Скачать книгу

auch gern unterhalten. Vielleicht bringt uns das weiter.«

      »Dann lass uns erst zur Nación fahren, das liegt auf dem Weg. Soviel ich weiß zumindest.« Rosa-Li lacht und vertieft sich wieder in den Stadtplan.

      Limas größte Tageszeitung ist in einem alten Gebäude im Zentrum untergebracht. Die makellose rote Fassade mit dem hellen Stuck muss erst kürzlich restauriert worden sein. Rosa-Li ist fasziniert von dem riesigen Kronleuchter im Foyer. Sie liebt diese Staubfänger mit kristallenen Tränen, Tropfen und Kugeln. Sie hatte einmal ein bedeutend kleineres Exemplar auf einem Flohmarkt in Buenos Aires erstanden und sich im Flieger mit der Flugbegleiterin gezankt, weil die nicht zuließ, dass sie es mit in den Passagierraum nahm. Als sie das Ding zuhause auspackte, war von seiner Schönheit nicht mehr viel übrig. Stundenlang hatte sie gebastelt, Messingblätter wieder geradegebogen und Tropfen geklebt, und als sie das Ergebnis dann stolz ihrem Gatten vorführte, war der entsetzt, dass sie so etwas Kitschiges über den Esstisch hängen wollte. Noch heute ärgert sie sich, dass sie den Kronleuchter daraufhin an einen Ramschladen verkauft hat. In wesentlichen Dingen sollte frau eben nicht auf den Ehemann hören. Der Leuchter hätte gut in ihren Flur in Bonn gepasst.

      Der Chefredakteur hat Sonntagsdienst und die Frau am Empfang meldet Roberto bei ihm an. Wider Erwarten werden sie sofort vorgelassen. Bekannt müsste man sein, dann stehen alle Türen weit offen. Die Sekretärin des Chefredakteurs holt sie ab und führt sie durch dunkle Gänge, die mit Pappe ausgelegt sind. Trotz des Wochenendes wird im Gebäude heftig renoviert. Irgendwo dröhnt ein Presslufthammer. Rosa-Li würde verrückt werden, wenn sie bei dem Lärm schreiben müsste.

      Der Chefredakteur schnellt wie eine Feder hinter seinem riesigen Schreibtisch hervor, als sie sein Büro betreten. Antonio Neustadt kommt Roberto mit ausgestreckter Hand entgegen, als seien sie alte Freunde. »Ich freue mich, Sie persönlich kennenzulernen. Ich bin ein großer Bewunderer Ihrer Arbeit«, flötet er.

      Roberto bedankt sich brav für das Lob und stellt Rosa-Li vor, doch der alerte, blonde Mittdreißiger im perfekt sitzenden grauen Kaschmir-Zweireiher nimmt sie kaum wahr. Er weist mit der Hand auf die Sitzecke und bittet sie, Platz zu nehmen. Nachdem er telefonisch Kaffee geordert hat, erzählt er Roberto, dass sein Großvater die Zeitung vor fast hundert Jahren gegründet und sein Vater ihm kürzlich die Leitung übertragen hat. Er schaut leicht gequält. »Es ist eine enorme Verantwortung, schließlich gehören wir zu den Meinungsführern in diesem Land, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

      Robert versteht und nickt zur Bestätigung. Neustadt kommt Rosa-Li vor wie ein Pfau, der seine Federn spreizt. Sie schaut sich um. Über dem Schreibtisch prangt ein Universitätsdiplom in spanischer Sprache, und gleich daneben, ebenfalls in einem schweren Messingrahmen, ein weiteres, aus dem hervorgeht, dass sie einen leibhaftigen Harvard-Absolventen vor sich haben.

      Roberto kommt zur Sache. »Wir sind hier, weil wir mit Alejandra Prieto Machu Picchu besichtigen wollten.« Er macht eine Pause. »Doch dazu kam es dann leider nicht mehr. Wir sind Journalisten, und die Umstände ihres Todes ließen uns keine Ruhe, wenn Sie verstehen.«

      Neustadt versteht. Von Medienstar zu Medienstar versteht man sich. »Ach, Sie haben Alejandra da oben getroffen? Sie hat mir gar nichts davon erzählt, dass sie mit Ihnen verabredet war.« Er schaut leicht beleidigt.

      »Wir waren nicht verabredet, wir haben sie zufällig dort kennengelernt, im Restaurant des Hotels.« Von Jorge erwähnt Roberto nichts.

      »Alejandra war eine hervorragende Reporterin. Unbezahlbar. Sie war immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort.«

      »Nur diesmal nicht«, erdreistet sich Rosa-Li, den Chefredakteur zu unterbrechen.

      »Äh, wie bitte? Nein, natürlich nicht.« Doch er lässt sich nicht beirren. »Will sagen, unser Haus verliert mit ihr eine ausgezeichnete Kollegin. Sie hatte einen untrüglichen Riecher für Skandale. Obendrein schrieb sie gut, stilsicher, klar.« Er gerät ins Schwärmen. Ob er auch ein Verhältnis mit ihr hatte?

      »Und sie war ein wunderbarer Mensch. Alle mochten sie, sie war stets hilfsbereit, hatte für jeden ein freundliches Wort. Es ist für uns ein großer Verlust.«

      Der scheint zu glauben, er müsse einen Nachruf schreiben, denkt Rosa-Li. Roberto unterbricht ihn. »Woran arbeitete sie denn zuletzt?«, will er wissen.

      »Tja, so weit ich informiert bin, stocherte sie mal wieder im Leben der Präsidentengattin herum, ein sehr beliebtes Thema in Peru. Aber der wird ja wohl niemand zutrauen, dass sie deswegen einen Mord begeht. Sie ist schließlich daran gewöhnt, dass die Medien sie mit Argusaugen verfolgen. Ich glaube, sie genießt es sogar.« Er lächelt boshaft, und Rosa-Li schließt daraus, dass er die First Lady nicht leiden kann.

      »Und dann saß sie seit Monaten an einer Korruptionsgeschichte. Sie hatte da mal einen Tipp erhalten. Aber um wen es ging, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Ich vermute jedoch, dass kein Minister involviert war, sonst hätte Alejandra mich über den Fall auf dem Laufenden gehalten. Minister sind Chefsache, wenn Sie verstehen.«

      Sie verstehen. »Und Sie wären der Geschichte auch garantiert gleich nach ihrem Tod auf den Grund gegangen.«

      Er nickt. »Aber natürlich. Schließlich bin ich selbst Journalist. Doch ich habe gestern gleich nach der Todesnachricht ihre Unterlagen persönlich gesichtet«, er zuckt bedauernd die Schultern, »aber es gab da nichts, was mir verdächtig erschien, nicht in ihren Papieren und nicht auf ihrem PC. Die Polizei hat sich natürlich heute Morgen ebenfalls alles angesehen und fand bis jetzt auch nichts Aufregendes. Ihren PC haben sie mitgenommen.«

      Ganz untätig scheint die Polizei also doch nicht zu sein, denkt Rosa-Li.

      »Uns gegenüber hat sie das Gesundheitsministerium kurz erwähnt«, blufft Roberto, und Rosa-Li hat das Gefühl, dass Neustadt eine Spur zu schnell aufschaut, so als habe er sich erschreckt. Aber vielleicht bildet sie sich das auch nur ein. Neustadt schüttelt den Kopf. »Nein, davon weiß ich nichts«, behauptet er eine Spur zu entschieden.

      »Sagen Sie, Alejandra war doch verheiratet. Kennen Sie ihren Mann?«, mischt sie sich ein.

      Jetzt nickt er. »Flüchtig. Ein sehr erfolgreicher Unternehmer. Er ist in der Textilbranche tätig. Der Gesetzestreueste soll er allerdings nicht sein, so hat mir zumindest Alejandra berichtet. Sie hatten sich auseinandergelebt, ich glaube, sie hatte sogar die Scheidung eingereicht.«

      »Aber die Zeitung ist seinen Geschäften nie auf den Grund gegangen?«, will Roberto wissen.

      »Nein, dazu war er denn doch zu unbedeutend.«

      »Es heißt, er zahlt weniger als den gesetzlichen Mindestlohn«, wirft Rosa-Li ein.

      »Das behauptete Alejandra. Doch wer tut das nicht in diesem Land? Nein, das allein reicht nicht für eine Geschichte. Da müsste er schon obendrein Schmuggelware verarbeiten oder Drogendollars waschen.«

      Roberto erkundigt sich noch, ob Alejandra neu liiert war, doch auch da muss der Chefredakteur passen. »Wissen Sie, wir hatten privat nur wenig Kontakt. Sie ist, so viel ich weiß, erst vor einigen Wochen bei ihrem Mann ausgezogen. Wenn es jemand Neues in ihrem Leben gab, so weiß ich zumindest nichts davon.« Neustadt schaut demonstrativ auf seine goldene Uhr. »Ich muss nun leider unser anregendes Gespräch unterbrechen, die Mittagskonferenz, Sie verstehen.«

      Wieder verstehen sie. Er will sie für den Abend zum Essen einladen, und Rosa-Li fällt ein Stein vom Herzen, als Roberto ablehnt, weil sie morgen schon sehr früh auf Reisen gehen. Einen ganzen Abend lang diesen Wichtigtuer ertragen – dafür sind ihr die Ferien mit Roberto weiß Gott zu schade. Als er ihr die Hand gibt, erklärt er ihr, dass sein Urgroßvater auch einst aus Deutschland eingewandert sei. »Ja, von uns ist eben kein Land verschont geblieben«, antwortet sie und schaut ihn scheinheilig lächelnd an.

      Kapitel 4

      »Wie bist du eigentlich auf das Gesundheitsministerium gekommen?«. Rosa-Li nippt an ihrem Pisco Sour und schaut den Wellen nach. Die Rosa Náutica wurde auf Stelzen ins Meer gebaut, ein achteckiges Holzhaus im Zuckerbäckerstil, dessen Einrichtung mit dem

Скачать книгу