinander schon gar nicht. Das verstehst du doch?“

      Gladicus schüttelte mit dem Kopf.

      „Es ist ein Verbrechen. Und noch dazu zu dieser Zeit. Wir wissen, dass ein Anführer die Namenlosen führt, einer, der, wie du siehst, eine Menge Anhänger gesammelt hat. Würde mich

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