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es kurz darauf klopfte, glaubte sie, Mathilda würde ihr einen Besuch abstatten. Unbewußt richtete sie sich auf, gewappnet für alles, was da kommen mochte. Doch es war ein feuerroter Kopf, der nach ihrem "Herein!" durch den Türspalt schaute.

      "Störe ich?", fragte Jenny, als sie eintrat. Inzwischen trug sie Leggings und ein weites loses T-Shirt mit buntem Aufdruck auf der Brust.

      "Aber nein. Ich habe gerade meine Tasche ausgepackt", sagte Laura. "Und vor einigen Minuten hat Matthias angerufen. Ich kann es kaum erwarten, bis er nach Hause kommt."

      Jenny setzte sich lächelnd. "Ich kann mir vorstellen, wie glücklich ihr sein werdet, endlich wieder zusammenzusein."

      Laura nickte. "Und so lange!", lachte sie. "Bisher hatten wir bestenfalls ein oder zwei gemeinsame Wochen. Jetzt wird es für immer sein."

      "Habt ihr euch nicht beim Plombier-Prozeß kennengelernt, Matthias und du? Er hat uns davon erzählt. Ich war damals froh, daß das Los nicht auf Mike gefallen ist und er nicht nach Hannover reisen mußte", gab sie zu.

      Laura beobachtete sie, sie mochte ihr lebhaftes unkompliziertes Wesen. Sie war etwas kleiner und zierlicher, als sie selbst, hatte ein hübsches ebenmäßiges Gesicht, in dem keine einzige Sommersprosse zu entdecken war, woraus Laura schloß, daß das Rot ihres Haares nicht ihrer natürlichen Farbe entsprach. Doch es paßte zu ihr.

      "Ich war damals als Dolmetscherin bei dem Prozeß", beantwortete sie Jennys Frage, "und wie es manchmal so ist: Man geht in den Pausen schnell miteinander was essen, kommt ins Gespräch... Zuerst auch zusammen mit den anderen Kollegen...." Sie lachte. "Schließlich waren wir dann nur noch alleine, und später haben wir uns auch abends getroffen und sind zusammen ausgegangen..."

      "Ich freu mich, daß er dich gefunden hat. Ich glaube, wir beide werden gut miteinander auskommen."

      "Das glaube ich auch."

      "Zuerst dachte ich immer..."

      "Ja?"

      "Ich habe immer befürchtet, Matthias würde niemals die richtige Frau finden."

      "Warum denn das?"

      "Er ist sehr eigen und penibel, und es ist schwer, ihm alles rechtzumachen. Vielleicht ist dir das selbst schon aufgefallen. Mikey ist da ganz anders, er ist viel lockerer und spontaner, das ist auch der Grund dafür, daß die beiden schon mal aneinandergeraten können." Sie hob die Schultern. "Versteh' mich nicht falsch..."

      Laura nickte. "Ich weiß schon, was du meinst. Matthias ist in allem sehr korrekt, er hat seine festen Grundsätze und Prinzipien, von denen er nicht gern abweicht."

      Jenny nickte. "Und dadurch wirkt er manchmal stolz und unnahbar. Und ein bißchen humorlos. - Obwohl du ihn sicher auch von einer ganz anderen Seite kennengelernt hast."

      Laura mußte lachen. "Oh ja, er kann auch sehr spaßig und lustig sein."

      "Ich wollte damit nur sagen, er gleicht Mutter viel mehr, als Mike."

      "Mutter? - Es ist seltsam, daß ihr von 'Mutter' sprecht, wenn ihr sie erwähnt. Mir ist das bei Matthias schon aufgefallen. Nennt ihr sie auch so, wenn ihr mit ihr redet?"

      "Ja, sie will es so. Sie mag es nicht, wenn man sie 'Mama' nennt. Ich hab das am Anfang gemacht, weil ich es von zu Hause her so kannte, sie hat mich aber gleich darauf hingewiesen, daß sie das nicht möchte. Die Kinder dürfen auch nicht Oma oder Omi zu ihr sagen. Sie ist die 'Großmutter'."

      "Und der Schwiegervater?"

      Jenny hob die Schultern. "Ich glaube nicht, daß es ihm etwas ausmachen würde, würde man ihn 'Papa' nennen, aber da sie die 'Mutter' ist, ist er eben der 'Vater'."

      Laura seufzte. "Ich hoffe, daß ich mich möglichst schnell an alles gewöhnen kann."

      "Das wirst du. Und wenn du Hilfe brauchst oder Fragen hast, dann bin ich ja auch noch da."

      "Danke, Jenny, das ist lieb von dir. Es ist wichtig für mich, hier jemanden zu haben, an den ich mich wenden kann, wenn Matthias den ganzen Tag über in der Kanzlei ist."

      "Das verstehe ich. Und jetzt komm, ich wollte dich eigentlich zum Kaffee abholen."

      Laura atmete auf, als sie Jennys Zuhause im Westflügel betrat. Trotz der hübschen Stuckdecke im Wohnzimmer war dort nichts mehr zu spüren von der Herrenhaus-Atmosphäre, die sie doch ein wenig bedrückt hatte. Das Gekreische des kleinen Sebastians, der auf dem Fußboden mit seinen Autos spielte, hallte ihnen schon von weitem entgegen, verstreut herumliegende Spielsachen versperrten ihnen den Weg, und von dem Becher Milch, der auf dem Tisch stand, war die Hälfte verkleckert. Sandra hatte sich inzwischen das neue T-Shirt angezogen und ihr altes achtlos auf einen Stuhl geworfen, darunter lagen ihre Sandalen so, wie sie ihr von den Füßen gefallen waren, als sie sich zum Lesen in einem Sessel eingerollt hatte.

      "Oh mein Gott, wie's hier immer aussieht", seufzte Jenny. "Man braucht nur mal fünf Minuten weg zu sein..." Und an Laura gewandt meinte sie: "Sieh zu, daß du irgendwo ein Plätzchen findest und setz dich. Ich kümmere mich solange um den Kaffee."

      Laura wandte sich an Sandra, die den Kopf gehoben hatte, als sie hereingekommen waren. "Was liest du denn Schönes?"

      Sandra hielt ihr, statt einer Antwort, das Buch hin, damit sie den Titel lesen konnte.

      "Ah, das kenne ich, das hab ich früher auch gelesen. Gefällt's dir?"

      "Ja, ist echt spannend."

      Dann ging Laura neben Sebastían in die Hocke und strich ihm über den Blondschopf. "Formel eins, was?" Der Kleine schaute sie verwundert an, er verstand nicht, was sie meinte. Noch nicht. Aber Sandra im Sessel mußte lachen. Währenddessen hörte man Jenny in der Küche hantieren. Laura stand auf, klopfte an die nur angelehnte Tür und drückte sie ein wenig weiter auf. "Darf ich dir Gesellschaft leisten, Jenny? Oder kann ich dir etwas helfen?"

      "Komm nur herein, ich bin gleich soweit." Sie war gerade dabei, die Maschine einzuschalten und stellte die Kaffeedose zurück in den Schrank

      "Jenny, darf ich dich mal was fragen?"

      "Ja, sicher."

      "Ist es eigentlich üblich, daß an jedem Tag alle miteinander im Speisesaal zu Mittag essen?"

      Jenny lachte auf. "Du lieber Himmel, das würde mir gerade noch fehlen. Nein, nein, keine Angst, das war nur heute so, wahrscheinlich dir zu Ehren. Normalerweise gibt's das nur an Feiertagen, oder wenn Verwandte zu Besuch kommen. Manchmal sind auch Geschäftsfreunde aus der Kanzlei zu Gast."

      Laura konnte nicht umhin, erleichtert aufzuatmen. "Gott sei Dank! Ich dachte schon, man hätte hier gar kein Eigenleben mehr."

      Jenny schüttelte den Kopf. "Nein, nein", wiederholte sie, "normalerweise essen nur die Schwiegereltern und die beiden alten Damen dort. Und bisher manchmal Matthias. Er hat zwar drüben eine eigene Küche, - eine sehr schöne sogar, - doch die benutzt er nur äußerst selten. Da setzt er sich lieber zu den Eltern an den Tisch und läßt sich von Theresa bedienen. Aber jetzt, wo du da bist..." Sie rieb die Arbeitsfläche trocken, hielt einen Augenblick inne und beugte sich ein wenig zu Laura hinüber. "Übrigens", flüsterte sie, "vor Theresa mußt du dich in Acht nehmen. Bis vor kurzen hat sie wohl immer noch im Stillen gehofft, daß eines Tages sie die Fau Riva junior werden könnte."

      Laura war überrascht. "Theresa?"

      "Ja, Theresa." Jenny nickte mit gerunzelter Stirn. "Sie ist nämlich gar nicht das stille devote Seelchen, das sie immer zur Schau trägt. Sie hat es faustdick hinter den Ohren. Und nun, da du hier bist und eure Hochzeit bevorsteht, sieht sie ihre Chancen bei Matthias endgültig wie Sand durch die Finger rinnen."

      Laura konnte kaum glauben, was sie gehört hatte. "Und Matthias?", fragte sie, "wie steht er zu ihr?" Vor ihrem geistigen Auge zogen Szenen vorüber, in denen sie ihn beim Techtemechtel mit der jungen Frau in den Ecken der Korridore sah oder in denen sie sich heimlich verschwörerische Blicke zuwarfen, während sie das Essen servierte.

      "Oh, da brauchst du keine Angst zu haben." Jenny winkte ab. "Das wäre weit unter

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