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die Wäschereien, die dort angeblich betrieben wurden, am häufigsten besuchten. Die meisten zogen übrigens Nocturnen vor, von denen auch einige Dienst leisten mussten. Diese Praxis war allerdings nur den Ophraces vorbehalten, denn gleichgeschlechtliche Liebe stand unter Todesstrafe. Doch bei den Ophraces spielte es keine Rolle. Keiner wagte, sie anzugreifen und wenn doch, bekamen diese Unvorsichtigen die ganze Gewalt einer alten und mächtigen religiösen Gesellschaft zu spüren, die sich zur Wehr zu setzen verstand.

      Die halbe Nacht war bereits um, als es plötzlich knackte. Juchata hatte das Siegel aufgebrochen und war bereit, ihre Entscheidung zu verkünden. Alle im Raum sprangen auf, Pelleus wankte zwar gewaltig, doch hielt er sich überraschend gut auf den Beinen. Die feierliche Gesellschaft begab sich in den Vorraum, wo die Drei auf sie warteten. Vincus schritt voran, eine Spur zu hastig, um einen Blick auf seine Tochter werfen zu können, bevor sie den Mund öffnete. Er kam nicht mehr dazu.

      Kapitel 6

      Juchata hatte es fertiggebracht, mehrere Stunden mit den beiden Freiern zu verbringen, ohne dass sie das Thema Heirat auch nur erwähnte. Der Erste, der die Nerven verlor, war Gladicus, der, mächtig wie er war, die Anspannung nicht aushielt und Juchata abermals tollpatschig um ihre Hand bat.

      Calavus lachte verächtlich, zeigte seine Antipathie für seinen Gegner jetzt ohne Sarkasmus, offen und direkt.

      Das missfiel Juchata.

      „Lass ihn in Ruhe. Er fragt wenigstens. Nicht so wie andere“

      „Ist es das, was du willst? Eine Frage?“ Calavus' Lächeln war arrogant wie seine Worte.

      „Ach, gehen dir schon die Mittel aus? Gib dir doch etwas Mühe, vielleicht können wir das dann abkürzen.“

      „Mühe. Warum? Dinge sind, wie sie sind. Willst du ein Spiel spielen oder endlich das tun, was du ohnehin tun musst? Ich persönlich empfinde es als langweilig.“

      „Du findest mich langweilig?“ Juchatas Blut kam in Wallung.

      „Oho, immer ruhig mit den jungen Megantenstuten. Dreh mir nicht das Wort im Mund um. Nicht mir. Das beleidigt meine Intelligenz.“

      Juchata war beinahe außer sich vor Wut.

      „Weißt du was? Da gibt es nicht viel zu beleidigen. Sehr viel verstehst du von Nocturninnen nicht, sonst würdest du so nicht reden. Es reicht eben nicht, ab und zu in die Wäscherei zu gehen. Das Werben scheinst du dort nicht gelernt zu haben. Ob anderes kann ich nicht beurteilen. Wenigstens weiß Gladicus, was uns gefällt. Du nicht.“

      Juchata warf einen Blick auf den sanften Riesen, der immer noch vor ihr kniete, ihre Hand inzwischen aber losgelassen hatte.

      Calavus verzog die Miene.

      „Steh endlich auf und verhalte dich wie ein echter Hochgeborener. Wir knien nicht vor Nocturninnen. Sie gehorchen uns, so ist es Sitte.“

      Gladicus ließ sich von Calavus einschüchtern. Juchata wunderte sich immer mehr über diese Untertänigkeit, besonders bei diesem Soldaten, der keinen männlichen Nocturnen fürchtete, aber eine schwache Hochgeborene wie sie umso mehr.

      „Nun sieh es dir doch an. Willst du das? So etwas? Soll ich auf die Knie fallen? Du weißt, es wäre das letzte Mal, denn nach der Hochzeit herrschen andere Sitten.“ Calavus war sich seiner Sache völlig sicher.

      „Und welche Sitten wären das? Du machst es spannend, mein Lieber. Dann willst du, dass ich vor dir auf der Erde krieche, stimmt's?“

      „Was du tust und wie bleibt völlig dir überlassen, solange die Dinge so laufen, wie sie laufen müssen.“

      „Wie laufen?“

      „Laufen eben. Keine Ahnung.“ log Calavus.

      „Ich weiß schon, wie du es dir vorstellst. Du willst, dass ich dir untertänig diene, bei jeder Kleinigkeit deine Erlaubnis einhole und mich selbst völlig aufgebe.“ Juchata schnaubte verächtlich. Im Grunde wusste sie, dass es das Schicksal einer jeden Nocturnin war, die ihrem Gatten in jeder Hinsicht dienen musste. Doch sie wollte dieses Schicksal nicht.

      „Ganz ehrlich, das werden wir sehen. Nimm doch endlich die Herausforderung an. Du kommst ohnehin nicht drum herum. Was du auch tust, ich wiederhole mich, die Wahl hast du nicht. Tu uns also den Gefallen und hör mit diesem Spiel auf.“

      Die Arroganz des Calavus wurde immer unerträglicher. Juchata stand jetzt nur noch wenige Recken von dem jungen Borja entfernt, starrte auf das schmale blass-blaue Gesicht, das, wenn sie es recht betrachtete, nicht unattraktiv, wenn auch androgyn schien.

      „Auf deine Herausforderung pfeife ich. Und du scheinst dir ja deiner Sache sehr sicher. Weißt du was? Ich habe mich gerade entschieden.“

      Damit lief sie zur Tür und drückte die Klinke mit aller Gewalt hinunter. Das Siegel brach mit einem lauten Krachen, das sicher im ganzen Haus zu hören war. Sie stürmte ins Vorzimmer, die beiden Nocturnen folgten ihr. Gladicus zeigte sein Erstaunen, hielt sich aber zurück. Calavus beherrschte sich, doch auch ihm sah man an, dass er etwas beunruhigt war.

      Die Gesellschaft betrat ebenfalls den Raum. Bevor Juchata jedoch den Blick ihres Vaters auffangen konnte, sogar bevor noch alle im Raum waren, brüllte sie:

      „Ich werde Gladicus heiraten.“

      Nach einer endlos wirkenden Sekunde fiel der Riese wieder auf die Knie, diesmal hinter ihr. Auf dem Boden rutschend kam er zu ihr gekrochen, in seinen Augen standen Tränen, die bereits an der groben Nase hinunterliefen.

      „Was mach ich hier eigentlich? Das kann doch nicht wahr sein.“

      Die Gedanken schossen ihr wild durch den Kopf. Juchatas unbedachte und von Calavus provozierte Reaktion ließen sie zweifeln. Sie wusste instinktiv, dass es ein Fehler war, genau wie jede andere Entscheidung, die sie hätte treffen können. Sie schaute beinahe mit Verachtung auf den vor ihr auf den Knien liegenden Gladicus. Sie verspürte das sich zuspitzende Verlangen, ihn zu schlagen, hier, vor allen Leuten. Nur mühsam konnte sie diesen Wunsch unterdrücken. Eines Tages jedoch würde sie diese Stärke nicht mehr aufbringen können.

      Vincus schaute seine Tochter an. Wenn er Wut empfand, versteckte er sie tief im Innern, genau wie sonst auch jedes andere Gefühl. Dass Gladicus' Reaktion ihn ebenso befremdete, konnte jedoch auch er nicht vollends verstecken.

      „Gladicus, steh auf.“ Pelleus' Worte hallten wie der Donner durch die kleine Halle. Der gehorchte seinem Vater und stand wie ein geölter Blitz auf. Alle starrten ihn an. Scheinbar verstand Calavus erst jetzt allmählich, was geschehen war. Noch weit von der Souveränität der Alten entfernt, zeigte er seine Wut, eine für ihn ungewöhnliche Geste. Sein Vater Pelates schaute ruhig auf die Szene, die sich ihm bot. Alle waren jetzt still, doch jeder schrie ohne Worte, jeder auf seine Weise. Trauer, Wut, bedingungslose Freude – eine bunte emotionale Palette, von höchster Intensität und Hingabe. Wer genau hinsah, konnte es fast hören. Vincus beobachtete es, Pelates und Juchata ebenfalls, alle anderen waren mit sich selbst beschäftigt, kümmerten sich kaum um die anderen. Calavus war der Erste, der etwas sagte.

      Kaum imstande, seiner Gefühle Herr zu werden, hauchte er nur:

      „Gladicus. Du heiratest Gladicus.“ Ob es eine Feststellung war oder eine Frage, verstand niemand, doch spielte das keine Rolle.

      Stolz schaute ihm Juchata in die Augen. Es war ihr einziger Triumph in dieser Nacht, ein fragwürdiger und unnützer. Sie wusste es, weshalb dieser Moment nur wenige Sekunden anhielt. Dann schaute sie sich wieder um, sah den Schlamassel, den sie angerichtet hatte. Doch auch jetzt konnte sie keine Schuld empfinden, nur maßlose Hilflosigkeit und Trauer. Auch ihre Augen füllten sich langsam mit Tränen, doch waren es andere als bei Gladicus.

      Ketauro schritt ein, um die Situation zu retten:

      „Der Tradition nach besiegeln wir diesen heiligen Bund. Ich denke, alles ist vorbereitet.“

      Vincus nickte: „Ja. Im großen Saal steht alles bereit. Die Beiden müssen sich nur noch umziehen.“

      Seine

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