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Juli, wenn das Wasser grau und aufgewühlt ist. Und der Pisco Sour ist unschlagbar. Nirgendwo mixen sie das Trester-Limetten-Gesöff so gut wie hier.

      »Ich habe zwei und zwei zusammengezählt. Jorge ist Arzt und leitet Gesundheitsprojekte. Die Freundin von Henry Salinas ist Krankenschwester. Und Alejandra recherchierte in einem Ministerium. Da dachte ich, ich lasse mal einen Versuchsballon steigen.«

      »Und nicht vergeblich. Ich hatte den Eindruck, dass Neustadt zusammengezuckt ist, als du das Gesundheitsministerium ins Spiel brachtest. Ich vermute, er weiß mehr, als er sagt. Aber das ist wohl nur normal, schließlich will er nicht, dass ihm jemand die Geschichte vor der Nase wegschnappt. Und wir sind auch Journalisten.«

      »Oder er ist mit dem Minister befreundet und will nicht, dass etwas über den ans Licht kommt.«

      »Ist auch nicht auszuschließen. Obwohl ich es mir schlecht vorstellen kann. Skandale sind sein größtes Geschäft. Ich vermute, da wird er nicht viel Rücksicht auf einen befreundeten Minister nehmen.«

      Das Essen wird serviert. Ihre gratinierten Miesmuscheln sehen wieder wunderbar aus. Jedes Mal, wenn sie in Lima war, hat Rosa-Li sie ihrem Geldbeutel zum Trotz einmal hier gegessen.

      »Weißt du, dass der spanische König bereits hier gespeist hat?«, sagt sie.

      »Na, dann wurde es Zeit, dass auch ich hier esse.« Roberto lacht und prostet ihr mit seinem Wasserglas zu. »Ich hoffe, du bist nach zwei Pisco Sour noch dazu fähig, bei Henrys Radiostation einen guten Eindruck zu machen.«

      »Eine meiner leichtesten Übungen, denn ich mache immer einen guten Eindruck.«

      »Und du siehst dich auch noch in der Lage, unseren Freund Jorge anzurufen, um uns für heute Abend bei ihm nebst Gattin einzuladen. Oder die beiden irgendwo zu treffen?«.

      »Auch das. Aber mit deiner gütigen Erlaubnis würde ich gern zu Ende essen«, erwidert sie schnippisch.

      »Kein Problem, wie du weißt, bin ich großzügig.« Er lehnt sich zurück. »Ich bin mir nicht sicher, ob dein Freund Jorge wirklich mit offenen Karten spielt. Alejandra könnte sich mit ihm eingelassen haben, um etwas in Erfahrung zu bringen. Wie du weißt, werden wir Männer im Bett immer schwach und verraten die größten Geheimnisse.« Er grinst sie an.

      »Für deine Theorie spricht, dass er eigentlich überhaupt nicht zu ihr passt. Er ist fett und nicht besonders gutaussehend, fünfzehn, zwanzig Jahre älter als sie, und reich ist er, soviel ich weiß, auch nicht. Er kann ganz geistreich und witzig sein, das ist aber auch alles. Also, ich könnte mir nicht vorstellen, mit ihm ins Bett zu gehen. Auch nicht für eine heiße Story.«

      Roberto wirft ihr über den Tisch eine Kusshand zu. »Du bist ja auch verwöhnt, meine Süße.«

      »Sei nicht so überheblich. Worin könnte Jorge denn deiner Ansicht nach verwickelt sein?«, fragt sie ihn.

      »Vielleicht hat er Gelder des Ministeriums veruntreut. Da gibt es viele Möglichkeiten.«

      »Seine Projekte werden vor allem von internationalen Organisationen finanziert, ein Teil der Kohle stammt aus Deutschland, von einer privaten Entwicklungshilfeorganisation. Und soweit ich weiß, kontrollieren die ziemlich genau.«

      »Mag sein, Rosa-Li, aber er muss zumindest mit dem Gesundheitsministerium zusammenarbeiten, wenn er in deren Bereich tätig ist. Ich denke, wir sollten gelassen abwarten, was uns dieser Henry erzählt.«

      Radio Reloj erweckt schon von außen den Eindruck, als sei jeglicher Erfolg bislang an dem Sender vorbeigegangen. Von dem Einfamilienhaus im Stadtteil Miraflores blättert die hellblaue Farbe, das Eingangstor hängt schief in den Angeln, und der Garten bräuchte dringend eine pflegende Hand. Ein Messingschild, das schon lange nicht mehr poliert worden ist, weist die Radiostation als Programm für ein freies Peru aus. Rosa-Li fürchtet das Schlimmste. Sie verabscheut Weltverbesserer mit journalistischem Mäntelchen.

      Der Chefredakteur stellt sich als Torres vor. Seinen Vornamen verschweigt er, entgegen journalistischen Gepflogenheiten. Er hat mit dem Kollegen Antonio Neustadt nicht das Mindeste gemein. Er ist alterslos, klein und rundlich, sein beigefarbener Wollpullover wurde am Kragen gestopft und spannt über dem Bauch. Torres beäugt die beiden durch eine dicke, altmodische Brille mit viereckigem, schwarzen Rand, die aus den Fünfzigerjahren stammen muss. Widerwillig bittet er die beiden in sein Büro. Er weist ihnen zwei Plastikgartenstühle zu, die er vorher mit der Hand vom Staub befreit. Von Small Talk hält er nichts, von Umgangsformen auch nicht.

      »Was wollen Sie? Es ist Sonntag«, blafft er sie an.

      Roberto erspart sich lange Erläuterungen. »Wir suchen Henry Salinas.«

      »Wozu?«

      »Ganz einfach: Wir möchten gern mit ihm sprechen.«

      »Worüber, wenn ich fragen darf?«.

      »Das würden wir ihm gern selbst sagen. Es handelt sich um eine vertrauliche Angelegenheit.«

      »Ich bin sein Chef, und sämtliche Themen, die mit dem Sender zu tun haben, laufen über meinen Tisch. Sie müssen mir also schon sagen, worum es geht.«

      Rosa-Li schaltet sich ein, denn Torres und Roberto sind sich ganz offensichtlich alles andere als sympathisch. »Ich komme aus Deutschland und recherchiere über das peruanische Gesundheitswesen. Eine Kollegin hat mir gesagt, dass Henry da gut Bescheid weiß und sich ab und zu ein paar Soles verdient, in dem er ausländische Journalisten bei der Recherche unterstützt. Mein kolumbianischer Kollege war so nett, mich hierher zu begleiten, weil er ein Auto hat.«

      Torres nickt, und sein verkniffenes Gesicht entspannt sich ein wenig. »Ja, das stimmt, meine Leute verdienen sich hin und wieder etwas nebenbei. Wir sind ein Sender, der von Spenden lebt, da können wir uns keine üppigen Gehälter leisten. Das ist der Preis, den wir für unsere Unabhängigkeit vom kapitalistischen System zahlen.«

      Am liebsten hätte Rosa-Li laut gelacht und ihn gefragt, woher denn wohl seine Spenden stammen. Doch zweifellos aus den Portemonnaies großzügiger Vertreter des so geschmähten Kapitalismus. Doch sie verkneift es sich. Der Kerl wird es ohnehin nicht begreifen, oder besser: nicht begreifen wollen. Wenn sie sich nicht sicher wäre, dass mit der linken Terrororganisation Leuchtender Pfad zumindest in der Hauptstadt gründlich aufgeräumt worden ist, würde sie Torres für einen Sympathisanten der Gruppe halten. Er wirkt verbiestert und verbohrt wie die Terroristen, die sie mal vor Jahren in San Juan de Lurigancho im Gefängnis erlebt hat. Die schlampige, altmodische Kleidung ist ebenso typisch für sie wie die brüske Art. Aber wahrscheinlich ist Torres nur ein armer Schlucker, dem es an grauer Masse fehlt und der in den kommerziellen Radiostationen keine Chance hat.

      »Also, Salinas ist seit vergangenem Freitag nicht mehr im Sender gewesen. Ich habe keine Nachricht von ihm und weiß daher auch nicht, wann er wiederkommt.«

      »Woran hat er denn zuletzt gearbeitet?«, fragt sie.

      »Er wollte für zwei Tage nach Cusco, für eine private Recherche. Aber bis jetzt ist er weder zurückgekehrt, noch hat er sich gemeldet. Obwohl er heute eigentlich Dienst hätte.«

      »Bei der Recherche, ging es da zufällig auch um Gesundheitspolitik?«, hakt Rosa-Li nach.

      »Da bin ich überfragt, aber es würde mich nicht wundern, denn bei Salinas geht es fast immer um Gesundheitspolitik. Er ist bei uns dafür zuständig.«

      »Das heißt, da kennt er sich sehr gut aus? Dann wäre er ja wirklich der richtige Mann für mich. Zu dumm, dass er nicht da ist.« Rosa-Li macht ein enttäuschtes Gesicht. »Wären Sie wohl freundlich, ihn zu bitten, mich anzurufen, wenn er sich meldet? Sie können ihm ruhig schon sagen, eine deutsche Kollegin hätte gern seine Hilfe.« Sie reißt einen Zettel von ihrem Notizblock, schreibt ihre Handynummer darauf und drückt Torres das Papier in die Hand. Der nickt, schiebt es in seine Hosentasche und steht auf. »War es das?«.

      »Das war es«, antwortet Rosa-Li und erhebt sich ebenfalls. Von dem würden sie nicht mehr erfahren. Zum Abschied gönnt Kollege Torres ihnen ein Kopfnicken.

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