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ist ein uralter Eichenhain“, plauderte Tristan, während er ihr eine Wasserflasche reichte. Dankbar trank sie einen kräftigen Schluck.

      „Müssten wir nicht bald auf die Zivilisation treffen?“, fragte sie erschöpft, während sie ihm die Flasche zurückgab.

      „Ich hoffe, dass wir schnell eine Siedlung erreichen.“ Das Herumirren durch die Wildnis gefiel ihm auch nicht. Im Geäst raschelte es, und der Ruf eines Waldkauzes erklang. Erschrocken schaute Nela nach oben, dabei entdeckte sie den Vogel, der neugierig mit dem Kopf drehend auf sie hinabblickte.

      „Zwar kein ausgewogenes Abendessen, aber es stillt den Hunger.“ Nela schenkte ihm ein dankbares Lächeln, bevor sie in die Süßigkeit hineinbiss. Wie köstlich doch ein Schokoriegel schmecken konnte.

      Entschlossen rasch einen Weg aus der Wildnis zu finden, brachen sie auf und folgten dem Pfad durch die unberührte Natur. Mittlerweile mussten sie doch auf ein Haus treffen! Sie hielten sich in Norddeutschland und nicht in irgendwelchen unberührten Teilen der Erde auf, wohin sich kein Mensch verirrte. Deutschland ist dicht besiedelt. Wo befanden sich die Straßen und die Städte? Müde ließ Nela ihre Tasche auf den Boden gleiten. Sagte Tristan die Wahrheit? Waren sie wirklich in einer parallelen Dimension? In einer anderen Welt?

      „Wo sind wir?“, stieß Nela zermürbt aus.

      „Ich weiß es nicht“, erwiderte Tristan ahnungslos, anschließend schaute er sich bedrückt um. „Bisher habe ich unsere Welt noch nicht verlassen.“

      Fassungslos lachte Nela auf. Das war doch alles Irrsinn! Wo war sie nur hineingeraten? „Aber auch hier müssen doch irgendwo Menschen leben!“, entgegnete sie ironisch.

      „Ich kann deine Wut sehr gut verstehen, Nela“, entgegnete Tristan verständnisvoll. „Ich habe nicht geplant, uns in eine parallele Welt zu bringen. Es ist nun mal passiert, und wir müssen das Beste daraus machen.“

       „Wie kommen wir deiner Meinung nach wieder zurück?“

      „Wir müssen ein Ordenshaus mit einem Schicksalstor finden“, antwortete Tristan. Zweifelnd schüttelte sie den Kopf, ehe sie sich auf den Boden sinken ließ. Weiß Gott hatte Nela schon genug Sorgen, deshalb wollte sie sich nicht auch noch mit irgendeiner mythischen Parallelwelt auseinandersetzen, die in Tristans Kopf existierte.

      Wolken zogen auf, sogleich verdeckten sie die leuchtenden Sterne. Hin und wieder lugte der Vollmond hinter der Wolkendecke hervor und erhellte die Nacht. Doch es blieb dennoch zu dunkel, um ihren Weg fortzusetzen. Auf einer Lichtung bildeten sich Nebelschwaden. Außerdem war Nela so unglaublich müde, sodass sie ihre Lider kaum noch geöffnet halten konnte. Erschöpft rappelte sie sich auf, um in der näheren Umgebung mühsam Brennholz für ein Lagerfeuer zu sammeln. Tristan entzündete es mit einem Feuerzeug im Schutz einer mächtigen Eiche. Dankbar für die Wärme setzte Nela sich dicht davor. Der kleine Waldkauz, der sie seither begleitet hatte, landete auf einem Ast über ihr.

      Nelas Magen knurrte. Leider besaßen sie nichts Essbares mehr. Tristan reichte ihr die Wasserflasche, in der sich kaum noch Flüssigkeit befand. Gähnend platzierte sie ihre Tasche als Kopfkissen und legte sich vor das knisternde Lagerfeuer, während der Waldkauz sie unentwegt beobachtete.

      Plötzlich schrie ihr Schicksalswächter. „Wach auf!“ Panik schwang in seiner Stimme mit. Auch in Nela stieg Angst auf, als sie das Knurren der Wölfe wahrnahm. „Bloß keine hektischen Bewegungen machen“, ermahnte sie sich selbst, als sie mit der Hand nach einem brennenden Stock griff. Bedrohlich fletschten die Raubtiere ihre Zähne und waren jederzeit zu einem Angriff bereit. Wölfe! Ein ganzes Rudel! Die Raubtiere umzingelten sie. Furchtlos schwenkte Tristan die schützende Fackel in alle Richtungen.

      „Angreifende Wölfe!“ Ihre schrille Stimme überschlug sich vor Angst. In Norddeutschland! In was für einen Albtraum war sie nur gefangen? Schützend schwangen Tristan und Nela die brennenden Hölzer vor den Raubtieren hin und her. Die Augen der Wölfe beobachteten sie ganz genau, darauf wartend, dass sie einen Fehler begingen. Erschrocken bemerkte Nela über ihrem Kopf das aufgebrachte Flattern des Waldkauzes mit einem verächtlichen „U-wee“.

      „Oh Gott“, stieß sie aussichtslos aus. Die Wölfe sind doch scheue und friedvolle Tiere, die sich von den Menschen fernhalten. Weder sie noch Tristan sahen eine Möglichkeit, wie sie sich aus dieser gefährlichen Situation befreien konnten.

      Plötzlich veränderte sich das Verhalten der Wölfe, indem sie nicht länger lauernd ihre Beute umkreisten, sondern zum Angriff übergingen. Mit gebleckten Zähnen stürzte ein Wolf auf Nela zu. Instinktiv wollte sie fortlaufen, doch sie schlug dem Wolf den glühenden Knüppel an den Kopf. Jaulend zog er sich zurück, doch gleich darauf griff der nächste an. So schnell gab Nela sich nicht geschlagen. Auf keinen Fall wollte sie als Beute eines Wolfsrudels enden.

      Wie aus dem Nichts tauchte vor ihnen ein Reiter auf einem Rappen auf, der den angreifenden Wolf mit einem heftigen Schwerthieb tödlich verletzte. Erstarrt schaute Nela dem Fremden dabei zu, wie er mühelos gegen das Rudel kämpfte. Das Pferd bäumte sich auf und trat nach den Wölfen. Hastig zog Tristan Nela schützend zu sich, aber schwenkte immer noch seine Fackel abwehrend durch die Luft.

      Schnell schwang sich der Mann vom Rücken seines Pferdes und wehrte die Wölfe mit seinem Schwert todbringend ab. Schließlich gaben die letzten Wölfe des Rudels auf, dabei verschwanden sie winselnd in die Dunkelheit. Noch einen Augenblick schaute der Reiter ihnen hinterher.

      „Danke“, stieß Tristan atemlos aus, während er seine Fackel ins Feuer warf. Aufgewirbelte Funken schwebten in der Luft. Längst ließ Nela ihren brennenden Knüppel fallen.

      „Gern geschehen.“ Der Fremde drehte sich um. Ihre Blicke trafen sich flüchtig. Rasend schnell schlug ihr Herz. Erneut war Nela dem Tod entronnen. Was hatte diese Tiere nur so bösartig gemacht?

      Lässig fielen ihm seine langen dunkelblonden Haare über die Schultern, als er gekonnt sein Schwert zurück in die Scheide steckte. An seinem Waffengurt hingen noch ein Dolch und ein Trinkhorn. Bekleidet war er mit einer dunkelbraunen Hose sowie einem beigen Leinenhemd. Nur die Felle und ein Eisenhelm mit Hörnern fehlten, damit er wie ein richtiger Wikinger aussah. Dieser Wikinger rettete ihr und Tristan gerade das Leben. Träumte sie?

      „Ihr kommt aus Midgard“, stellte er entschieden fest.

      „Ja. Wo sind wir?“, nutzte Tristan die Gelegenheit.

      „In Asgard“, antwortete er knapp.

      Für Nela waren es nur weitere Begriffe, die sich zu den anderen rätselhaften Bezeichnungen reihten. Gehört hatte sie die Ausdrücke schon, allerdings wollten sich ihr die Zusammenhänge momentan nicht erschließen. Ihr Körper war ermattet, deshalb konnte sie nicht mehr denken. Wann würde dieser Albtraum endlich aufhören?

      „Das ist Nela und ich bin Tristan.“

      „Jarick aus Vegard. Ich nehme Euch bis zur nächsten Stadt mit.“

      Als die ersten Sonnenstrahlen den Horizont im Osten rot verfärbten, löschte Jarick das Feuer mit Erde. Dann pfiff er nach seinem Pferd, währenddessen Nela automatisch nach ihrer Wildledertasche griff. Krampfhaft verdrängte sie das Erlebte.

      Jarick führte seinen Rappen am Zügel und lotste sie zu einem schmalen Pfad, der sich durch den Eichenhain schlängelte. Humpelnd folgte Nela dem Waldweg mit den kleinen Zweigen und spitzen Steinen, die in ihre nackten Fußsohlen stachen. Augen zu und durch! Sie schaffte das! Es waren doch nur kleine Stiche.

      „Ist es sehr weit?“, fragte sie Jarick hoffend. Wem machte sie hier eigentlich etwas vor? Ewig würde sie die stechenden Schmerzen an ihren Füßen nicht ertragen. Doch für eine Weile konnte sie sich zusammenreißen. Sie musste nur ein Ziel vor Augen haben.

      Kurz hielt er inne, dabei betrachtete er sie nachdenklich, bevor er entschlossen auf sie zukam. Mit einem gekonnten Handgriff fasste er um ihre Hüften und hievte sie auf seinen Rappen, als ob sie nichts wöge. Der Hengst wieherte kurz und stampfte ungeduldig mit seinen Hufen auf, als Nela im Damensitz auf seinem Rücken saß.

      „Wieso tragt Ihr keine Schuhe?“, fragte er sie verständnislos.

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