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nicht. Aber Feinde hatte sie genug. Das gesamte Kabinett hat sie ebenso gehasst wie die übrige Prominenz dieses Landes. Ihr Job war es schließlich, schwarze Flecken auf weißen Westen zu entdecken und sie dann der Öffentlichkeit zu präsentieren. Selbst der Präsident war stocksauer auf sie. Sein uneheliches Kind war eines ihrer Lieblingsthemen.«

      »Woran arbeitete sie denn zuletzt?«.

      »An irgendeiner Korruptionsgeschichte. Doch sie hat mir so gut wie nichts darüber erzählt. Angeblich hat wieder mal ein Kabinettsmitglied irgendwo abgesahnt, das Übliche eben. Ich weiß nur, dass sie sich heute Morgen mit einem Informanten vor dem Hotel verabredet hat. Er wollte ihr irgendwelche Papiere geben. Aber was? Keine Ahnung.« Wieder zuckt er mit den Schultern.

      »Und wer es war, hat sie dir auch nicht verraten?«.

      Wieder nur Kopfschütteln. »Bevor ich zum Frühstück ging, hat sie mir nur gesagt, dass sie etwas später zu uns stoßen würde, weil sie dieses Treffen habe, aber es dauere nur ein paar Minuten.«

      »Der Informant war womöglich ihr Mörder. Doch er wird im wahrsten Sinne des Wortes über alle Berge sein, denn es hat bestimmt niemand den Zufahrtsweg abgesperrt. Wenn der Mörder den ersten Bus ins Tal genommen hat, ist er längst untergetaucht. Womöglich ist er auch zu Fuß runter, da entdeckt ihn erst recht niemand.«

      Jorge kippt bereits seinen dritten Cognac, als Roberto sich zu ihnen gesellt. Die Polizei sei gerade eingetroffen, berichtet er. »Du wirst mit ihnen reden müssen, Jorge. Schließlich war Alejandra in deiner Begleitung hier oben.«

      Doch Jorge schlägt vor, den nächsten Bus zu nehmen und sang- und klanglos zu verschwinden. Er fürchtet, die Angelegenheit könnte an die Presse gelangen. »Dann kann ich meinen Job an den Nagel hängen. Ich habe gerade in Deutschland neue Gelder für mein Projekt beantragt. Wenn ich mit einem Mord in Zusammenhang gebracht werde, bekomme ich die nie. Das wäre das Aus. Ich müsste Dutzende von Leuten im ganzen Land entlassen. Und meine Ehe kann ich auch vergessen, wenn Laura erfährt, dass ich mit Alejandra hier oben war.«

      Rosa-Li und Roberto schauen sich erstaunt an. Roberto runzelt die Stirn, doch er sagt nichts.

      »Aber vielleicht könntest du dazu beitragen, den Mörder zu finden«, wendet Rosa-Li ein.

      »Ich habe dir doch schon gesagt, was ich weiß. Gar nichts. Sie ist tot, und das tut niemandem mehr leid als mir, das kannst du mir glauben. Ich mochte sie sehr. Doch was hilft es ihr, wenn ich jetzt auch noch in Teufels Küche komme? Inzwischen sind bestimmt mehrere Hundert Touristen hier oben, die Polizei wird gar nichts herausfinden. Und glaubt ihr, in diesem Kaff wissen sie, wie man einen Mordfall untersucht? Die werden ziellos ein bisschen herumstochern, und das war es dann.« Seine Stimme klingt ungehalten. »Und dass ich es nicht war, der ihr die Tüte über den Kopf gestülpt hat, könnt ihr schließlich bezeugen. Oder glaubt ihr, ich habe sie vor dem Frühstück dort auf die Terrasse geschleppt?«.

      »Nein, Jorge, theoretisch wäre das zwar möglich, aber sie war noch warm, als ich sie angefasst habe. Sie lag noch nicht lange dort, das hat mir auch der Arzt bestätigt«, erwidert Roberto.

      »Worauf warten wir dann noch? Lasst uns den nächsten Bus nehmen«, drängt Jorge.

      »Gut, aber wir müssen noch packen«, erwidert Rosa-Li.

      Jorge hat seinen Rucksack bereits vor dem Frühstück an der Rezeption abgegeben, er will auf der Plattform vor dem Hotel, auf der die Busse ankommen, auf die beiden warten.

      »Du kennst diesen Jorge doch nun schon eine Weile. Findest du sein Verhalten nicht auch seltsam? Da wird seine Geliebte ins Jenseits befördert, und er will sich nicht einmal mit der Polizei unterhalten«, meint Roberto, als sie allein sind.

      »Stimmt, das ist ganz schön merkwürdig. Und findest du es nicht auch seltsam, dass Polizei und Sicherheitsdienst nicht längst alles abgesperrt und die Menschen vernommen haben?«. Noch gut erinnert sie sich an die Zeiten, als der Leuchtende Pfad das Land terrorisierte, da glich ganz Peru einer Festung, es wimmelte überall von Polizisten und Soldaten. Inzwischen fühlt man sich offenbar wieder sicher, und die Wachsamkeit hat nachgelassen.

      Roberto nickt. »Wahrscheinlich halten sie sich zurück, weil sie die Touristen nicht verängstigen wollen.«

      Wenn Rosa-Li es recht bedenkt, liegt Jorge wohl gar nicht so falsch: Was sollen die paar Polizisten aus Aguas Calientes schon ausrichten? Sie müssten Hunderte von Menschen vernehmen und zudem überall gleichzeitig sein, an der Straße nach Ollantaytambo, am Bahnhof, am Hubschrauberlandeplatz. Damit sind sie zweifellos überfordert. Der Mörder hatte Zeit genug, um zu entkommen. Selbst zu Fuß wäre er in einer halben Stunde in Aguas Calientes gewesen.

      »Sag mal, warum hat Jorge schon heute Morgen gepackt?«. Rosa-Li schaut von ihrem Koffer auf.

      »Gute Frage. Wenn ich bösartig wäre, würde ich sagen, weil er nicht wollte, dass seine Sachen in Alejandras Zimmer gefunden werden. Dabei fällt mir ein: Auch wenn die Polizei langsam ist – irgendwann wird sie ins Hotel kommen, um nachzufragen, ob Alejandra hier gewohnt hat, und dann werden sie feststellen, dass Jorge und sie ein Zimmer geteilt haben. Dann wird er nicht mehr darum herumkommen, eine Aussage zu machen.«

      »Es sei denn, das Zimmer läuft nur auf ihren Namen«, gibt Rosa-Li zu bedenken.

      »Und sie hat ihn nicht angemeldet. Ich werde gleich an der Rezeption nachfragen.«

      »Gute Idee. Irgendwann werden sie auch im Hotel das Personal befragen und nach Fingerabdrücken suchen. Und sie werden die von Jorge finden...«, antwortet Rosa-Li.

      »Das stimmt zwar, doch wenn er noch nie straffällig geworden ist, wird es eine Weile dauern, bis sie sie zuordnen können. Im Übrigen habe ich in ihrem Zimmer eine Visitenkarte gefunden, die ich eingesteckt habe. Sie gehört einem Henry Salinas aus Lima. Den sollten wir mal aufsuchen, wenn wir in der Hauptstadt sind.«

      Rosa-Li schüttelt den Kopf. »Das ist Beweismaterial, mein Lieber, und das entwendest du so einfach?«.

      Er lacht. »So was würde ich doch nie tun, Rosita. Ich recherchiere, das ist alles. Und sorge dafür, dass wir die Geschichte auch wirklich exklusiv haben.«

      »Und du hast natürlich auch daran gedacht, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen?«.

      »Klar, meine Süße! Was denkst du denn? Ich habe erstens nicht viel angefasst und zweitens ein Papiertaschentuch benutzt.«

      »Und wie bist du an den Zimmerschlüssel gekommen?«.

      Er schaut sie unschuldig an. »Bei dem ganzen Trubel war gerade niemand an der Rezeption. Und da fand ich ihn ganz zufällig.«

      »Und als du ihn zurückgebracht hast, hat dich auch niemand gesehen?«.

      »Du wirst lachen: Ich habe ihn einfach steckenlassen«, erwidert er.

      Ächzend hebt sie ihren Koffer vom Bett und legt ihm dann die Arme um den Hals. »Ich dachte, wir wollten ein paar Tage Urlaub in Peru machen, ins Museum gehen, entspannen, ein bisschen quatschen.«

      Er küsst sie. »Würde Jorge nicht auf uns warten, würde ich dich zur Entspannung auf der Stelle verführen.«

      »Und du denkst, das schaffst du?«.

      »Ich bin da sehr zuversichtlich.«

      Sie verdreht die Augen. »Und ich hatte gehofft, du hättest in den letzten drei Monaten zumindest ein bisschen von deiner Arroganz abgelegt.«

      »Ich dachte, du liebst mich so wie ich bin. So, und nun komm, wir müssen los, sonst haut dein Freund Jorge noch ohne uns ab. Und ich würde ihm zu gern noch ein bisschen auf den Zahn fühlen. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwas ist bei dem faul.«

      »Wenn diese Alejandra tatsächlich einer großen Korruptionsgeschichte auf der Spur war – vielleicht ist da ja auch für mich eine gute Story drin.«

      »Was glaubst du, woran ich, selbstlos wie ich bin, die ganze Zeit denke?«.

      Kapitel 2

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