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Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel
Читать онлайн.Название Traum oder wahres Leben
Год выпуска 0
isbn 9783738074062
Автор произведения Joachim R. Steudel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
In diesem Augenblick bog die junge Frau in die Seitenstraße ein und entschwand ihren Blicken. Zügig schritt sie den beschriebenen Weg entlang, und als sie die Zufahrtsstraße erreichte, beschlich sie das Gefühl, dieses Bild schon einmal gesehen zu haben. Sie dachte einen Augenblick nach und erinnerte sich an Bilder aus der Geschichte des Mannes, den sie suchte. Nun brauchte sie die Beschreibung des Bauarbeiters nicht mehr. Schnell und sicher strebte sie dem Haus zu und erkannte es sofort wieder. Ein Blick auf die Klingel, und sie wusste, sie war richtig.
Sie holte tief Luft, drückte auf den Klingelknopf und schaute erwartungsvoll zur Haustür. Doch nichts bewegte sich, kein Geräusch war zu hören, und niemand war zu sehen. Noch zweimal wiederholte sie diesen Versuch, dann war ihr klar, es war niemand zu Hause.
Was nun? Sollte sie umkehren und ein anderes Mal wiederkommen? Aber da wären die Chancen auch nicht besser. Genauso gut konnte sie warten, vielleicht war er ja nur kurz weggegangen und kam bald zurück. Sie schaute sich um und stellte fest, dass das Haus in einer sehr schönen Lage stand. Nicht weit hinter dem Haus begann der Wald, der sich über den gesamten restlichen Hang bis zum Gipfel des Berges hinzog. Nur noch ein Haus folgte, und dann endete die Straße in einer sanft abfallenden Wiese. Dieser strebte sie nun zu. Das Gras war noch nicht lange gemäht, und die jungen frischen Spitzen verliehen der Wiese eine saftig grüne Farbe. Nachdenklich setzte sie sich und schaute ins Tal.
Eine angenehme Ruhe umgab sie. Nur Vogelstimmen und der leichte Wind, der mit den Blättern der Bäume spielte, waren zu hören. Erst wenn man sich sehr anstrengte, konnte man die Geräusche aus der im Tal liegenden Stadt wahrnehmen. Diese wirkten jedoch nicht störend, im Gegenteil, sie waren leise und nahmen einem das Gefühl der Einsamkeit.
Langsam wanderte ihr Blick über die schöne Landschaft, und es dauerte nicht lange, bis sie sich in diesen Ort verliebt hatte. Träumerisch schaute sie von einem Fleck zum anderen, doch nach einiger Zeit nahm sie nichts mehr davon wahr. In ihren Gedanken tauchten Bilder der Geschichte auf, die sie hierher geführt hatte.
Sie konnte nicht sagen, wie lange sie so gesessen hatte, als hinter ihr eine wohlbekannte Stimme ertönte.
»Wenn Sie keinen Sonnenbrand haben wollen, sollten Sie nicht so in der prallen Sonne sitzen.«
Sie fuhr herum und schaute in das freundliche Gesicht des Mannes, den Sie gesucht hatte.
»Hallo!«, sagte sie und stand auf. »Ich denke, Sie werden mich erwartet haben, und ich möchte gerne erfahren, wie diese Geschichte ausgegangen ist.«
Schmunzelnd sah er sie an.
»Naja, sagen wir, ich habe gehofft, dass Sie nicht tun, was Sie auf diesen Berg geführt hatte, und wenn Sie es möchten, dann werde ich Ihnen auch den Rest der Geschichte erzählen. Aber eins sollten Sie wissen. Es könnte länger dauern.«
»Das hab ich mir schon gedacht, doch die Bilder dieser Geschichte lassen mich nicht mehr los, und ich denke auch, dass es nicht nur eine Geschichte ist, sondern ein gelebtes Leben. Ich weiß zwar nicht, wie das möglich ist, doch vielleicht werde ich es ja noch erfahren.«
»Na, dann kommen Sie mal mit. Wir können uns auf die Terrasse hinterm Haus setzen, dort ist es jetzt etwas schattig, und das dürfte Ihrer Haut guttun.«
Sie sah sich ihre schon leicht geröteten Arme an und stimmte dankbar zu. Auf dem Weg zum Haus musterte sie ihn prüfend. Das Bild, das sie von ihm hatte, und seine Ausstrahlung passten so gar nicht zu dem, was der Bauarbeiter über ihn geäußert hatte. Doch wahrscheinlich ist das so, wenn sich ein Mensch geändert hat und nicht mehr in die Schablone passt, die man anlegt. Nur Außenstehende konnten sein neues und wahres Ich erkennen, alle anderen hielten ihn für übergeschnappt oder bestenfalls von den tragischen Ereignissen gezeichnet.
Sie betraten den kleinen Vorgarten, und er führte sie um das Haus herum zu der schön angelegten Terrasse. Dort bat er sie, auf der Hollywoodschaukel Platz zu nehmen, und rückte einen kleinen Tisch heran. Anschließend schloss er die Tür auf, die von der Terrasse ins Wohnzimmer führte. Von da ging er in die Küche, um Gläser und etwas zum Trinken zu holen.
»Was möchten Sie trinken? Ich habe gut gekühlten Apfelsaft, Orangenlimonade und einfachen Sprudel«, rief er aus dem Haus heraus.
»Vielleicht den Apfelsaft. Oder warten Sie, bringen Sie den Sprudel doch mit. Mit Wasser verdünnten Apfelsaft trink ich eigentlich sehr gerne.«
Mit den beiden Flaschen und zwei Gläsern in der Hand kam er wieder heraus. Nachdem er ihr eingegossen hatte, zog er einen Gartenstuhl heran und setzte sich ihr gegenüber hin. Lange und eindringlich schaute er sie an.
Seltsamerweise empfand sie diesen Blick nicht als unangenehm, sondern es wurde ihr dabei richtig warm ums Herz. Sie hielt seinem Blick lange stand, und erst als er sie ansprach, griff sie zum Glas und trank in tiefen Zügen.
»Was hat Ihre Meinung geändert? Was hat Sie bewogen, doch das Leben zu wählen?«
»Ich kann es Ihnen nicht genau sagen! Zum einen sicherlich die Neugierde, denn ich möchte zu gerne wissen, wie die Geschichte weitergeht.«
Sie machte eine Pause und dachte angestrengt nach, doch als sie eine Weile später immer noch nicht fortfuhr, fragte er:
»Und zum anderen?«
Ruckartig blickte sie von dem Glas hoch, das sie angestrengt fixiert hatte.
»Ja, und zum anderen hat mich einiges nachdenklich gemacht. Das, was Sie mir erzählt haben, oder besser gesagt, was ich mit Ihnen erlebt habe, hat mich sehr beschäftigt. Jetzt frage ich mich, ob ich das Recht habe, einfach so aus meinem Leben zu flüchten. Vielleicht kann ich diesem ja ein neues Ziel geben, einen neuen Weg finden, um ein sinnvolles und erfülltes Leben zu führen.«
Sie holte tief Luft, schüttelte den Kopf und sah ihm in die Augen.
»Ich weiß es nicht. Doch ich möchte gerne mehr hören von Ihrer Geschichte. Sie haben bei unserem ersten Treffen so plötzlich abgebrochen und sind dann so schnell verschwunden. Warum? Was hat Sie dazu veranlasst?«
Nun war er es, der tief Luft holte und überlegte. Was und wie viel durfte er ihr erzählen? Schließlich schüttelte er den Kopf und sagte, sie dabei anlächelnd:
»Das ist schwierig zu erklären, aber ich merke, dass ich das, was ich einmal begonnen habe, auch irgendwie zu Ende führen muss. Ich hoffe, Sie haben genügend Zeit mitgebracht!?«
»Ja, natürlich! Nur deshalb bin ich hier.«
»Gut, dann würde ich vorschlagen, wir lassen das mit dem Sie