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versprach Runa.

      Dankbar nickte Tristan. „Lebt Johanna noch?“, fragte er besorgt.

      „Ja. Soweit ich weiß, konnte sie fliehen“, antwortete Till dem Walkür. „Bestimmt feilen sie und ihr Sohn Eduard bereits an einem Plan, um das alte Landhaus zurückzubekommen.“ Jarick wusste, dass sein Freund sich gerne und oft in Midgard aufhielt. Natürlich hatte er dort auch Freunde gewonnen.

      „Morgen brechen wir auf. Bis dahin sollten wir uns alle ausruhen“, bestimmte Jarick. „Im ersten Stock findet Ihr Schlafmöglichkeiten.“ Zustimmend nickten Bado und Runa, anschließend begaben sie sich mit den anderen beiden nach oben.

      Während Till aus dem Keller Lebenssaft heraufholte, entzündete Jarick ein Feuer im Kamin. Mit seinen Zähnen zog Till den Korken aus der Flasche und schenkte etwas von dem gewürzten Inhalt in zwei aus Holz gefertigte Becher ein. Langsam kam er zum Kamin, reichte Jarick einen Becher, danach setzte er sich in einen der beiden Ledersessel.

       Durstig nahm Jarick einen Schluck, nachdem er sich auf seinen Platz niedergelassen hatte. „Du kennst Tristan und Nela?“

      „Nur Tristan. Ich wusste gar nicht, dass sie Nela heißt“, antwortete Till gedankenvoll.

      „Sie muss viel durchgemacht haben.“ Nachdenklich starrte Jarick auf seinen Becher.

      „Sie wird noch mehr durchmachen. Ihr Martyrium ist noch nicht zu Ende“, fügte Till wissend hinzu.

      „Die Birger geben nicht so schnell auf.“

      „Sie ist eine Unwissende, Jarick! Sie weiß weder, was es bedeutet, eine Walküre zu sein, noch was wir sind“, bemerkte Till eindringlich.

      „Tristan wird es ihr erzählt haben“, war Jarick sich sicher.

      „Aber glaubt sie es auch? Ich bezweifle es“, gab Till zu bedenken. „Er kann ihr noch nicht alles erzählt haben. Dazu war die Zeit zu kurz.“

      Jarick erinnerte sich daran, dass Nela es verneinte, eine Walküre zu sein. „Woher kennst du Tristan?“, hakte er neugierig nach.

      „Aus der Ordensbibliothek. Wir sind befreundet. Ich mag die Paladins.“

      Auf Jaricks Gesicht erschien ein Lächeln. „Tristan ist ein Paladin? Ich hatte solch eine Vermutung.“

      „Er verschwieg seinen Nachnamen“, stutzte Till.

      „Ja. Und Nela?“, fragte Jarick gedankenvoll. „Zu welcher Familie gehört sie?“ Sein Freund zuckte ahnungslos mit den Schultern, aber seinem Gesichtsausdruck konnte er ansehen, dass er eine Vermutung hatte, aber sie nicht äußern wollte. Stattdessen nahm er einen tiefen Atemzug und lehnte sich nach vorne. Seine Stimme klang sehr ernst. „Hast du dich gar nicht darüber gewundert, dass Tristan sie vor mir beschützt hat?“

      „Etwas“, gab Jarick zu.

      „Tristan ist nicht Nelas offizieller Wächter. Unwissende werden vernachlässigt. Aber Tristan ist ihr Schicksalswächter. Es ist schon eine Weile her, als er mit mir darüber gesprochen hat. Allerdings nannte er mir keinen Namen, nur dass sie existiert und eine Unwissende sei. Tristan wurde nicht zu einem Wächter erzogen und ausgebildet. Der Orden Elhaz in Midgard unterscheidet sich inzwischen in vielen Dingen zu dem hiesigen Orden.“ Till machte eine Gedankenpause. „Tristan durfte sie weder retten noch in ihrer Nähe sein. Unwissende bleiben Unwissende. Wenn sie entdeckt werden, werden sie einfach ihrem Schicksal überlassen.“

      „Was?“, entfuhr es Jarick aufgebracht und erhob sich von seinem Ledersessel. Fassungslos schaute er zu seinem Freund. „Die Unwissenden erhalten noch nicht einmal eine Warnung? Der Orden beschützt doch seine Mitglieder!“

      Till lehnte sich zurück. „Dort hat sich einiges geändert. Einige Familien lassen ihre Kinder unwissend aufwachsen und weihen sie dann im Alter ein. Bis zu dem Zeitpunkt gelten sie nicht als Ordensmitglieder. Tristan wird eine Strafe bekommen, wenn der Orden seinen Ungehorsam herausfindet, ferner werden sie Nela ungeschützt ihrem Schicksal überlassen.“

      Sogleich stieß Jarick einen empörten Laut aus, dabei schüttelte er seinen Kopf. „Dann ist sie tot.“

      „Der jetzige Großprior des Ordens in Midgard heißt Ansgar Ferdinand.“

      „Ferdinand!?“, stieß Jarick verwundert aus.

      Abwägend schaute Till ihn an. Schließlich räusperte er sich. „Die Birger haben hauptsächlich eine Familie angegriffen. Es heißt, die Familie Vanadis sei ausgelöscht.“

      Schockiert ließ Jarick sich in seinen Sessel fallen. „Das wird Freya das Herz brechen, und sie wird Rache nehmen.“ Schweigen breitete sich zwischen den beiden aus. Jarick überlegte, warum die Familie Vanadis in die Unwissenheit gegangen war. Das ergab keinen Sinn.

      „Ich dachte, du wolltest deine Auszeit in vollen Zügen genießen und nicht den persönlichen Leibgardist von einer Walküre und ihrem Wächter mimen“, stichelte Till mit hochgezogenen Augenbrauen.

      „Was hättest du an meiner Stelle getan?“, fragte Jarick herausfordernd. „Sie einfach ihrem Schicksal überlassen?“

      Auf Tills Gesicht erschien ein Schmunzeln, dann schaute er nachdenklich ins lodernde Feuer. „Nein. Ich hätte dasselbe getan.“ Die Männer sahen sich respektvoll an.

      „Ich bringe sie nach Folkwang“, entschied Jarick abwesend, als er Holz auf das Feuer legte.

      „Pass auf, dass dich keiner sieht, sonst ist deine Auszeit passé“, gab Till zu bedenken. Jarick nahm den letzten Schluck aus seinem Trinkbecher. Tatsächlich riskierte er für die beiden seine hart erkämpfte Anonymität als den ehemaligen Gardist Jarick aus Vegard. Gedankenvoll starrte er in das Feuer. Schnell stand seine Entscheidung fest.

      „Ich schaue mich draußen um.“ Till verschwand durch die Haustür. Nachdenklich stellte Jarick seinen Becher auf den Tisch, drehte sich zur Treppe und ging langsam die einzelnen Stufen hinauf. Aus einem Gästezimmer drang das Schnarchen des Berserkers. Vor Nelas Zimmer verharrte er kurz, um dem stetigen Ein- und Ausatmen zu lauschen, bevor er sich in sein Schlafgemach begab.

      Der Schwertkämpfer und die Bogenschützin

      Enttäuscht wachte Nela in einer fremden Umgebung auf. So sehr hoffte sie, dass alles nur ein böser Traum gewesen war. Doch sie wurde herb enttäuscht, als sie ihre Augen aufschlug. Der Albtraum war Realität. Mutlos warf Nela die Felldecke beiseite, anschließend schwang sie ihre Beine aus dem Bett. Auf dem Fußboden lag ihr Schicksalswächter, der noch tief und fest schlief. Still schlich sie aus der kleinen, aber gemütlichen Schlafkammer.

      Langsam ging sie die Treppe hinunter und blickte sich neugierig um. Sie befand sich alleine in dem großen Raum, der aus dem Eingangsbereich, der Küche und dem Wohnzimmer bestand. Vor dem Kamin, in dem nur noch schwach Glut glomm, standen zwei robuste Ledersessel. Rechts daneben war ein langer Holztisch mit zwei dazu passenden Bänken. Dunkel erinnerte sich Nela daran, dass sie sich gestern Nacht in diesem Raum aufgehalten hatte, bevor sie todmüde schlafen gegangen war. Vor ihren Füßen entdeckte sie einen hölzernen Trinkbecher. Kurzerhand bückte sie sich, hob das Trinkgefäß vom Boden auf und stellte es auf die Holzplatte zu dem anderen Becher sowie der Weinflasche. Rote Spritzer zierten den Dielenboden.

      Nela betrat den Küchenbereich, dabei stellte sie fasziniert fest, dass auch hier alles aus Holz gefertigt war: die Regale, Schränke und Arbeitsflächen. Sogar die Spüle war ein kleiner Zuber. Über der offenen Feuerstelle hing ein Topf, der an Eisenstangen befestigt war. Neugierig schaute sie in den Schornstein über der Kochstelle. Alsbald fiel ihr auf, dass hier noch nie gekocht worden war. Es gab weder Spuren von Feuer noch von irgendeiner Abnutzung. Vielleicht war es nur eine Attrappe. Nela öffnete einfach einen Schrank, um zu sehen, was sich dahinter verbarg. Leer. Sie entschied, nicht weiter so unhöflich zu sein, die Küche ihres Gastgebers zu durchstöbern.

      Kurz entschlossen trat Nela nach draußen und genoss die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. Ein idyllisches, kleines Dorf mit Wohnhäusern,

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