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mich jetzt so ein Bier machen würde. Aber niemand in dem Café wagte es, vor acht Uhr ein alkoholisches Getränk zu sich zu nehmen, ich also auch nicht. Statt dessen bestellte ich einen zweiten Kaffee.

      Anschließend spazierten wir durch die Gassen und inspizierten das Dorf. Die meisten Häuser waren vier oder fünf Stockwerke hoch und sahen wie Bauklötze mit Fenstern aus. Viele hatten unten im Erdgeschoss eine große Garage und waren erst ab dem ersten Stock bewohnt. Die Fassaden hatte man mit pastelligen Farbtönen gestrichen, manchmal in gelb oder blau, oder braun, doch meist in grau oder mit Fliesen beschichtet, die manchmal aus kleinen bunten Quadraten bestanden, oder größere, längliche, die grob mit braunen Mustern bedruckt waren. Nur sehr wenige Häuser waren wirklich alt. Diese konnte man in zwei Kategorien teilen, die von neunzehnhundertundetwas und die noch älteren. Die letzteren waren meist zweigeschossig und aus geschichteten Steinen errichtet. Oft waren sie verlassen und das Dach eingestürzt. Bei den anderen blätterte der Putz ab und sie waren von alten Leuten bewohnt. Malpica war also eher trostlos, was mir aber sehr sympathisch war.

      Vor einer Fassade blieb ich stehen. Sie war frisch blau getüncht und über der Tür waren noch zwei Lagen Mauersteine, aber dann darüber kam nichts mehr. Als ich durch eine Luke in der Tür sah, war dahinter ein Unkraut überwachsenes Grundstück und die Wände zu den Nachbarhäusern waren mit einer orangen Isoliersubstanz beschichtet.

      Bald entdeckten wir mehr ‚Lückenhäuser‘ dieser Art. Eines bestand aus einer halben weißen Mauer mit einer Stahltür, ein anderes aus einer Wand mit nichts dahinter. Aber an die Wand hatte man aus Beton Blumentöpfe gemauert und sie mit Geranien bepflanzt. Potemkinsche Elemente haben ja im Augenblick Hochkonjunktur. Bestes Beispiel waren beim G8 Treffen in Enniskillen die Fensterscheiben der abgewrackt oder leerstehenden Läden, die man wegen des Treffens mit Plakaten beklebt hatte, auf denen pralle Auslagen und reges Geschäftstreiben vorgetäuscht wurde. Auch in London werden Baustellen grundsätzlich gerne mit überdimensionalen Bildern versehen, die vorgaukeln, wie es einmal aussehen wird. Oder es werden Häuserfassaden stehen gelassen, hinter denen sich für Jahre nichts weiter, als ein Baugerüst befindet.

      Emil ergriff meine Hand und scheuerte den Ärmel des anderen Arms an den Wänden entlang, vorbei an einem Bekleidungsgeschäft mit Badeanzügen mehr für die ältere Generation. Den Laden mit Blusen und Bettwäsche würden wir vermutlich auch nie besuchen. Wir bogen nach rechts in eine etwas breitere Straße. Mein Versuch einen Billigladen mit minderwertigem Spielzeug und Haushaltswaren vor Emil zu verbergen, scheiterte kläglich. Sofort hatte er ein sogenanntes Kinder-Bodyboard mit einem verschwommenen Barcelona-Fußballverein-Aufdruck, der garantiert nicht lizenziert war, in der Auslage entdeckt. Damit war eine zeckenhafte Nörgelei losgetreten, die sich so lange auf dieses Objekt konzentrieren würde, bis man endlich nachgäbe.

      In einem unscheinbaren, modernen, klotzigen Haus verbarg sich eine Markthalle. Zwei Schlachter, zwei Fischstände und drei Omas mit Gemüse boten ihre Ware an. Wir kauften Rindfleisch beim Schlachter ‚Avelino‘ und Salat bei einer Oma, die etwas Deutsch sprach und für einen Euro uns gleich drei riesige Salatköpfe verkaufte. Sie stopfte sie lieblos mit ihren von der Feldarbeit schwieligen Händen in einen großen Plastikbeutel, der aber immer noch viel zu klein war.

      Alles für ein Frühstück erstanden wir im Supermarkt mit dem Namen ‚Froiz‘. Emil nannte ihn ‚Frotz‘, was lustig klang. Auf dem Rückweg betraten wir den Bäcker, den ich schon auf dem Hinweg wahrgenommen hatte.

      Die junge Bäckerin wandte ihre minimalen Englischkenntnisse geschickt an, als ich das Baguette und ein Stück Schokoladenkuchen bezahlte. Sie lächelte verlegen, ihre dicklichen Wangen schimmerten rötlich. Zum Abschied sah sie uns mit ihren braunen Rehäuglein hinterher und ich winkte noch mal durch die Scheibe.

      Emil hielt den Kuchen auf der Serviette ganz fest, als wir dicht an einem Dorfpolizisten, der mit einem langen Schlagstock im Halfter und mit hochgeschnürten Stiefeln im Cowboyschritt den Dorfplatz patrouillierte, vorbei die Straße überquerten. Wir traten in das, mit glänzenden, grauen Steinplatten ausgelegte, Treppenhaus und stiegen hinauf in die Ferienwohnung. Oben war der Kuchen reichlich zerquetscht, aber ohne länger warten zu können, stopfte Emil ihn sich blitzartig in den Mund.

      Am Vormittag lief Emil schnurstracks in das türkisfarbene, kalte Meer, ohne vor der Kälte oder der Nässe auch nur einen Millimeter zurückzuweichen. Die Wellen schlugen schon an seine Schultern und ich fürchtete, ich müsste hinter ihm her, als er stehen blieb und lachend sein Gesicht zu Marlis und mir wandte, so als hätte es ihm ein teuflisches Vergnügen bereitet, seinen Eltern den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben.

      Marlis und ich schwammen auch – abwechselnd und nicht sehr lange, da wir das Wasser doch reichlich kalt fanden. Anschließend beobachteten wir, dicht nebeneinander sitzend, die hereinkommende Flut und begafften den Sohn, der im Sand mit den Händen herumbaggerte, eine Gruppe Surfer, denen die Wellen zu armselig waren und einen dickbäuchigen Vater in einem Taucheranzug, der seinen ungefähr vier Jahre alten Sohn, der im Gegensatz zu ihm lediglich mit einer Badehose bekleidet war, in die kalten Wellen warf und dabei ignorierte, dass dieser wie am Spieß schrie.

      Als wir genug hatten, kauften wir auf dem Rückweg beim Bäcker noch einige frisch gebackene Kuchenstücke. Die füllige Bäckersfrau faltete liebevoll das Einschlagpapier über den Käsekuchen, den sie auf einen mit einer Goldfolie beschichteten Pappteller gelegt und einen Pappstreifen zum Schutz der Oberseite im Bogen darüber gespannt hatte.

      Total erschlagen von der miserablen Nacht schliefen wir alle drei sofort ein, bis nach einer Stunde der Lärm uns wieder weckte.

      Nach dem Kuchen bewältigten wir den anstrengenden Kauf des Bodyboards. Emil heulte dabei, da er von uns die Zusage erpressen wollte, dass wir das Kunststoffbrett nach London mitnähmen. Daran ginge absolut kein Weg vorbei, wie er immer wieder betonte. Im Kontext der Billigfliegerei, mit den horrenden Preisen für nicht zuvor angemeldete und sperrige Gepäckstücke, war dies natürlich völlig ausgeschlossen. Damit das Theater ein Ende hatte, versprach ich, mich bei der Post über eventuelle Sendekonditionen zu erkundigen. Marlis blätterte die 14 Euro hin.

      Am Strand fand das Plastikbrett dann nur bedingten Anklang – vielleicht weil Emil fest damit gerechnet hatte, dass er so automatisch schwimmen konnte - oder so ähnlich.

      Zum Abendessen briet ich das Steak scharf an. Dazu Zwiebeln. Es war ja zum Glück nicht unsere Küche. Als die Pfanne Feuer fing, löschte ich mit einem Topfdeckel. Marlis hatte sich seit längerem wieder einmal Rindfleisch gewünscht. In England oder Deutschland verzichteten wir wegen des BSE-Skandals seit ein paar Jahren völlig darauf. Aber in Galicien hatten wir uns in dem sicheren Glauben gewiegt, dass wir uns in einer BSE-freien Zone befanden. Erst als ich das Buch hier schrieb, studierte ich die BSE-Statistiken in Europa und musste schockiert feststellen, dass es in Spanien fast genau so viele BSE-Fälle, wie in Deutschland gegeben hatte und man in Galicien sogar verseuchtes Vieh in eine Kalkgrube geworfen und so der Grundwasserverseuchung preisgegeben hatte. Immerhin hatte es in den letzten Jahren keine neuen BSE-Fälle mehr gegeben.

      Jedenfalls aßen wir das herrlich zarte Fleisch regelrecht gierig zusammen mit ein wenig Baguette und Röstzwiebeln, ich meins sogar noch halb blutig. Hinterher verschlangen wir die riesigen Salatmassen, die ich Emil zuliebe mit Zucker und Zitrone angemacht hatte und aus denen viele kleine Schnecken gekrochen waren, die sich in der ganzen Küche verteilt hatten. Nach dieser Völlerei ließen wir uns gemeinsam auf ein Bett plumpsen und rührten uns erst einmal nicht mehr.

      Abends schlenderten wir über die Pflastersteine der Promenade. Es waren kaum Menschen unterwegs. Nur im ‚J&B‘ spielten Einheimische Karten. Im Fernseher lief ein Schwimmwettbewerb, den der Sohn völlig absorbiert in sich aufsog, bis der Barmann mit einem Piratenkopftuch, und das konnten Marlis und ich nur durch die Scheibe beobachten, Emil etwas fragte und sie ein längeres Gespräch hatten. Emil erklärte uns später, dass der Mann nicht viel Ahnung von Fussball habe und er ihm wirklich alles habe erklären müssen. Marlis und ich lachten.

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