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Jarick nach der Salbendose und öffnete den Deckel. „Je länger Ihr wartet, desto weniger Wirkung wird die Salbe morgen zeigen.“

      „Was haben Sie vor?“, fragte Nela. Es war eindeutig, was er beabsichtigte.

      „Da Ihr Euch nicht selbst die Salbe auftragen wollt, werde ich es tun“, teilte Jarick ihr streng mit.

      „Nein“, widersprach sie ihm vehement mit einem energischen Kopfschütteln.

      „Oh doch“, beharrte der Wikinger. Wie kam sie nur aus dieser unangenehmen Situation wieder heraus? „Nela, ich sehe nicht das erste Mal die Schenkel einer Frau“, sagte er einfühlsam.

      „Aber meine“, antwortete sie ihm peinlich berührt. „Ich werde es tun.“ Entschlossen griff sie nach der Salbe, dabei berührten sich kurz ihre Hände. Mit Schwung löste er sich aus der Hocke und drehte sich höflich einige Schritte entfernt um. Hastig verteilte Nela die Salbe auf die Wunden, zugleich verzog sie ein schmerzerfülltes Gesicht.

      „Danke.“ Sie hielt ihm die Schatulle mit der Heilsalbe hin.

      „Ihr könnt sie behalten. Ihr werdet sie noch brauchen“, lehnte er die Rückgabe ab, als er sich zu ihr setzte. Schweigend schauten beide in das Lagerfeuer.

      „Verzeiht, wenn ich Euch zu nah getreten bin. Das war nicht meine Absicht“, entschuldigte Jarick sich für sein aufdringliches Verhalten.

      „Ist schon vergessen. Sie wollten nur helfen“, erwiderte Nela zaghaft. Wieder wurde es still, denn keiner von beiden wusste, was er sagen sollte. Angespannt schaute Nela zu ihrem schlafenden Schutzengel.

      „Ihr solltet Euch auch schlafen legen. Es wird morgen sehr anstrengend“, riet Jarick.

      „Was ist mit Ihnen?“

      Ein Lächeln umspielte seinen Mund. „Macht Euch um mich keine Sorgen. Ich brauche nicht viel Schlaf.“

      Umständlich stand Nela auf, um zum Schlafplatz zu gehen. Ermattet legte sie sich unter den Baldachin neben Tristan, augenblicklich übermannte sie der Schlaf.

      Stimmen, Metallgeklapper und Hufscharren weckten Nela. Blitzschnell richtete sie sich auf, obwohl ihr Körper schmerzte. Ihr Blick blieb an Tristan und Jarick haften, die sich mit Schwertern bewaffnet gegenüber standen. Tristan lachte.

      „Du musst deinen Arm höher halten“, erklärte Jarick. Parallel zum Boden hielt Tristan mit beiden Händen das Schwert am Heft fest. Sachte korrigierte Jarick mit der flachen Seite seines Schwertes Tristans Armhaltung. Gut gelaunt beobachteten Bado und Till die Kämpfenden, währenddessen sie hin und wieder Kommentare abgaben.

      Nela schnappte sich ihre Tasche, um ihre Hose herauszuholen, bevor sie sich zu Runa ans Lagerfeuer begab. Frühzeitig bemerkte die Elfe sie und schenkte ihr ein heiteres Lächeln, während Nela sich einen Apfel aus der Vorratstasche nahm, in den sie hungrig hineinbiss.

      „Tristan ist gut. Es ist ein Jammer, dass er nicht von Kindesbeinen an die Kunst des Schwertkampfes erlernt hat. Er wäre ein hervorragender Schwertkämpfer“, sagte Runa mit Blick auf die beiden Übenden. Sanft strich sie mit der Hand über ihren Bogen. „Ich habe den Bogen selbst gefertigt. Jede Bogenschützin stellt ihren Bogen selbst her, wenn das Ende des Lernens gekommen ist.“

      Kurz warf Nela einen Blick auf den Bogen. Das helle, gebogene Stück Holz mit einer dünnen Grifffläche in der Mitte zeigte kaum Verzierungen.

      „Wollt Ihr es einmal versuchen?“ Begeistert über ihren Vorschlag sprang Runa auf, um Nela die Hand zum Aufstehen zu reichen. Zögernd nahm Nela sie und ließ sich vom Boden hochziehen. Die Elfenkriegerin griff nach dem Köcher und dem Bogen. Suchend nach einem guten Ziel, blickte Runa sich um, und fand es in einer großen Buche. Geduldig zeigte sie Nela die Stellen zum Festhalten und Spannen des Bogens.

      „Spannt den Bogen“, befahl Runa, und Nela agierte. Die Walküre zog mit der rechten Hand an der Sehne, die sich nach hinten dehnte, somit stand der Bogen unter Spannung.

      „Das ist doch schon ganz gut“, lobte Runa sie, während sie ihr einen Pfeil reichte.

      „Das Ende des Pfeils haltet Ihr zwischen dem Zeige- und Mittelfinger fest. Der Pfeil liegt parallel zu Eurem Arm“, erklärte Runa, während sie den Pfeil positionierte. „Hebt den Bogen höher, damit Ihr Euer Ziel anvisieren könnt. Ihr müsst eins mit dem Pfeil und dem Bogen werden. Euer angewinkelter und gestreckter Arm müssen zu einer Einheit verschmelzen. Sie führt den Pfeil zum Ziel. Achtet auf die richtige Höhe.“ Nela folgte den Anweisungen, die Runa ihr gab und visierte das Ziel an. „Spannt den Bogen, soweit Ihr könnt.“ Ihre Muskeln zitterten leicht von der ungewohnten Anstrengung. Leise, kaum hörbar flüsterte Runa ihr ins Ohr: „Lasst los!“ Der Pfeil zischte los und traf zu Nelas Verwunderung sein Ziel.

      „Ich wusste, dass Ihr ein Talent dafür habt“, lobte Runa sie begeistert.

      „Das war nur Anfängerglück.“

      „Probiert es gleich noch einmal“, forderte Runa sie sofort auf und hielt ihr den nächsten Pfeil hin. Diesmal war Nela auf sich alleine gestellt. Konzentriert suchte sie das Ziel, spannte den Bogen und ließ los. Wieder steckte der Pfeil im Stamm, allerdings weiter unten.

      „Ihr werdet eine hervorragende Bogenschützin“, platzte es aus Runa freudig heraus. Nela schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln, aber sie wusste nicht so recht, was sie von dem Ganzen halten sollte.

      Jetzt bemerkte Nela erst, dass die Männer ihre Beschäftigung unterbrachen und beeindruckt den beiden Frauen beim Bogenschießen zuschauten. Während Runa zu dem Baum ging, um die zwei Pfeile aus dem Stamm herauszuziehen, verharrte Nela an ihrem Platz.

      „Sofort aufbrechen!“, stieß Jarick plötzlich alarmiert aus. In Windeseile bauten sie das Lager ab.

      „Warum plötzlich die Eile?“, fragte Tristan besorgt, als er auf seinen Fuchs stieg.

      „Verfolger sind in der Nähe“, gab Jarick ihm zur Antwort.

      Ungewollt keimte wieder Panik in Nela auf. Schleunigst stieg sie auf ihre Stute. Fahrig suchte sie mit dem rechten Fuß nach dem Steigbügel, während sie sich hektisch umsah, aber konnte nirgends jemanden entdecken.

      „Wir müssen hier weg“, drängte Jarick und eilte zu Samru.

      Der Störenfried

      Gelassen wartete Jarick auf die Ankunft des Verfolgers, dessen Aura er nun zweifelsfrei zuordnen konnte, während Samru ungeduldig auf der Stelle tänzelte. Versteckt hinter Büschen hatte er eine gute Sicht über die Grasfläche, wo jeden Moment Fido Tanner auftauchen musste. Dieser Nichtsnutz konnte durch seine Beharrlichkeit, Jarick wiederzufinden, die Birger direkt auf ihre Fährte bringen.

      Endlich kam der Drauger in Sichtweite. Er hetzte sein Pferd über die Wiese. Schützend hatte er die Kapuze seines dunklen Umhangs über seinen Kopf gezogen, da die Mittagssonne dem Drauger zusetzte. Natürlich wollte er schnell in den Schatten des Waldes gelangen, der unmittelbar hinter Jaricks Versteck begann.

      Jarick blinzelte durch die wenigen Äste eines Baumes in die Sonne. Eigentlich sollte auch sie ihn schwächen und starke Kopfschmerzen hervorrufen oder gar Verbrennungen auf seiner Haut entstehen lassen, wenn er sich ihr zu lange aussetzte, aber sie tat es nicht. Wann immer er wollte, konnte er die warmen Strahlen genießen.

      Als Fido auf seiner Höhe ankam, hatte Jarick sich ihm schon mit Samru in den Weg gestellt. Panisch und gehetzt hob der braune Hengst seinen Kopf, während Fido an den Zügeln riss. Im allerletzten Moment konnte er sein Pferd stoppen.

      „Warum verfolgt Ihr mich?“, fragte Jarick mit einer kühlen, machtvollen Stimme. Fido kämpfte mit seinem Pferd.

      „Ohne ein Wort seid Ihr verschwunden!“, erwiderte Fido vorwurfsvoll.

      „Ich bin nicht dazu verpflichtet, Euch über meine Pläne in Kenntnis zu setzen“, fauchte Jarick.

       „Freunde benachrichtigen den anderen, wenn sie sich auf ein Abenteuer

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