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Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel
Читать онлайн.Название Traum oder wahres Leben
Год выпуска 0
isbn 9783738074062
Автор произведения Joachim R. Steudel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Also Günter, warum bist du letztens so schnell verschwunden?«
»Du hast ja Leute getroffen, als du zu deinem Auto gelaufen bist, und hast sicherlich auch gemerkt, dass mit mir und um mich manches anders ist als bei anderen.«
Sie nickte und sah ihn gespannt an.
»Nun ja, es waren zwar andere Leute, als ich befürchtet hatte, aber auch solche können von dem, was sie gesehen und gehört haben, berichten. Durch die weltweite Vernetzung und durch den problemlosen Zugang zu bestimmten Medien gelangt eine Nachricht dann sehr schnell von einem zum anderen. Es ist also bloß eine Frage der Zeit, bis bestimmte Menschen davon erfahren. Inzwischen haben sich Gruppen gebildet, die jedem ungewöhnlichen Ereignis nachspüren, es auswerten, sich Meinungen dazu bilden und dann einer breiten Masse zugänglich machen.«
Er lehnte sich zurück und schloss kurz die Augen.
»Nun, stell dir vor, diese Menschen würden von meiner Geschichte erfahren. Was würde wohl geschehen? Wo könnte ich noch in Frieden leben, ohne dass mir ständig jemand an den Fersen klebt? Und außerdem ...«
Mit einem Ruck richtete er sich wieder auf und öffnete die Augen. »Außerdem könnte es ja auch nur ein Traum sein.«
Sie schüttelte den Kopf, deutete auf seine linke Brust und sagte:
»Das glaub ich nicht! Dazu hab ich diese Geschichte viel zu deutlich erlebt und nicht nur gehört. Und da, auf deiner linken Brust, dass könnte die Narbe sein, die von dem Trainingsunfall in Wudang stammt.«
Auf Grund des warmen Sommertages hatte er das Hemd weit aufgeknöpft, und nun war es im Sitzen verrutscht. Dadurch war der Blick auf die pflaumengroße Narbe, die auf seiner linken Brust prangte, frei geworden. Er schaute hinunter und knöpfte lächelnd sein Hemd weiter zu.
»Gut aufgepasst! Aber es könnte auch anders sein, und die Narbe hat vielleicht einen ganz anderen Hintergrund. Doch das spielt jetzt keine Rolle! Du sollst selbst festlegen, was du glauben willst und was nicht. Ich denke, jede Geschichte und jedes Leben ist es wert, dass man genauer darüber nachdenkt. Vielleicht kann man ja einiges daraus lernen, für sich verwerten und mit diesen Erfahrungen etwas besser machen. Vieles von dem, was das Leben und die Menschheit verändert hat, baut auf solchen Erfahrungen auf.«
»Ich weiß, das hab ich schon bei den Gesprächen erkannt, die du mit Han Liang Tian und Tiang Li Yang geführt hast. Was ist eigentlich aus deinen chinesischen Freunden geworden? Du hast bei unserem Abschied angedeutet, dass du China dann verlassen hast.«
»Ja, das war auch so, und von meinen Freunden, die ich in dieser Zeit gewonnen hatte, habe ich bis auf Lei Cheng keinen mehr zu Gesicht bekommen. Doch das war viel, viel später und ein sehr großer Zufall. Aber diese Geschichte werde ich vielleicht ein anderes Mal erzählen. Jetzt möchte ich erst einmal dort fortfahren, wo wir bei unserem letzten Treffen unterbrochen wurden.«
Er beugte sich vor und legte seine Hand auf den Tisch.
»Gib mir deine Hand, Sarah. Du weißt, dass du die Geschichte so besser erleben kannst, und es ist auch einfacher für mich.“
Sie legte Ihre Hand in die seine und schloss die Augen. Jetzt hatte sie keine Angst mehr davor, sich so zu ergeben und fallen zu lassen. Beim ersten Mal war es eine neue beängstigende Erfahrung gewesen, doch nun wartete sie mit Spannung darauf, wieder in diese Geschichte einzutauchen.
Kaum hatte sie ihre Hand in die seine gelegt, spürte sie wieder diese Ruhe und Kraft, die sie durchströmte. Alles um sie herum verblasste, und die Bilder der letzten Ereignisse stiegen in ihr auf, während sie die erklärenden Gedanken von ihm wahrnahm.
Nach dem Kampf
»Nachdem wir die japanische Gesandtschaft aus ihrer gefährlichen Lage befreit hatten, habe ich mich an dem kleinen Fluss gereinigt. Wang Lees Versuche, mich zu beruhigen, hatten nicht wirklich Erfolg. Es war für mich das erste Mal gewesen, dass ich an einem Kampf teilgenommen hatte, bei dem Menschen zu Tode kamen. Meine Gedanken kreisten darum, ob ich das Recht gehabt hatte, hier einzugreifen. Nur der Umstand, dass im anderen Fall die Japaner vermutlich umgekommen wären, beruhigte mich ein wenig. Dennoch sollte mich dieses Geschehen noch lange beschäftigen.
Aber vorerst hatte ich keine Zeit, mich diesen Gedanken weiter hinzugeben. Der japanische Fürst kam mit seinem Gefolgsmann auf mich zu. Als sie uns erreicht hatten, neigten sie leicht den Kopf, und der Gefolgsmann des Daimyo sprach mich an. Sein Chinesisch war ein wenig gebrochen, aber gut verständlich.
›Fürst Date Masamune möchte sich bei Ihnen für Ihr hilfreiches Eingreifen bedanken! Wir stehen tief in Ihrer Schuld, und unsere Dankbarkeit kann Ihnen gewiss sein.‹
Die rechte Hand senkrecht vor die Brust haltend, neigte ich ebenfalls den Kopf und grüßte zurück.
›Jeder, der in Bedrängnis gerät, kann meiner Hilfe gewiss sein, doch ich habe nichts getan, was nicht auch alle anderen Brüder aus Shaolin tun würden.‹
›Ja, wir haben gemerkt, dass das, was der Abt uns vorspielen ließ, nicht der Wahrheit entspricht. Ihr seid große Kämpfer und habt ein starkes Chi. Ich habe auch bemerkt, dass schon die Kraft Eures Chi starke Krieger dazu bringen kann, ihre Schwerter zu senken‹, sagte er mit einem hintergründigen Lächeln.
Ich wusste, dass er auf den Zusammenstoss, den Wang Lee und ich mit zwei seiner Männer gehabt hatten, anspielte. Doch darauf wollte ich nicht eingehen, und glücklicherweise richtete nun der Daimyo sein Wort an mich. Da dieser aber nicht Chinesisch sprach, musste sein Gefolgsmann übersetzen.
›Fürst Date Masamune möchte wissen, wie es kommt, dass ihr uns gefolgt seid, und wer diese Angreifer waren!?‹
›Wer diese Angreifer waren, kann ich auch noch nicht sagen, doch wir werden versuchen, es herauszubekommen. Und dass wir hierher kamen, war eigentlich Zufall. Ich wollte eine längere Reise antreten, und meine Freunde haben mich bis Dengfeng begleitet. Als wir dort erfuhren, dass Sie nicht durch diesen Ort gekommen waren, war uns klar, dass etwas nicht stimmte. Dieser Weg hier ist der einzige, den Sie noch nehmen konnten, doch er ist beschwerlich, man kommt nicht schneller ans Ziel, und nur wenige kennen ihn. Als uns das bewusst wurde, verstärkte sich mein ungutes Gefühl, und wir beeilten uns, Sie zu erreichen. Auf halbem Weg fanden wir dann einen Ihrer verwundeten Soldaten, der Hilfe holen wollte, aber nicht weiterkam.‹
Beim letzten Satz hatte der Samurai aufgehorcht und ließ sich den Soldaten genau beschreiben.