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nein, von Matthias' Seite hast du nichts zu befürchten. Aber... Ich will dich nicht beunruhigen, es wäre immerhin möglich, daß Theresa versucht, gegen dich zu intrigieren. Du solltest aufpassen und Augen und Ohren offenhalten."

      Inzwischen war der Kaffee durchgelaufen. Sie nahm die Kanne von der Maschine und griff nach ihrem Handy, das auf dem Küchenschrank lag. "Mike bastelt in der Garage an seinem Motorrad herum, ich muß ihm sagen, daß der Kaffee fertig ist." Sie tippte eine SMS ein. "Vielleicht mag er sich ja ein Weilchen zu uns setzen."

      Die Antwort kam sehr schnell. "Keine Zeit", las sie vom Display ab und lachte wieder. "Typisch Mikey. Zuerst kommt das Motorrad, dann eine Weile nichts, und irgendwann später...," sie machte eine ausladende Handbewegung, "...irgendwann kommt dann die Familie." Sie schien das aber nicht tragisch zu nehmen. "Naja, irgendein Hobby muß man ja haben, oder?"

      Sie holte Tassen aus dem Schrank, trug sie auf den Tisch und stellte Milch und Zucker und ein Schüsselchen mit Gebäck dazu. "Hast du eigentlich auch ein Hobby?", fragte sie, als sie sich gesetzt hatten.

      Laura überlegte. "Ich lese gern, mag Musik und ..., ja, ich male ein bißchen."

      "Oh, ein sehr schönes Hobby. Ich hab früher kleine Geschichten geschrieben. Märchen und Fantasy-Stories. Heute schreibe ich hin und wieder noch mal eine Kolumne für das Ossfelder Tagblatt."

      "Oh, worüber schreibst du denn da?"

      "Über alles mögliche. Regionale Themen, meine Gedanken über das Weltgeschehen... Allerdings nur sporadisch, wenn mir gerade mal etwas durch den Kopf geht."

      "Das finde ich großartig."

      "Ja, es macht mir auch sehr viel Spaß. Aber pst!" Sie legte den Finger auf den Mund. "Ich schreibe unter einem Pseudonym. Es muß ja nicht jeder wissen, daß ich dahinterstecke."

      "Du meinst die Schwiegereltern?"

      "Genau. Ich glaube nicht, daß es ihnen gefallen würde, wenn sie es wüßten."

      "Aber mir verrätst du doch dein Pseudonym, oder? Ich werde schweigen wie ein Grab."

      Jenny lachte. "Ich bin der

       Anstupfer

      . Einer, der die Leute 'anstupft', also anstößt und sie so zum Nachdenken bringen will." Sie seufzte tief. "Seit Sebastian da ist, hab ich nur leider nicht mehr so viel Zeit."

      Laura sah sich nach den Kindern um. Sie stellte sich vor, wie es sein könnte, wenn Matthias und sie einmal Kinder haben würden. Bisher hatten sie noch nie ausführlich darüber gesprochen.

      Jenny rief sie in die Gegenwart zurück. "Vielleicht war es nicht richtig von mir, dich gleich am ersten Tag mit solchen Dingen zu konfrontieren, - du weißt schon...", knüpfte sie an die Unterhaltung in der Küche an und ging davon aus, daß ihr Gegenüber wußte, was sie meinte. "Aber..." Sie zwinkerte ihr zu, um zu signalisieren, daß Sandra nicht unbedingt mitbekommen sollte, worüber sie redeten.

      "Du meinst Theresa?", raunte Laura, winkte dann aber ab. "Das ist schon in Ordnung, Jenny. Ich bin froh, daß ich jetzt davon weiß. Dadurch ist es mir viel eher möglich, auf der Hut zu sein."

      Laura und Jenny hatten beim Kaffee viel miteinander geredet und auf diese Weise schon ein bißchen mehr über einander erfahren. Sie hatten schnell gemerkt, daß sie sich mochten. Laura gefiel, daß sich die junge Frau, trotz der vornehmen Atmosphäre, die sie umgab, nicht hatte verbiegen lassen, Jenny ihrerseits war froh, daß Laura nicht die unnahbare überhebliche Schwägerin war, die sie, da sie Matthias kannte, erwartet hatte.

      "Oh, sie sind da", rief sie, als sich Michael per Handy aus der Garage meldete. "Vater und Matthias sind soeben angekommen."

      Laura sprang auf. "Wo muß ich denn hin, wenn ich Matthias begrüßen will?", fragte sie aufgeregt. "Nehmen sie den Haupteingang? - Oh mein Gott, hoffentlich verlaufe ich mich nicht. Ich weiß doch gar nicht mehr genau, wo ich bin."

      Jenny lachte. "Sie kommen durch den Osteingang, der führt von der Garage direkt in die Halle. Weber fährt den Wagen immer gleich in die Garage."

      Laura war auf den Gang hinausgelaufen. "Weber?", fragte sie über die Schulter zurück.

      Jenny folgte ihr. "Weber ist der Chauffeur. Komm, ich bring dich hin, sonst verläufst du dich am Ende wirklich noch."

      Auf dem Weg zum Osteinang kam ihnen Matthias schon entgegen. Er lachte, breitete die Arme aus und fing Laura darin auf. "Mein Liebes, wie schön, daß du da bist!", sagte er und küßte sie zärtlich.

      "Ich freu mich auch." Ja, jetzt war alles gut, dachte sie, er war ein Vertrauter in dem fremden Haus, in der fremden Welt. Sie kannte ihn, und sie liebte ihn. Erst jetzt konnte sie sagen, ich bin hier zu Hause.

      Moritz, der schwarze Hund war aus seinem Korb neben einer der Säulen gekommen. Eifersüchtig schlich er um sie herum und gab nicht eher Ruhe, bis Matthias auch ihn gebührend begrüßt hatte.

      Die Schwägerin zog sich mit einem Zwinkern und mit: "Wir sehen uns später", zurück, und Laura rief ihr nach: "Danke für alles, Jenny". Dabei entging ihr nicht, daß Matthias bei ihren Worten kurz die Stirn runzelte. Sie wußte nicht, warum, doch im Augenblick war nicht die richtige Zeit, sich damit zu beschäftigen, denn inzwischen war auch Walter Riva hereingekommen. Sein Haar war so weiß, wie das seiner Frau, und doch war der Eindruck, den er vermittelte, ein ganz anderer. Er hatte lustige Fältchen in den Augenwinkeln, und er zeigte ein breites sympathisches Lachen, als er auf die beiden zuging.

      Matthias hatte den Arm um Laura gelegt. "Das ist sie, Vater. Das ist Laura, die hübscheste und gescheiteste Frau, die ich weit und breit finden konnte."

      Der alte Mann streckte ihr die Hand entgegen. "Davon bin ich überzeugt", sagte er mit einer angenehmen sonoren Stimme. "Ich heiße dich auf's Herzlichste willkommen, Laura. Ich freue mich, daß wir uns endlich kennenlernen."

      Zwei Stunden später versammelten sich alle noch einmal im Speisesaal beim Abendessen. Matthias saß nicht, wie Mathilda es wahrscheinlich für richtig gehalten hätte, zur Linken seines Vaters, sondern neben Laura.

      Walter Riva und Matthias sprachen über den erfolgreich abgeschlossenen Gerichtsprozeß, für den sich sowohl Michael als auch Mathilda sehr interessierten, die übrigen Familienmitglieder aber zu langweilen schien.

      Sebastian war müde, wollte nicht essen und heulte, Sandra weigerte sich, ihr Handy auszuschalten, weil sie auf einen Anruf ihrer Freundin wartete. Jenny hatte ihre liebe Not, beide im Zaum zu halten.

      Laura beobachtete Matthias aus den Augenwinkeln. Sie spürte, daß er hier, in seiner gewohnten Umgebung und inmitten seiner Familie eine etwas andere Rolle innehatte, als die, die er für sie gespielt hatte, wenn er bei ihr zu Hause in Hannover gewesen war, oder wenn sie in einer fremden Gegend einen gemeinsamen Urlaub verbracht hatten. Sie bewunderte ihn sehr, denn er war ein gutaussehender Mann, der selbst nach einem arbeitsreichen Tag wie diesem nichts von seinem perfekten Äußeren und einer gewissen Eleganz eingebüßt hatte. Sie beobachtete auch seinen Vater. Trotz seines Alters war auch Walter Riva noch immer ein stattlicher, attraktiver Mann. Würde Matthias ähnlich aussehen, wenn sie einmal dreißig oder vierzig Jahre lang verheiratet waren? Vielleicht nicht ganz, dachte sie, denn Matthias war ernster und distanzierter, als der alte Herr, der eben eine Anekdote zum Besten gegeben hatte, über die er selbst laut und herzlich lachte, und mit der er sogar Mathilda ein leises Lachen abgerungen hatte. Natürlich lachte auch Matthias, doch sehr viel verhaltener, als sein Vater. Was hatte Jenny über ihn gesagt? Er sei humorlos. Zwar kannte sie ihn auch anders, doch sie mußte zugeben, daß ein Fünkchen Wahrheit dahintersteckte. Sie nahm sich vor, dafür zu sorgen, daß es auch bei ihnen eines Tages ein bißchen lockerer und lustiger zuging.

      Dann fiel ihr wieder ein, was ihr Jenny über Theresa gesagt hatte, und sie schaute zu ihr hinüber und sah ihr zu, wie sie am Ende der Tafel die Platten mit Wurst und Käse auffüllte und anschließend mit der Teekanne herumging und nach leeren Gläsern Ausschau hielt. Hatte sich das Mädchen wirklich Hoffnungen gemacht? Natürlich kam es manchmal vor, daß sich der Sohn eines wohlhabenden Hauses in das arme Dienstmädchen verliebte oder

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