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      Joa­chim R. Steu­del

      Traum oder wah­res Le­ben

      Gi­fu­to - Das Ge­schenk

      In­halts­ver­zeich­nis

       Ti­tel

       Das Wie­der­se­hen

       Nach dem Kampf

       Das An­ge­bot

       Fehl­ver­hal­ten mit Fol­gen

       Nin­ja und Ka­zu­ko

       Der Schmied

       In­for­ma­tio­nen

       Ge­fahr

       Wech­sel­bad der Ge­füh­le

       Zwei von vier Ta­gen

       Gast­mahl und Heil­ver­such

       Der Auf­trag des Dai­myo

       Kampf und Ge­sprä­che

       Feu­er in Ban­dai

       Kin­der­wunsch und Ab­schied von Sen­dai

       Die neue Hei­mat, Dau­er­re­gen und Ro­nin

       Zeit der Trau­er

       Glossar und Nach­be­mer­kung

       Buch­lis­te

       Impressum neobooks

      Das Wie­der­se­hen

      Schon seit ge­rau­mer Zeit lief die jun­ge Frau su­chend durch Lau­scha. Sie hat­te fast den gan­zen Ort durch­wan­dert und auf Grund der Ge­birgs­la­ge ei­ni­ge Stra­ßen auch mehr­fach er­kun­det. Nun lief sie zum zwei­ten Mal an die­ser Stra­ßen­bau­stel­le vor­bei, und die Män­ner dort blick­ten sie wie­der mit un­ver­hoh­le­ner Neu­gier an. So­fort stell­te sich bei ihr die­ses un­gu­te Ge­fühl ein. Sie fühl­te sich durch­schaut, er­kannt und er­nied­rigt.

      Nur schnell vor­bei, dach­te sie, doch das soll­te ihr nicht ge­lin­gen. Ei­ner der Bau­ar­bei­ter steu­er­te di­rekt auf sie zu.

      Nach­dem er sich mehr­fach be­wun­dernd über die jun­ge Frau ge­äu­ßert hat­te, wur­de er von sei­nen Kol­le­gen so lan­ge an­ge­sta­chelt, bis er al­len Mut zu­sam­men­nahm und auf sie zu­ging. Sie be­merk­te das und such­te ver­zwei­felt nach ei­nem Aus­weg. Am liebs­ten wäre sie im Erd­bo­den ver­sun­ken oder um­ge­kehrt, doch dazu war es be­reits zu spät.

      »Hal­lo, Sie se­hen so su­chend aus, kann ich Ih­nen hel­fen?«

      Oh, der scheint ja recht freund­lich und nicht nur auf eine dum­me An­ma­che aus zu sein, stell­te sie er­leich­tert fest.

      »Ja, viel­leicht. Ich su­che das Haus ei­nes Be­kann­ten und habe dum­mer­wei­se sei­ne Ad­res­se nicht auf­ge­schrie­ben«, ant­wor­te­te sie aus­wei­chend.

      »Wie heißt denn ihr Be­kann­ter? Lau­scha ist über­schau­bar, viel­leicht ken­ne ich ihn ja.«

      Ihr Ge­sicht hell­te sich auf.

      »Gün­ter Kauf­mann heißt er, und nach den Bil­dern, die er mir ge­zeigt hat, wohnt er in ei­nem re­la­tiv neu­en Ein­fa­mi­li­en­haus. Er hat vor et­was mehr als ei­nem Jahr sei­ne ge­sam­te Fa­mi­lie bei ei­nem schwe­ren Ver­kehrs­un­fall ver­lo­ren.«

      Das Ge­sicht des Bau­ar­bei­ters ver­än­der­te sich schlag­ar­tig und mit ei­nem trau­ri­gen Blick deu­te­te er nach rechts den Hang hi­n­auf.

      »Dort oben, hin­ter den zwei grö­ße­ren Häu­sern, ist eine schma­le Zu­fahrts­s­tra­ße, an der meh­re­re neue Ein­fa­mi­li­en­häu­ser ste­hen. Das vor­letz­te ge­hört Herrn Kauf­mann. Wenn Sie hier vorn rechts ein­bie­gen, sich an der nächs­ten Kreu­zung links hal­ten und an­schlie­ßend im­mer wie­der rechts ab­bie­gen, kön­nen Sie es nicht ver­feh­len.«

      »Dan­ke!«, sag­te sie hoch­er­freut und woll­te sich auf den Weg ma­chen, doch der Bau­ar­bei­ter hielt sie noch ein­mal auf.

      »War­ten Sie! Et­was muss ich Ih­nen noch sa­gen! Ich weiß nicht, wann und wo Sie Herrn Kauf­mann zum letz­ten Mal ge­se­hen ha­ben, doch seit dem Un­fall hat er sich sehr ver­än­dert. Ich woh­ne ganz in der Nähe, und wir ha­ben uns frü­her manch­mal ge­trof­fen, aber nach dem Tod sei­ner Fa­mi­lie war er nicht mehr der­sel­be. Erst war er to­tal am Bo­den und nur noch ein Schat­ten sei­ner selbst. Er hat sein Ge­schäft ver­nach­läs­sigt, und vie­le ha­ben schon be­fürch­tet, dass es den Bach run­ter­geht. Manch­mal ist er, ohne zu sa­gen wo­hin, ein­fach ver­schwun­den und Tage spä­ter erst wie­der auf­ge­taucht. Dann hat er ohne ir­gend­ei­ne Be­grün­dung sein Ge­schäft plötz­lich ab­ge­ge­ben. Man mun­kelt, er hät­te so eine Art Ak­ti­en­fonds ein­ge­rich­tet und die­sen un­ter sei­nen An­ge­stell­ten auf­ge­teilt. Die fä­higs­ten von ih­nen hat er zur Lei­tung der Fir­ma be­stimmt und ih­nen alle wei­te­ren Ent­schei­dun­gen über­las­sen. Er soll zwar bei Fra­gen und Pro­ble­men im­mer noch zur Ver­fü­gung ste­hen, aber an­sons­ten küm­mert er sich nicht mehr um das Ge­schäft.«

      Er hol­te tief Luft und schüt­tel­te den Kopf.

      »Ich sehe ihn noch ab und zu, doch ich habe das Ge­fühl, dass er jetzt ein ganz an­de­rer Mensch ist. Er mei­det den Kon­takt mit an­de­ren und sucht die Ein­sam­keit. Manch­mal habe ich ihn in den Ber­gen stun­den­lang still an ei­nem Fleck sit­zen se­hen, und er schi­en nichts um sich he­r­um wahr­zu­neh­men. Ir­gend­wie ist er sehr selt­sam ge­wor­den. Also wenn Sie ihn von frü­her her ken­nen, dann soll­ten Sie kei­nen über­schwäng­li­chen Emp­fang er­war­ten.«

      Sie lä­chel­te ihn an und sag­te:

      »Dan­ke für den Tipp, aber ich den­ke, er wird mich schon er­war­ten. Wir ha­ben uns erst vor ei­ni­gen Ta­gen zu­fäl­lig ge­trof­fen und hat­ten ein lan­ges und in­ter­essan­tes Ge­spräch. Also noch­mals dan­ke für al­les und: Auf Wie­der­se­hen!«

      Mit die­sen Wor­ten wen­de­te sie sich ab und folg­te dem be­schrie­be­nen Weg.

      Ihr nach­denk­lich nach­schau­end, ging der Bau­ar­bei­ter zu­rück zu sei­nen Kol­le­gen, und die­se emp­fin­gen ihn mit neu­gie­ri­gen Wor­ten:

      »Eh, das war ja an­schei­nend eine sehr er­folg­rei­che An­ma­che! Du hast ihr wohl gleich den Weg zu dir nach Hau­se be­schrie­ben?«

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