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auf seine wiederholenden Fragen aus.

      Desinteressiert ließ Jarick seinen Blick durch den Gastraum gleiten, der zu dieser Abendstunde noch nicht sehr belebt war. Umringt von drei leicht bekleideten Blotjas, stillte ein Drauger seinen Durst. Seine Fangzähne hatte er in den Hals einer hübschen Rothaarigen versenkt. An einem anderen Tisch saßen zwei weitere Drauger, die Karten spielten. Abwesend putzte der Wirt aus Langeweile seinen sauberen Tresen. Es war niemand da, der sich gerne mit Fido unterhalten würde. Gab es überhaupt jemanden in Asgard oder gar in den neun Welten, der Fidos Gegenwart genoss? Verzagt nahm Jarick einen Schluck seines Getränks, wohltuend lief der rote Saft seine Kehle hinunter. Ganz bestimmt spielte Jarick nicht Fidos Unterhalter, daher stand er auf und warf ein paar Münzen auf den Tisch. Keine unnötige Minute länger wollte er in der Gegenwart dieses Plagegeistes verbringen.

      „Ihr wollt schon gehen?“, fragte Fido gekränkt.

      „Ja.“ Schnellen Schrittes ging Jarick hinaus auf die Straße, um dem Mief des Blothuses und Fido zu entkommen. Tief atmete er die frische Luft in seine Lungen ein, gleichzeitig genoss er die anbrechende Nacht. Immer wieder wanderten seine Gedanken zu Tristan und Nela. Er mochte nicht nur den jungen Walkür, der noch viel zu lernen hatte, sondern auch die Walküre mit dem umwerfenden Lächeln, ihren langen hellbraunen Haaren und ihren traurigen, grünen Augen.

      Ziellos spazierte er durch die friedliche Kleinstadt. Die meisten Bewohner hatten sich schon zur Nachtruhe begeben. Nur gelegentlich begegnete Jarick Passanten, die wie er durch die einsamen Straßen spazierten oder eilig an ihr Ziel gelangen wollten. Wachsam hielt er nach einer Weile inne, da er sich beobachtet fühlte. Dem warnenden Gefühl folgend, richtete er all seine Sinne auf seine Umgebung. Tief sog er die Luft durch seine Nase, seine Augen sondierten die Gegend, und sein lysanischer Sinn verriet ihm, dass ein Drauger in der Nähe war. Sofort erkannte er die Aura des Verfolgers. Es handelte sich um Fido. Langsam folgte Jarick den Lauf der Straße, denn Fido sollte nicht wissen, dass er seine Gegenwart bemerkt hatte. Allmählich, aber unauffällig beschleunigte er seinen Schritt. Natürlich fiel Fido zurück, da er kein guter Verfolger war. Jeder seiner Spezies nahm ihn schnell wahr, konnte ihn aber auch wieder abschütteln. Definitiv gehörte das Verfolgen nicht zu Fidos Stärken. Seine Beharrlichkeit hingegen war nicht zu unterschätzen, da er nicht aufgab, bis er jemanden entdeckt hatte. Flink bog Jarick in eine Seitengasse ein und rannte los. Blitzschnell entfernte er sich etliche Straßen von Fido. Schließlich drosselte Jarick seine Geschwindigkeit und schlenderte an den unterschiedlichen Läden mit ihren Holzwappen, die an Eisengestelle über dem Gehweg ragten, vorbei. Das Wappen des Schneiders kam zum Vorschein, sofort stoppte Jarick in seiner Vorwärtsbewegung, um die aufgemalte Schere zu betrachten. Er dachte an Nela.

      Der abnehmende Mond schien hell auf das kleine Städtchen herab und spendete den Umherwandernden genügend Licht. Vereinzelt gab es Laternen, die ebenfalls die verwaisten Straßen beleuchteten. Doch Jarick benötigte weder die eine noch die andere Lichtquelle, um seine Umgebung auszumachen, denn er sah sie fast genauso gut wie am Tag. Seine Pupillen hatten sich geweitet, dennoch nahmen sie das spärliche Licht dankbar auf. Seine Füße trugen ihn zu der Schmiede, dort schaute er auf das Wappen mit dem Amboss, einem Hammer und einer Zange.

      Leise betrat er die große Scheune mit den Boxen, die von halbhohen Bretterwänden umrandet wurden. Lautlos ging er zu Samru, der friedlich in seinem Stallabteil stand. Gedankenvoll strich Jarick über die Stirn des Hengstes. Sein Blick wanderte zu den beiden Füchsen. Er musste endlich aufhören, an die beiden aus Midgard zu denken. Doch Fragen wirbelten in seinem Kopf. Warum waren sie hier? Flucht? Nur vor wem und weshalb?

      Jarick riss sich aus seinen Überlegungen heraus und verließ den Stall. Diesmal ging er ruhelos die Straße entlang. Er musste endlich den Wächter sowie die Walküre aus seinem Kopf bekommen, doch er konnte den Gedanken an die Zwei nicht abschütteln. Das Schicksal wollte ihm eine Botschaft zukommen lassen. Nur welche? Noch verstand er das Flüstern der Nornen nicht. Unweigerlich kam er zurück zur Taverne. Als er schon auf der anderen Straßenseite an ihr vorbeigeeilt war, hielt er inne und drehte sich bedächtig um.

      Im Schutz der Dunkelheit beobachtete er das Haus, hinter dessen massiven Steinwänden Nela und Tristan friedlich schliefen. Natürlich hatte er ein Ziel gehabt. Wie konnte es auch anders sein? Die ganze Zeit spukten Tristan und Nela in seinem Kopf herum. Zwangsläufig musste er hier ankommen, denn die Zwei waren ihm nicht gleichgültig. Nachdenklich lehnte er sich an die Hauswand. Ohne es zu wollen, hatte er die beiden Schicksalsreisenden freundschaftlich in sein Herz geschlossen. Jarick seufzte. Was erwartete das Schicksal von ihm?

      Dumpfe Fußschritte hallten auf dem Kopfsteinpflaster, umgehend richteten sich seine empfindlichen Sinne auf das Geräusch. Fido. Natürlich! Jarick drückte sich weiter in den Schatten der Hausecke, zugleich konzentrierte er sich darauf, seine lysanische Präsenz zu verstecken. Eine schützende Aura legte sich um seine ohnehin schon verhüllte Identität. Fido stoppte vor der Taverne, spähte durch das Fenster hinein, doch enttäuscht ließ er einen verärgerten Seufzer aus, als er seine gesuchte Person nicht entdeckte. Kurz schaute er sich um und stampfte dann weiter die Straße hinunter. Erleichtert ließ Jarick Luft aus seinen Lungen entweichen. Fido war wirklich eine Plage. Wer hatte diesen aufdringlichen, unangenehmen Zeitgenossen nur in einen Drauger verwandelt?

      Jarick löste sich aus seinem Versteck, aber auch nur sporadisch, da er im nächsten Moment vor einem Trupp Krieger in den Schutz der Dunkelheit zurückwich. Mit wachsamen Augen beobachtete er die Menschen. Nach ihrer Kleidung und ihren Waffen zu urteilen, stammten sie aus Midgard. Ein Späher schaute durch das Fenster in die Gaststube der Taverne und trat Augenblicke später mit einem Kopfschütteln zurück.

      „Dann werden sie schon oben in einem Zimmer sein“, überlegte der Anführer der Gruppe laut.

      „Worauf warten wir?“, wollte einer der Männer ungeduldig wissen.

      „Keine übereilten Handlungen! Wir sind in Asgard!“, blaffte der Anführer seinen Untergebenen harsch an. Natürlich hatte es sich wie ein Lauffeuer in Aikoloh herumgesprochen, dass zwei Midgardmenschen dem Städtchen einen Besuch abstatteten. Für die Birger war es nicht schwer gewesen, sie ausfindig zu machen, da die Bewohner gerne plauderten.

      Jaricks Vermutung war jetzt Gewissheit, Nela und Tristan befanden sich auf der Flucht. Die Nornen flüsterten ihm zu, die beiden so schnell wie möglich zu warnen und zu helfen.

      „Ihr bleibt hier, die anderen kommen mit mir“, wies der Anführer seine Krieger an.

      Ungesehen schlich Jarick im Schatten der Häuser weg, überquerte sehr flink die Straße und pirschte sich in die Seitengasse neben der Taverne. Mit einem geschulten Blick entdeckte er ein offenstehendes Fenster. Mühelos sprang er durch die Öffnung im ersten Stock und landete auf dem Flur. Poltern und Rufe kündigten die bewaffneten Männer in der Gaststube an. Jarick musste sich beeilen. Bisher setzten die Krieger aus Midgard ihre Waffen nicht ein, sondern verlangten lautstark Antworten von dem Wirt. Anscheinend sollte kein unnötiges Blut fließen.

      Ein Zusammenspiel seiner Sinne ermöglichte es Jarick, Tristan und Nela rasch ausfindig zu machen. Plötzlich hallten Schüsse durch das Haus, daraufhin liefen Leute ängstlich an ihm vorbei zur Treppe. Aus einem Gästezimmer trat ein kampfbereiter Berserker, der sich besonnen umsah. Achtungsvoll nickte Jarick dem flüchtig bekannten Krieger zu, bevor er ohne Zögern die nächste Tür aufriss und das Zimmer betrat.

      Schützend stand Tristan, der mit einer Midgardwaffe auf den Eindringling zielte, vor Nela. Jarick bewegte sich zu schnell für die Augen des Walkürs. Als er auf Tristan zueilte, zog er die Hand des Wächters fort, bevor er auf den Lysanen schießen konnte. „Ich bin ein Freund“, zischte Jarick eindringlich.

      Erschaudert starrte der Walkür ihn an. „Jarick?“, stieß er atemlos aus. Dicht hinter ihm stand Nela, zitternd am ganzen Körper. Die Walküre hatte Todesangst, aber dennoch ging von ihr eine Entschlossenheit und eine Zuversicht aus, diese Situation zu überleben. Sanft ergriff Jarick ihren Arm. Erschrocken zuckte sie bei der Berührung zusammen, aber stieß keinen Laut aus. In ihren Augen spiegelte sich neben der ganzen Angst auch Freude, ihn zu sehen.

      „Schnell, wir müssen hier weg“, drängte Jarick.

      „Zu spät“,

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