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schaltet sich Roberto ein. Er stützt sich auf die Empfangstheke und sieht die junge Frau im weißen Kittel lächelnd an. Und – wie könnte es anders sein – die Schwester taut auf. »Nun ja, es sind in letzter Zeit mehrere Frauen zu uns gekommen, weil sie schwanger geworden sind, obwohl man ihnen dort die Pille gegeben hat. Bei einigen von ihnen hat die Schwangerschaft zu Komplikationen geführt, sie hätten um ihrer Gesundheit willen nicht schwanger werden dürfen. Und eine Frau aus einem Dorf der Ashaninkas ist sogar gestorben. Aber mehr weiß ich auch nicht, ich arbeite hier nur halbtags als Hilfsschwester.«

      »Wer weiß denn mehr darüber?«, will Roberto wissen.

      »Die Ärzte und der Gemeindepfarrer. Der sagt, die Station sei des Teufels.«

      Was nicht sehr erstaunlich ist, schließlich hat die katholische Kirche etwas gegen Antibabypillen und Präservative. Obwohl Rosa-Li bei ihren Reisen durch Lateinamerika schon so manchen Pfarrer und so manche Nonne getroffen hat, die ihre Schäfchen nicht nur Ogino Knaus anempfehlen. Weil sie tagtäglich sehen, wohin es führt, wenn die Familien zehn und mehr Kinder haben. Zu noch mehr Elend. Aber laut sagen würden sie das nie, schließlich wollen sie ihren Job behalten.

      Sie lassen sich von der Hilfsschwester den Weg zur Station beschreiben und brechen auf. »Es sieht so aus, als stimmte da tatsächlich etwas nicht. Dabei hatte ich bei meiner Reportage damals einen richtig guten Eindruck von Jorges Familienplanungsstationen. Allerdings war ich nicht hier, sondern in Lima und in einem Dorf im Norden, dessen Namen ich vergessen habe.«

      »Das ist aber schon ein paar Jährchen her, und so etwas kann sich schnell ändern. Und am örtlichen Chef liegt es sicher auch, ob das Ganze gut läuft oder nicht. Vielleicht ist das Projekt auch zu groß geworden, und Jorge überschaut es nicht mehr. Aber es ist müßig, zu spekulieren. Vielleicht gehört die hiesige Station ja auch gar nicht zu Jorges Projekt, sondern wird von einem anderen Träger unterhalten«, wendet Roberto ein.

      Sie gehört dazu, das sieht Rosa-Li schon von Weitem an dem Schild über der Tür des rosa gestrichenen Hauses. Futuro Feliz – eindeutig Jorges Verein. Die deutschen Farben leuchten ihr ebenfalls entgegen, damit auch jeder weiß, dass Berlin hier beim Verhüten hilft. Offensichtlich hat sich die Nichtregierungsorganisation, von der Jorge früher Geld bekam, aus dem Geschäft zurückgezogen und dem deutschen Staat das Feld überlassen.

      Auch wenn die Station der Schwester im Hospital zufolge einen schlechten Ruf hat - vor der Rezeption im Erdgeschoss stehen dennoch viele Frauen Schlange. Kunststück, den Futuro Feliz arbeitet kostenlos. Rosa-Li bleibt am Eingang stehen, während Roberto an der Rezeption nach Elena Cruz fragt. Bei ihm nimmt wohl keine der Frauen an, dass er sich vordrängeln will.

      Auch im Innern sind die Wände rosa getüncht und beißen sich mit dem dunkelroten Steinfußboden. Der vielarmige Messingleuchter mit den Tulpenschalen ist an Kitsch kaum zu überbieten. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Zumindest wirkt alles sehr sauber und gepflegt. Wahrscheinlich fließt genug Geld aus dem Ausland, um die Station in Schuss zu halten.

      Der verwaschenen Kleidung nach zu urteilen, kommen die rund zwanzig vor dem Empfang wartenden Frauen alle aus ärmlichen Verhältnissen, und etliche haben indianische Züge. Einen privaten Arztbesuch oder ein Krankenhaus kann sich bestimmt keine von ihnen leisten, da bleibt ihnen nur Futuro Feliz, wenn sie keine Kinder mehr wollen. Diese Frauen bieten sich förmlich an, wenn jemand irgendwelche Schweinereien vorhat, geht es Rosa-Li durch den Kopf. Sie leben in der tiefsten Provinz, fernab aller Menschenrechtsgruppen, haben kein Geld für einen Anwalt und sind obendrein nicht gebildet genug, um sich über Behandlungs- oder Verhütungsmethoden und Medikamente im Internet zu informieren. Und Journalisten kritischer Medien kommen auch nur selten in Satipo vorbei. Hier ist der Arzt noch uneingeschränkt der Herrgott in Weiß.

      Sie haben Glück, Elena ist im Hause. Während sie auf sie warten, werden sie von den Frauen neugierig beäugt. Nur selten verirrt sich eine Europäerin hierher, und erst recht nicht in Begleitung eines attraktiven männlichen Wesens.

      Nach ein paar Minuten kommt über die Holztreppe rechts vom Empfang eine kleine, sehr schlanke junge Frau in weißem Kittel auf sie zu. Sie hat das schwarze Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, und ihre Augen lassen auf chinesische oder japanische Vorfahren schließen. Sie schaut sie fragend an. »Sie wollen zu mir?«, will sie wissen.

      Roberto nickt. »Ich bin Roberto Pavón, meine Freundin Rosa-Li Sauer.« Er deutet auf Rosa-Li. »Wir sind Journalisten. Die Mutter von Henry Salinas hat uns Ihren Namen genannt. Wir würden gern...«

      Rosa-Li sieht, wie Elena Cruz der Schreck in die Glieder fährt. Sie schaut sich ängstlich um, als fürchtete sie, jemand könnte ihr zuhören. Dabei greift sie nach Robertos Arm und unterbricht ihn. »Nicht hier. Warten Sie um achtzehn Uhr in der Cafeteria gegenüber der Landwirtschaftskooperative auf mich«, raunt sie ihm zu. Dann macht sie auf dem Absatz kehrt und rennt wieder über die Treppe, über die sie gekommen war, in den ersten Stock hinauf.

      Die Cafeteria hat noch weniger Charme als ein Wartesaal. Der graue Betonfußboden ist fleckig, an den grob verputzten Wänden kleben verblichene Poster von Musik- und Sportveranstaltungen, die Jahre zurückliegen. Zwei große Ventilatoren mühen sich lautstark, aber vergeblich, der Hitze Herr zu werden, die die Sonne durch das Wellblechdach schickt. Rosa-Li und Roberto nehmen an einem der runden Resopaltische Platz, deren einstmals schwarz lackierte Beine langsam vom Rost zerfressen werden. Der feuchtheißen Luft hält nichts lange stand. Hinter der Gefriertheke, die neben Limonade und Bier vor allem grellbunte Yoghurtbecher beherbergt, kommt eine korpulente Frau mittleren Alters hervor, die sich auf der Haupteinkaufsstraße von Satipo eingekleidet hat, daran lassen rosa Nylonrüschenblüschen, zu enge schwarze Röhrenjeans aus glänzendem Polyester und rosa Plastikpumps keine Zweifel. Rosa scheint die Lieblingsfarbe in diesem Ort zu sein. »Zu Besuch hier?«, fragt sie.

      Roberto nickt und bestellt zwei Kola. Die Wirtin klackert auf ihren Pfennigabsätzen davon und hinterlässt eine Wolke billigen Parfums. Bestimmt ist der Flakon auch rosa, schießt es Rosa-Li durch den Kopf. Sie hasst die Farbe.

      »Haben Sie Bekannte in Satipo?«, will die Frau wissen, als sie mit zwei Kolaflaschen nebst Strohhalmen zurückkommt. Rosa-Li schüttelt den Kopf. »Wir sind Journalisten und machen eine Reportage über Familienplanung in Peru. Wir haben gehört, dass die Station hier vorbildlich arbeiten soll«, blufft sie.

      »Na, ich fürchte, da sind Sie schlecht informiert.« Die Wirtin schaut sie verächtlich an.

      »Bestimmt hören Sie so manches hier in der Cafeteria. Was halten Sie davon, wenn wir Sie zu einer Kola einladen, Sie setzen sich zu uns und erzählen uns, was Sie wissen«, schlägt Roberto vor.

      Das lässt sich die Wirtin nicht zweimal sagen, und als Rosa-Li auch noch ihren Notizblock aus der Tasche kramt, ist ihr anzusehen, wie wichtig sie sich fühlt. »Also, meine Nachbarin, die wollte ihr zweites Kind schon nicht mehr, weil sie arbeiten muss. Ihr Mann bringt das Geld nämlich in der Kneipe durch. Und ihre Mutter wird langsam zu alt, um Kinder zu hüten. Ein drittes ginge erst recht über ihre Kräfte. Dann ist sie in die Station, und da hat man ihr die Pille gegeben.« Die Wirtin hält inne und schaut die beiden erwartungsvoll an.

      »Aber sie wurde trotzdem schwanger?«, fragt Rosa-Li auf gut Glück.

      Die Frau nickt so heftig, dass ihre dauergewellten Löckchen hüpfen. »Genau. Schon nach einem Monat. Und da war dann guter Rat teuer. Die auf der Station haben sich natürlich nichts davon angenommen. Sie sei selbst schuld, haben sie gesagt, sie habe bestimmt vergessen, die Pillen einzunehmen. Doch meine Nachbarin schwört, dass sie jeden Abend eine geschluckt hat. Und blöd ist die nicht, das kann ich Ihnen sagen. Sie ist fest davon überzeugt, dass mit den Pillen etwas nicht stimmte.«

      »Was soll denn nicht gestimmt haben damit?«, hakt Rosa-Li nach.

      »Na, dass man ihr Zucker gegeben hat oder so.«

      »Und was hat Ihre Nachbarin dann gemacht?«.

      »Wegmachen lassen hat sie sich das Balg.«

      »Ist das nicht verboten in Peru?«, wendet Rosa-Li ein.

      »Das schon, aber einer der Ärzte

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