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möglich!«

      »Doch! Den meisten Leuten ist eben nicht klar, daß man aus dem Untergang einer Kultur ebensoviel Geld herausschlagen kann wie aus dem Aufbau einer neuen.«

      »Was soll das heißen?«

      »Ihre Familie, meine Familie und jeder, der heute abend hier ist, alle haben ihr Vermögen damit gemacht, daß sie eine Wüste in Kulturland verwandelt haben. Das heißt ein Reich aufbauen. Beim Aufbau eines Reiches läßt sich freilich viel Geld verdienen. Beim Untergang eines Reiches aber noch mehr.«

      »Was für ein Reich meinen Sie?«

      »Das Reich, in dem wir leben. Der Süden, die Konföderierten Staaten, das Baumwollreich - es bricht uns jetzt unter den Füßen zusammen. Das aber wollen die meisten Dummköpfe nicht einsehen. Sie werden ihren Vorteil erst aus der Lage zu ziehen suchen, die nach dem Zusammenbruch entsteht. Ich ziehe ihn aus dem Zusammenbrach selbst.«

      »Dann glauben Sie also wirklich, wir werden geschlagen?«

      »Ja, warumdenn Vogel Strauß spielen?«

      »Ach Gott, ist das alles langweilig! Können Sie eigentlich jemals auch etwas Hübsches sagen, Kapitän Butler?«

      »Macht es Ihnen Freude, wenn ich Ihnen sage, daß Ihre Augen zwei Goldfischhäfen gleichen, die bis zum Rand mit dem klarsten grünen Wasser gefüllt sind? Und wenn die Fische an die 0berfläche kommen, wie in diesem Augenblick, dann sind sie verteufelt reizend.«

      »Ach, das mag ich gar nicht ... Ist die Musik nicht wunderbar? Ach, ich könnte ewig so weitertanzen. Ich habe gar nicht gewußt, wie sehr ich es vermißt habe.«

      »Sie sind die schönste Tänzerin, die ich je im Arm gehalten habe.« »Kapitän Butler, Sie dürfen mich nicht so fest anfassen. Alles schaut auf

      uns.«

      »Wenn es niemand sähe, hätten Sie dann auch etwas dagegen?« »Kapitän Butler, Sie vergessen sich.«

      »Nicht einen Augenblick. Wie könnte ich, solange ich Sie im Arm halten ... Was ist das für ein Walzer, ist er neu?«

      »Ja. Ist er nicht herrlich? Den haben wir von den Yankees gekapert.« »Wie heißt er?«

      »Wenn der grausige Krieg zu Ende ...«

      »Wie sind die Worte? Singen Sie sie mir vor.«

      »>Liebste, weißt dunoch, das letztemal,

      Als wir zwei uns sahn?

      Als du mir zu Füßen knietest

      Und von der Liebe sprachst? Ach, wie stolz du vor mir standest Ganz in Grau,

      Als du schwurst, mich nie zu lassen,

      Nie das Vaterland.

      Ach, nun wein' ich, einsam, t raurig, Seufzer, Tränen, ach, umsonst! Wenn der grause Krieg zu Ende, Wollenwirunswiedersehen! <

      Natürlich hieß es >Ganzin Blau<, aber wir habenes in >Grau< umgeändert ... Ach, Sie tanzen so gut Walzer, Kapitän Butler. Sie wissen doch, große Männer können das selten. Und zu denken, daß es nun Jahre dauert, bis ich wieder tanzet«

      »Das dauert nur ein paar Minuten. Ich biete auch für die nächste Polonäse auf Sie ... und für die übernächste und überübernächste.«

      »0 nein, das geht nicht! Das dürfen Sie nicht! Dann ist mein Ruf hin.«

      »An dem kann auch der nächste Tanz nicht mehr viel verderben. Mag sein, daß ich den andern Jungens auch einmal Gelegenheit gebe, wenn ich fünf oder sechs hinter mir habe, aber den letzten bekomme ich!«

      »Also gut Ich weiß, ich bin verrückt, aber was schert das mich! Mir ist es ganz einerlei, was die Leute sagen. Ich habe es so satt, zu Hause zu sitzen. Ich will tanzen und immer wieder tanzen.«

      »Und nicht mehr Schwarz tragen? Krepp ist mir ein Greuel.«

      »0 nein, meine Trauer kann ich nicht ablegen ... Kapitän Butler, Sie dürfen mich nicht so an sich drücken. Wenn Sie das tun, werde ich böse.«

      »Sie sehen so wunderbar aus, wenn Sie böse sind. Ich will Sie noch einmal recht fest drücken ... so ... nur um zu sehen, ob Sie wirklich böse werden. Sie haben ja keine Ahnung, wie reizend Sie damals in Twelve 0aks waren, als Sie in Wut gerieten und Gegenstände zerschmissen.«

      »Ach, bitte ... wollen Sie das nicht vergessen?«

      »Nein, das gehört zu meinen ganz unbezahlbaren Erinnerungen ... eine wohlerzogene Schöne aus den Südstaaten, mit der ihr irisches Blut durchgeht.«

      »0 je, nun ist die Musik zu Ende, und da kommt Tante Pittypat aus dem Hinterzimmer. Mrs. Merriwether muß es ihr erzählt haben, das weiß ich gewiß. Ach, um Gottes willen, lassen Sie uns hinübergehen und zum Fenster hinausschauen. Jetzt darf sie mich nicht abfangen. Ihre Augen sind so groß wie Untertassen.«

      Am nächsten Morgen saß Tante Pittypat in Tränen aufgelöst über ihren Waffeln. Melanie war still, Scarlett trotzig.

      »Was geht das mich an, was sie reden! Ich habe dem Lazarett mehr Geld eingebracht als all der alte Kram, den wir verkauft haben.«

      »Ach Gott, was liegt denn an Geld«, jammerte Tante Pittypat und rang die Hände. »Ich traute einfach meinen Augen nicht, und dabei ist der arme Charlie kaum ein Jahr tot. Und dieser schreckliche Kapitän Butler, der dich so kompromittiert hat. Er ist ein ganz, ganz furchtbarer Mensch. Mrs. Whitings Cousine, Mrs. Coleman, deren Mann aus Charleston ist, hat mir davon erzählt. Er ist das schwarze Schaf einer angesehenen Familie. In Charleston wird er von niemandem empfangen, er hat den schlimmsten Ruf von der Welt, und da war etwas mit einem Mädchen, etwas so Schreckliches. Mrs. Coleman wußte nicht einmal, was es eigentlich war.«

      »Nein, ich kann nicht glauben, daß er so schlecht ist«, sagte Melanie sanft. »Er machte den Eindruck eines vollkommenen Gentleman, und wenn man bedenkt, wie tapfer er die Blockade durchbrochen hat ...«

      »Er ist gar nicht tapfer«, sagte Scarlett störrisch und goß sich das halbe Glas Sirup über die Waffeln. »Er tut es nur um des Geldes willen. Das hat er mir gesagt. Die Konföderierten Staaten sind ihm gleichgültig, und er sagt, wir bekommen Prügel. Aber tanzen tut er göttlich!«

      Die beiden Zuhörerinnen waren vor Entsetzen sprachlos.

      »Ich habe es satt, zu Hause zu sitzen. Ich tue es nicht mehr. Wenn alle jetzt über mich herziehen, ist mein Ruf ohnehin erledigt, und es kommt nicht mehr darauf an, was sie sonst sagen.«

      Sie merkte nicht, daß dies Rhett Butlers Gedanke war. Er kam ihr so gelegen und fügte sich so gut in ihre eigenen Gedanken ein.

      »Ach, was wird deine Mutter sagen, wenn sie davon hört? Was soll sie nur von mir denken?«

      Als Scarlett sich Ellens Bestürzung vorstellte, falls sie je von dem anstößigen Benehmen ihrer Tochter erfahren sollte, wurde ihr beklommen ums Herz. Aber sie schöpfte wieder Mut, als sie sich überlegte, daß zwischen Atlanta und Tara fünfundzwanzig Meilen lagen. Miß Pitty erzählte Ellen sicher nichts, denn sie würde sich als Tante in ein gar zu schlechtes Licht setzen.

      »Ich glaube«, sagte Pitty, »es ist besser, ich schreibe Henry einen Brief darüber, so ungern ich das auch tue, aber er ist unser einziger männlicher Verwandter und sollte Kapitän Butler ins Gewissen reden. Ach, wenn nur Charlie noch lebte! Mit dem Mann darfst du niemals wieder auch nur ein Wort sprechen, Scarlett.«

      Melanie hatte ruhig mit den Händen im Schoß dagesessen, während ihr die Waffeln auf dem Teller kalt wurden. Sie stand auf, trat hinter Scarlett und legte ihr die Arme umden Hals.

      »Liebes«, sagte sie, »laß dich nicht irremachen. Ich verstehe dich. Was du gestern abend getan hast, war tapfer von dir und eine große Hilfe für das Lazarett.

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