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Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel
Читать онлайн.Название Traum oder wahres Leben
Год выпуска 0
isbn 9783738074062
Автор произведения Joachim R. Steudel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
›Das mag schon sein, doch ich habe die Sorge und die Liebe zu seinem Sohn im Auge des Fürsten gesehen. Was hindert ihn daran, ihm diese auch zu zeigen?‹
Der Samurai holte tief Luft und stieß sie mit Druck wieder aus.
›Sie geben aber auch keine Ruhe. Nun gut, ich werde versuchen, Ihnen die Situation zu erklären.‹
Er schaute sich kurz um, nickte zufrieden und sagte dann:
›Der zweitälteste Sohn des Fürsten wurde bis vor einem Jahr behandelt, wie es ihm zukommt. Er erhielt eine hervorragende Ausbildung und hatte alle Privilegien, die einem Sohn und Nachfolger des Provinzfürsten zustehen. Seine kämpferische Ausbildung oblag mir, und er war ein hervorragender Schüler, der mir am Ende fast gewachsen war. Doch all diese Dinge machten ihn überheblich, arrogant und herrschsüchtig. Er erkannte seine Grenzen nicht mehr und überschritt ständig seine Befugnisse. Nach Date Masamunes Tod soll er der neue Daimyo werden, und dann hätte ein solches Verhalten schwerwiegende Folgen. Die Provinzfürsten sind auf Gedeih und Verderb dem Shogun verpflichtet. Sie haben seit einiger Zeit nur noch eingeschränkte Rechte, viele Pflichten, und ihr Leben gehört dem Shogun. Unterwerfung diesem gegenüber ist oberstes Gebot. Der Sohn des Fürsten begann sich für unantastbar zu halten, und sein Leben wäre am Hofe des Shogun sicherlich bald verwirkt gewesen. Als sich Date Tadamune immer öfter in Schwierigkeiten brachte, erbat der Fürst vom Shogun, seinen Sohn als einfachen Soldaten in eine Truppe unter meinem Kommando zu stellen und nach Sendai, zur Burg des Fürsten, zu schicken. Da Date Masamune ein treu ergebener Diener des Shogun ist, wurde ihm dies gestattet. Offiziell handelte es sich um eine Bestrafung durch den Shogun für unangemessenes Verhalten. Keinem außer dem Fürst, dem Shogun, mir und jetzt Ihnen sind die wahren Hintergründe bekannt. Nur eine Bedingung gab es: Der Fürst musste diese Reise hier planen und antreten.‹
Ich sah ihn erstaunt an, und er beeilte sich, seine Worte genauer zu erklären:
›Nicht diese hier nach Shaolin, sie wurde nur wegen der Neugierde des Fürsten unternommen, der sehr viel über die Shaolin-Kämpfer am Kaiserhof gehört hatte. Nein, die Reise an den chinesischen Kaiserhof.‹
Da ich ihn immer noch fragend ansah, fuhr er mit seinen Erklärungen fort:
›Mehr kann ich darüber jetzt nicht sagen, nur eins noch: Der Shogun beauftragte Date Masamune damit, weil schon einmal ein Gefolgsmann von ihm eine diplomatische Reise angetreten hatte. Hasekura Tsunenaga war im Auftrag des Shogun bis nach Mexiko und Europa gereist. Der Shogun vertraut nun darauf, dass Date Masamune das gleiche Geschick bei dieser diplomatischen Mission an den Tag legen wird. Außerdem weiß er, dass ich als sein Gefolgsmann mit dabei bin und Date Masamune sich durch meine Chinesischkenntnisse nicht auf einen fremden Dolmetscher verlassen muss.‹
Ich horchte auf. Hier gab es eine Verbindung zu Europa, und obwohl es eine ganz andere Epoche war, hatte ich plötzlich ein seltsames Gefühl. Ich war neugierig geworden und begierig, mehr darüber zu erfahren, doch vorerst ergab sich diese Gelegenheit nicht. Der Samurai fuhr aber mit seinen Erklärungen fort.
›Bevor wir diese Reise antraten, war es mir gelungen, den Sohn des Fürsten ein wenig zur Ruhe zu bringen. Es fiel ihm schwer, sich unterzuordnen, doch er hatte keine andere Wahl. Ich denke, dass sein Vater im richtigen Moment die richtige Entscheidung getroffen hat. Er wollte ihn Demut lehren. Ihm zeigen, dass auch er sich in bestimmten Situationen unterwerfen muss, dass auch ihm Grenzen gesetzt sind und Willkür und Hochmut schnell zum Verderben werden können.‹
Ich dachte über das eben Gehörte nach. Zum Teil konnte ich den Fürsten verstehen, aber mich irritierte, dass er sich immer noch so abweisend verhielt und seinem Sohn nicht zeigte, wie sehr er ihn eigentlich liebte.
›Einiges kann ich nun besser verstehen, doch warum schließt er jetzt immer noch keinen Frieden mit ihm und verheimlicht ihm, wie besorgt er war?‹
›Zum einen ist er der Meinung, dass es noch zu früh dazu ist. Zum anderen ist das eine Eigenschaft unseres Volkes und unseres Standes. Es ist nicht so einfach, seine Gefühle einem anderen gegenüber zu zeigen, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren, und ich würde Ihnen raten, mit dem Fürst vorläufig nicht darüber zu sprechen. Date Masamune ist ein Tozama-Daimyo, der aber ein hohes Ansehen beim Shogun genießt. Er ist also ein relativ unabhängiger Fürst, und um diese Stellung zu wahren und in den folgenden Generationen weiter auszubauen, müssen auch seine Söhne über jeden Tadel erhaben sein. Ich kann nicht sagen, was mich bewogen hat, Ihnen das alles zu erzählen, doch Sie können sicher sein, dass es mein Ansehen beim Fürsten gewaltig untergräbt, wenn er davon erfährt.‹
Ich versprach ihm, darüber zu schweigen. Er war auch deshalb relativ beruhigt, da ich durch die Unkenntnis der japanischen Sprache im Moment sowieso nur über ihn mit dem Fürst sprechen konnte.
Als wir wieder im Lager angekommen waren, gesellte ich mich zu Wang Lee und Liu Shi Meng, doch vorläufig herrschte nur Schweigen. Ich hing meinen Gedanken nach, und die beiden merkten, dass mich etwas beschäftigte.
Ich machte mir Gedanken über das Verhalten des Fürsten und fragte mich, ob es wirklich der richtige Weg war, seinen Sohn zu erziehen. Aber anscheinend hatte er damit einen gewissen Erfolg. Außerdem war es ein anderes Land mit anderen Sitten, daher konnte ich meine Maßstäbe nicht bei ihnen anlegen. Mir hatte der Wehrdienst auch geholfen, selbständig und verantwortungsbewusst zu werden. Da man das hier fast genauso werten konnte, blieb nur das gespannte Verhältnis zwischen Vater und Sohn. Aber ich hatte auch die Liebe und Sorge unter der rauen Schale bemerkt, und so schien das Ganze nach außen schlimmer zu sein, als es war.
Inzwischen hatten sich Wang Lee und Liu Shi Meng über die letzten Ereignisse unterhalten, und die letzten Worte Liu Shi Mengs ließen mich aufhorchen.
›Ich bin der Meinung, wir sollten so schnell wie möglich hier verschwinden. Meiner Ansicht nach war die Aktion gut geplant und kein zufälliger Überfall von einer einzelnen Banditengruppe. Wenn bemerkt wird, dass sie ihr Ziel nicht erreicht haben, kommen vielleicht noch andere, und dann haben wir keine Chance mehr!‹
Da ich durch mein tiefes Nachsinnen nichts vom vorhergehenden Gespräch mitbekommen hatte, fragte ich nach:
›Wie kommst du denn darauf?‹
›Ich