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Rei­he krie­gen will«, sag­te ein Drit­ter und schau­te ihr noch ein­mal hin­ter­her.

      In die­sem Au­gen­blick bog die jun­ge Frau in die Sei­ten­stra­ße ein und ent­schwand ih­ren Bli­cken. Zü­gig schritt sie den be­schrie­be­nen Weg ent­lang, und als sie die Zu­fahrts­s­tra­ße er­reich­te, be­schlich sie das Ge­fühl, die­ses Bild schon ein­mal ge­se­hen zu ha­ben. Sie dach­te einen Au­gen­blick nach und er­in­ner­te sich an Bil­der aus der Ge­schich­te des Man­nes, den sie such­te. Nun brauch­te sie die Be­schrei­bung des Bau­ar­bei­ters nicht mehr. Schnell und si­cher streb­te sie dem Haus zu und er­kann­te es so­fort wie­der. Ein Blick auf die Klin­gel, und sie wuss­te, sie war rich­tig.

      Sie hol­te tief Luft, drück­te auf den Klin­gel­knopf und schau­te er­war­tungs­voll zur Haus­tür. Doch nichts be­weg­te sich, kein Ge­räusch war zu hö­ren, und nie­mand war zu se­hen. Noch zwei­mal wie­der­hol­te sie die­sen Ver­such, dann war ihr klar, es war nie­mand zu Hau­se.

      Was nun? Soll­te sie um­keh­ren und ein an­de­res Mal wie­der­kom­men? Aber da wä­ren die Chan­cen auch nicht bes­ser. Ge­nau­so gut konn­te sie war­ten, viel­leicht war er ja nur kurz weg­ge­gan­gen und kam bald zu­rück. Sie schau­te sich um und stell­te fest, dass das Haus in ei­ner sehr schö­nen Lage stand. Nicht weit hin­ter dem Haus be­gann der Wald, der sich über den ge­sam­ten rest­li­chen Hang bis zum Gip­fel des Ber­ges hin­zog. Nur noch ein Haus folg­te, und dann en­de­te die Stra­ße in ei­ner sanft ab­fal­len­den Wie­se. Die­ser streb­te sie nun zu. Das Gras war noch nicht lan­ge ge­mäht, und die jun­gen fri­schen Spit­zen ver­lie­hen der Wie­se eine saf­tig grü­ne Far­be. Nach­denk­lich setz­te sie sich und schau­te ins Tal.

      Eine an­ge­neh­me Ruhe um­gab sie. Nur Vo­gel­stim­men und der leich­te Wind, der mit den Blät­tern der Bäu­me spiel­te, wa­ren zu hö­ren. Erst wenn man sich sehr an­streng­te, konn­te man die Ge­räusche aus der im Tal lie­gen­den Stadt wahr­neh­men. Die­se wirk­ten je­doch nicht stö­rend, im Ge­gen­teil, sie wa­ren lei­se und nah­men ei­nem das Ge­fühl der Ein­sam­keit.

      Lang­sam wan­der­te ihr Blick über die schö­ne Land­schaft, und es dau­er­te nicht lan­ge, bis sie sich in die­sen Ort ver­liebt hat­te. Träu­me­risch schau­te sie von ei­nem Fleck zum an­de­ren, doch nach ei­ni­ger Zeit nahm sie nichts mehr da­von wahr. In ih­ren Ge­dan­ken tauch­ten Bil­der der Ge­schich­te auf, die sie hier­her ge­führt hat­te.

      Sie konn­te nicht sa­gen, wie lan­ge sie so ge­ses­sen hat­te, als hin­ter ihr eine wohl­be­kann­te Stim­me er­tön­te.

      »Wenn Sie kei­nen Son­nen­brand ha­ben wol­len, soll­ten Sie nicht so in der pral­len Son­ne sit­zen.«

      Sie fuhr he­r­um und schau­te in das freund­li­che Ge­sicht des Man­nes, den Sie ge­sucht hat­te.

      »Hal­lo!«, sag­te sie und stand auf. »Ich den­ke, Sie wer­den mich er­war­tet ha­ben, und ich möch­te ger­ne er­fah­ren, wie die­se Ge­schich­te aus­ge­gan­gen ist.«

      Schmun­zelnd sah er sie an.

      »Naja, sa­gen wir, ich habe ge­hofft, dass Sie nicht tun, was Sie auf die­sen Berg ge­führt hat­te, und wenn Sie es möch­ten, dann wer­de ich Ih­nen auch den Rest der Ge­schich­te er­zäh­len. Aber eins soll­ten Sie wis­sen. Es könn­te län­ger dau­ern.«

      »Das hab ich mir schon ge­dacht, doch die Bil­der die­ser Ge­schich­te las­sen mich nicht mehr los, und ich den­ke auch, dass es nicht nur eine Ge­schich­te ist, son­dern ein ge­leb­tes Le­ben. Ich weiß zwar nicht, wie das mög­lich ist, doch viel­leicht wer­de ich es ja noch er­fah­ren.«

      »Na, dann kom­men Sie mal mit. Wir kön­nen uns auf die Ter­ras­se hin­term Haus set­zen, dort ist es jetzt et­was schat­tig, und das dürf­te Ih­rer Haut gut­tun.«

      Sie sah sich ihre schon leicht ge­röte­ten Arme an und stimm­te dank­bar zu. Auf dem Weg zum Haus mus­ter­te sie ihn prü­fend. Das Bild, das sie von ihm hat­te, und sei­ne Aus­strah­lung pass­ten so gar nicht zu dem, was der Bau­ar­bei­ter über ihn ge­äu­ßert hat­te. Doch wahr­schein­lich ist das so, wenn sich ein Mensch ge­än­dert hat und nicht mehr in die Scha­blo­ne passt, die man an­legt. Nur Au­ßen­ste­hen­de konn­ten sein neu­es und wah­res Ich er­ken­nen, alle an­de­ren hiel­ten ihn für über­ge­schnappt oder bes­ten­falls von den tra­gi­schen Er­eig­nis­sen ge­zeich­net.

      Sie be­tra­ten den klei­nen Vor­gar­ten, und er führ­te sie um das Haus he­r­um zu der schön an­ge­leg­ten Ter­ras­se. Dort bat er sie, auf der Hol­ly­wood­schau­kel Platz zu neh­men, und rück­te einen klei­nen Tisch he­r­an. An­schlie­ßend schloss er die Tür auf, die von der Ter­ras­se ins Wohn­zim­mer führ­te. Von da ging er in die Kü­che, um Glä­ser und et­was zum Trin­ken zu ho­len.

      »Was möch­ten Sie trin­ken? Ich habe gut ge­kühl­ten Ap­fel­saft, Oran­gen­li­mo­na­de und ein­fa­chen Spru­del«, rief er aus dem Haus he­r­aus.

      »Viel­leicht den Ap­fel­saft. Oder war­ten Sie, brin­gen Sie den Spru­del doch mit. Mit Was­ser ver­dünn­ten Ap­fel­saft trink ich ei­gent­lich sehr ger­ne.«

      Mit den bei­den Fla­schen und zwei Glä­sern in der Hand kam er wie­der he­r­aus. Nach­dem er ihr ein­ge­gos­sen hat­te, zog er einen Gar­ten­stuhl he­r­an und setz­te sich ihr ge­gen­über hin. Lan­ge und ein­dring­lich schau­te er sie an.

      Selt­sa­mer­wei­se emp­fand sie die­sen Blick nicht als un­an­ge­nehm, son­dern es wur­de ihr da­bei rich­tig warm ums Herz. Sie hielt sei­nem Blick lan­ge stand, und erst als er sie an­sprach, griff sie zum Glas und trank in tie­fen Zü­gen.

      »Was hat Ihre Mei­nung ge­än­dert? Was hat Sie be­wo­gen, doch das Le­ben zu wäh­len?«

      »Ich kann es Ih­nen nicht ge­nau sa­gen! Zum einen si­cher­lich die Neu­gier­de, denn ich möch­te zu ger­ne wis­sen, wie die Ge­schich­te wei­ter­geht.«

      Sie mach­te eine Pau­se und dach­te an­ge­strengt nach, doch als sie eine Wei­le spä­ter im­mer noch nicht fort­fuhr, frag­te er:

      »Und zum an­de­ren?«

      Ruck­ar­tig blick­te sie von dem Glas hoch, das sie an­ge­strengt fi­xiert hat­te.

      »Ja, und zum an­de­ren hat mich ei­ni­ges nach­denk­lich ge­macht. Das, was Sie mir er­zählt ha­ben, oder bes­ser ge­sagt, was ich mit Ih­nen er­lebt habe, hat mich sehr be­schäf­tigt. Jetzt fra­ge ich mich, ob ich das Recht habe, ein­fach so aus mei­nem Le­ben zu flüch­ten. Viel­leicht kann ich die­sem ja ein neu­es Ziel ge­ben, einen neu­en Weg fin­den, um ein sinn­vol­les und er­füll­tes Le­ben zu füh­ren.«

      Sie hol­te tief Luft, schüt­tel­te den Kopf und sah ihm in die Au­gen.

      »Ich weiß es nicht. Doch ich möch­te ger­ne mehr hö­ren von Ih­rer Ge­schich­te. Sie ha­ben bei un­se­rem ers­ten Tref­fen so plötz­lich ab­ge­bro­chen und sind dann so schnell ver­schwun­den. Warum? Was hat Sie dazu ver­an­lasst?«

      Nun war er es, der tief Luft hol­te und über­leg­te. Was und wie viel durf­te er ihr er­zäh­len? Schließ­lich schüt­tel­te er den Kopf und sag­te, sie da­bei an­lä­chelnd:

      »Das ist schwie­rig zu er­klä­ren, aber ich mer­ke, dass ich das, was ich ein­mal be­gon­nen habe, auch ir­gend­wie zu Ende füh­ren muss. Ich hof­fe, Sie ha­ben ge­nü­gend Zeit mit­ge­bracht!?«

      »Ja, na­tür­lich! Nur des­halb bin ich hier.«

      »Gut, dann wür­de ich vor­schla­gen, wir las­sen das mit dem Sie

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