Скачать книгу

durch den Ophraces gesegnet werden. Gladicus wurde von seiner Mutter in Empfang genommen, die – ebenso wie die Mutter des Calavus - ein kostbares Hochzeitsgewand mitgenommen hatte. Juchata empfahl sich ebenfalls, sie wollte das Kleid anziehen, dass ihr Vater ihr für diese Nacht hatte anfertigen lassen. Auch Ketauro zog sich zurück, um in der Halle nach dem Rechten zu sehen.

      Zurück blieben die Borjas und Vincus, der auch hätte gehen sollen, um sich vorzubereiten, jedoch wusste, dass er einiges klarstellen musste.

      Pelates sah ihn an:

      „Alter Freund, was ist geschehen?“

      „Was geschehen ist, siehst du doch“ fauchte Calavus. „Wir sind verraten worden, so wie immer.“

      Pelates schaute seinen Sohn strafend an. Dann wandte er sich an Vincus, der die Szene vor ihm genau beobachtete:

      „Verzeihen Sie meinem ungestümen Sohn, für den es eine anstrengende und enttäuschende Nacht war. Jeder wird verstehen, dass sein Benehmen im Augenblick nicht dem Status entspricht, den er normalerweise einnimmt.“

      Vincus sah Calavus an, der noch immer vor Wut schäumte:

      „Natürlich verstehe ich es, das war nicht leicht, zumal er auch noch eingeweiht war und meinen Plan kannte.“

      „Ja, den Plan. Den hat Ihre Tochter schön vereitelt, nicht war? Mein Vater fragte, was geschehen sei. Wir haben noch keine Antwort.“ Calavus schaffte es kaum, seine Zunge zu zügeln. Nur mit Mühe konnte er sich zurückhalten, sonst wäre er mit beiden Fäusten auf den Tragus, den unantastbaren Führer der Nocturnen, losgegangen.

      „Aber, aber, mein junger Borja. Ihr habt es doch selbst gesehen. Es war der Wille Ophras, der in diesen Momenten immer aus den Ehepartnern spricht. Und seit wann halten sich die Götter an das, was sterbliche Nocturnen untereinander ausmachen?“

      „Vincus hat recht“, Pelates richtete seine Worte an Calavus, um ihm anzudeuten, dass er jetzt so still sein sollte. Der jedoch ließ sich nicht ausschalten:

      „Jetzt kommen Sie mit den Göttern. Welch Schande für einen Tragus, der sich hinter den Göttern verstecken muss. Versagt haben Sie, auf ganzer Linie. Geben Sie es zu und tun Sie irgendetwas.“

      Vincus wurde jetzt sehr ernst.

      „Mein junger Freund, Sie erwarten von mir, die heilige Wahl anzuzweifeln? Über die Beleidigung meiner Person könnte ich noch hinweg sehen, sie sozusagen entschuldigen mit dem erregten Zustand nach dieser für Sie schwierigen Situation der Niederlage. Doch die Gotteslästerung ist unentschuldbar. Wenn Sie sich nicht auf der Stelle beruhigen, muss ich diesen Vorfall dem Gericht melden. Seien Sie froh, dass der Ophraces jetzt nicht anwesend ist, sonst wären Sie in ernsten Schwierigkeiten.“

      Pelates hatte zugehört und schob seinen Sohn aus dem Sperrfeuer.

      „Alter Freund,

      böse Worte sind gefallen. Natürlich ist meine gesamte Familie dem Ophras dienlich, niemals würden wir den Willen, der aus Ihrer Tochter spricht, anzweifeln. Und natürlich ist es ärgerlich, wenn unsere Pläne dadurch durchkreuzt wurden, doch was können wir jetzt noch ändern? Nichts mehr, denn Ophras hat durch Juchata gesprochen. Unsere Aufgabe beginnt somit von Neuem. Wir müssen unsere Verhandlungen wieder aufnehmen, denn die alten Abmachungen sind jetzt mit dieser... sagen wir... Entwicklung hinfällig.

      Alter Freund,

      ich muss Sie daran nicht erinnern. Sie kennen die Situation, besser als ich oder mein Sohn. Umso mehr bedaure ich natürlich, was geschehen ist, denn ... ich muss es doch noch einmal sagen... der Druck im Parlament auf Sie wird immer größer und Ihre, sagen wir, Loyalität Ihrem eigenen Denken, Glauben und Handeln gegenüber steht auf dem Spiel. Das Spiel haben Sie nicht gewonnen, sind sogar dabei, es zu verlieren, wenn mich nicht alles täuscht. Sie verzeihen mir meine direkten Worte, sie sind in Freundschaft gesprochen und sollen Ihnen nur versichern, wie viel meiner Familie, den Borjas, an Ihrem Wohlbefinden liegt. Haben wir doch in der Vergangenheit manche Schlacht geschlagen, manche sogar gegeneinander, so wäre es doch jetzt ein Jammer, wenn nur wegen dieses kleinen – nennen wir es – Missgeschicks alles wie ein Kartenhaus zusammenbräche. Und es ist nicht nur das, auch Ihr Erbe steht auf dem Spiel, aber das liegt ja nun in den Händen unseres ehrenwerten Generals. Einen Sohn brauchen Sie, der Ihnen an Witz und Klugheit gleichkommt. Ihr Name ist es, der sonst ausstürbe, Ophras behüte. So ein ehrenwerter und klangvoller Name, seit so vielen Jahrhunderten in der Gesellschaft geachtet. Und nun? Ihre Tochter wird sicher ihre Gründe gehabt haben, ach was, Ophras selbst, der uns dieses Zeichen geschickt hat. Ich würde vorschlagen, dass wir uns recht bald zusammensetzen, um zu sehen, was wir tun können. Ich weiß natürlich, dass die Vermählung jetzt gleich stattfinden wird, eigentlich nur noch eine Formsache ist. Aber vielleicht haben Sie ja doch einen Einfall, unser cleverster aller Tragi. Sonst gelingt es Ihnen doch auch fast immer. Es würde mich wundern, wenn Sie dieses kleine Rätsel nicht im Geiste bereits gelöst haben. Ich nehme sogar an, dass es ein Teil des Plans ist, der so perfekt und geschickt ist, dass er nach außen einen solchen Eindruck machen könnte, als wäre das alles der reinste Zufall. Wir alle wissen es natürlich besser, deshalb schlage ich vor, Calavus, seine Mutter und ich bleiben hier, um der Zeremonie beizuwohnen. Ich weiß, es ist eigentlich nicht üblich, doch Sie wissen schon, es kann noch einiges geschehen. Ich vertraue Ihnen vollständig,

      alter Freund,

      diese geringe Bitte werden Sie doch uns, Ihren Unterstützern, in der Not, gewähren?“

      Pelates war eloquent wie immer, seinen Sprachfehler hatte er gut unter Kontrolle, er lispelte kaum, auch wenn es seine Art zu reden immer begleitete. Vincus hatte ruhig zugehört, die versteckten Drohungen waren ihm natürlich nicht entgangen.

      „Pelates, alter Mitstreiter, natürlich dürft Ihr, das heißt, Eure Familie, der Zeremonie beiwohnen. Nichts, aber auch gar nichts spricht dagegen. Was immer auch heute geschieht, glaubt mir, es ändert nichts an der Beziehung, an der wir nun seit Längerem arbeiten. Wir werden eine Lösung finden, dessen bin ich sicher, wir sind doch alle vernünftige Nocturnen...,“, dabei sah er für den Bruchteil einer Sekunde auf Calavus, der den Affront sofort bemerkte, „die nichts wollen als das allerbeste für – natürlich – jedermann.“

      Nach außen die Ruhe selbst kannte Vincus seine Situation genau und Pelates hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass er ihn dafür verantwortlich machte. Fieberhaft überlegte er, was er tun konnte, doch es gab nichts, was den Weg, den Juchata mit ihrer irrwitzigen Wahl betreten hatte, verhindern konnte. Natürlich wäre es besser gewesen, wenn sein Erbe an einen brillanten, wenn auch unfertigen Nocturn wie Calavus gegangen wäre, den er noch hätte beeinflussen können. Die Situation im Parlament hingegen war das dringendere Problem, denn die Zahl seiner Unterstützer sank nach der heutigen Nacht rapide, und wenn nicht bald etwas geschah, stand es schlecht um seine weitere Karriere. Zumal er die Dinge, die wegen der Schande Naxbils auf ihn zukommen konnten, noch nicht vollständig überblicken konnte. Die Situation war brandgefährlich, und auch wenn er wusste, dass es närrisch war, schickte er ein stilles Stoßgebet Richtung Mond. Ophras, das wusste er, kümmerte sich nicht um solch nichtige Probleme. Doch hier, heute Nacht, hatte Vincus keinen Ausweg und musste in der Sackgasse, in der er gelandet war, nach Möglichkeiten suchen, weiter zu kommen. Er fühlte sich elend, doch lag es weder in seiner Natur, das zu zeigen, noch vorschnell aufzugeben. Aufrecht und stolz stand er vor den Borjas, strahlte Zuversicht aus, wie nur ein Führer es vermag, der bereits durch alle Feuer der heißesten geistigen Belagerungen gegangen war.

      Calavus hatte sich ein wenig beruhigt, auch wenn er seine Wut noch nicht vollends unter Kontrolle hatte. Er ließ sich jedoch nicht mehr provozieren, zeigte damit, dass er langsam zu alter Stärke zurückfand.

      „Er wäre eine echte Herausforderung gewesen,“ dachte Vincus, „das einzige Problem liegt in seiner Loyalität zu seiner Familie, doch die hätte ich schnell auf ernste Proben gestellt.“ Vincus bedauerte es zutiefst und machte sich im Geiste heftige Vorwürfe, dass er die Wahl seiner Tochter nicht stärker beeinflusst hatte. Doch damit hielt er sich nicht lange auf. Niederlagen lässt man schnell hinter sich, um sich am nächsten Sieg aufzubauen.

      Ketauro

Скачать книгу