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haben, der kein Gentleman war! Ein Gentleman tat immer, als schenke er einer Dame Glauben, auch wenn er wußte, daß sie log. Das war die Ritterlichkeit des Südens. Dieser Mann hingegen genoß es sichtlich, an peinliche Dinge zu rühren.

      »Ich warte in großer Spannung.«

      »Sie sind abscheulich«, sagte sie hilflos und schlug die Augen nieder.

      Er lehnte sich weit über die Auslage, bis sein Mund ihrem 0hr nahe war, und zischte ihr in überaus glaubwürdiger Nachahmung eines Bühnenschurken die Worte zu: »Fürchte nichts, schöne Dame, dein sündiges Geheimnis ist bei mir sicher.«

      »Wie können Sie nur so etwas sagen?« flüsterte sie fiebernd.

      »Ich wollte nur Ihr Gemüt erleichtern, was hätte ich sonst sagen sollen? Vielleicht: >Sei mein, schönes Weib, oder ich bringe alles an den Tag<?« Wider Willen begegnete ihr Blick dem seinen, und sie sah den Schalk darin wie bei einem kleinen Jungen. Da lachte sie plötzlich auf. Schließlich war es doch eine gar zu alberne Situation. Er lachte auch, so laut, daß mehrere Chaperons aus der Ecke herüberschauten. Als sie bemerkten, wie gut die Witwe Charles Hamiltons sich mit einem Fremden unterhielt, steckten sie die Köpfe mißbilligend zusammen.

      In diesem Augenblick erscholl ein Trommelwirbel. Viele Stimmen zischten, Ruhe heischend, als Dr. Meade auf das Podium trat und mit erhobenem ArmumGehör ersuchte.

      »Wir sind den liebenswürdigen Damen den größten Dank dafür schuldig«, hub er an, »daß ihre unermüdliche Arbeit für das Vaterland diese Veranstaltung nicht nur zu einem finanziellen Erfolg gemacht, sondern obendrein diese unwirtliche Halle in einen festlichen Garten verwandelt hat, in den die reizenden Rosenknospen, die ich hier um mich sehe, so recht hineinpasse n.«

      Alles klatschte Beifall.

      »Die Damen haben ihr Bestes an Zeit und Mühe hergegeben, und alle die schönen Dinge in diesen Buden sind doppelt schön, weil die feinen Hände unserer reizenden Frauen aus demSüden sie verfertigt haben.«

      Die Beifallsrufe wurden lauter, aber Rhett Butler, der sich lässig neben Scarlett über die Auslage lehnte, flüsterte ihr ins 0hr: »Pathetischer Ziegenbock!« Erschrocken über diese Majestätsbeleidigung - Dr. Meade war doch Atlantas beliebtester Bürger starrte sie ihn an. Aber tatsächlich sah der Doktor mit seinem grauen Kinnbart, der heftig hin und her wackelte, wie ein Ziegenbock aus, und nur mit Mühe unterdrückte Scarlett ein Kichern.

      »Aber das ist noch nicht alles. Die guten Damen des Lazarettkomitees, deren kühle Hände mancher Leidensstirn so wohlgetan und manchen Braven, der sein Blut für die gute Sache vergossen hat, dem Rachen des Todes entrissen haben, kennen unsere Bedürfnisse. Ich will sie nicht aufzählen. Wir brauchen mehr Geld, um Arzneien aus England zu kaufe n, und in unserem Kreise befindet sich heute abend der verwegene Kapitän, der schon ein Jahr lang immer wieder die Blockade durchbrochen hat und es auch künftig tun wird, um uns die notwendigen Arzneien zu verschaffen: Kapitän Rhett Butler!«

      Das kam unerwartet. Der Blockadebrecher machte eine anmutige Verbeugung - allzu anmutig, fand Scarlett und versuchte zu deuten, was er damit ausdrücken wollte. Fast schien es ihr, als übertreibe er seine Höflichkeit, weil seine Verachtung für alle Anwesenden so über alle Maßen groß war. Ein Beifallssturm brach aus, und die Damen in der Ecke reckten die Hälse. Das also war der Mann, mit dem sich die Witwe des armen Charles Hamilton amüsierte, und Charlie war doch erst ein Jahr tot.

      »Wir brauchen mehr Gold, und ich bitte Sie darum«, fuhr der Doktor fort. »Ich bitte Sie um ein 0pfer, ein kleines 0pfer, lächerlich klein im Vergleich zu den 0pfern, die unsere tapferen Grauen uns bringen. Meine Damen, ich brauche Ihren Schmuck. Ich? Nein, die Konföderierten Staaten bitten darum, und ich weiß, da wird niemand zurückhalten. Wie schön glitzert ein Geschmeide an einem lieblichen Handgelenk, wie herrlich glänzt eine goldene Brosche am Busen unserer patriotischen Frauen! Aber wieviel herrlicher als alles Gold, als alle Edelsteine ist doch das 0pfer auf dem Altar des Vaterlandes! Das Gold wird eingeschmolzen, die Steine werden verkauft, und für das Geld werden Arzneien und anderer Lazarettbedarf beschafft. Meine Damen, zwei unserer tapferen Verwundeten werden jetzt mit einem Korb unter Ihnen die Runde machen ...« Das Ende der Rede ging im Sturm und Tumult des Händeklatschens und der Zurufe unter.

      Scarletts erster Gedanke war inniger Dank dafür, daß die Trauer ihr verbot, Großmama Robillards kostbare 0hrringe und schwere goldene Kette zu tragen oder ihre in schwarzem Email eingefaßten goldenen Armbänder und die Granatbrosche. Der kleine Zuave ging mit einem Spankorb am unverwundeten Arm langsam durch die Menge, und alte und junge Frauen zogen in lachendem Eifer ihren Schmuck ab, schrien vor gespieltem Schmerz auf, wenn sie die Ringe aus dem 0hr lösten, halfen einander, das Schloß der Halsketten zu öffnen, nahmen sich die Broschen vom Busen. Fortwährend erklang der helle Laut, mit dem Metall gegen Metall schlägt. Dazwischen rief es durcheinander: »Warten Sie ... einen Augenblick! So, jetzt ist es los!« Maybelle Merriwether zog die hübschen Zwillingsarmbänder, die sie über und unter dem Ellbogen trug, ab; Fanny Elsing rief: »Ma, darf ich?« und löste den Perlenschmuck mit seiner schweren Goldfassung, der seit Generationen in der Familie war, aus ihren Locken. Bei jeder Gabe erhob sich neues Händeklatschen und Beifallsgeschrei.

      Der grinsende kleine Mann kam jetzt mit dem Korb auf Scarletts Bude zu, an Rhett Butler vorbei, der ein schönes goldenes Zigarettenetui achtlos hineinwarf. Als er vor Scarlett den Korb auf den Auslagentisch hinstellte, schüttelte sie den Kopf und breitete beide Hände aus, um zu zeigen, daß sie keinen Schmuck zu geben hätte. Da fiel ihr der helle Schimmer ihres breiten goldenen Eheringes ins Auge. Während eines verworrenen Augenblicks suchte sie sich im Geiste Charles' Gesicht, als er ihr den Ring an den Finger steckte, zu vergegenwärtigen. Aber die Erinnerung ward durch die Gereiztheit, die jeder Gedanke an ihn in ihr wachrief, ausgelöscht. Mit raschem Griff wollte sie den Ring abziehen, aber er saß fest. Der Zuave ging weiter zu Melanie.

      »Halt!« rief Scarlett. »Ich habe etwas für Sie!« Der Ring glitt vom Finger, und als sie die Hand hob, um ihn auf all die Schmucksachen in den Korb zu werfen, begegnete sie Rhett Butlers Blicken. Seine Lippen waren zu einem winzigen Lächeln verzogen. Trotzig warf sie den Ring in den Korb.

      »0h, Liebste!« flüsterte Melly und packte sie am Arm, und die Augen funkelten ihr vor Liebe und Stolz. »Ach, du tapferes Mädchen! Halt! Bitte warten Sie, Leutnant Picard, ich habe noch etwas für Sie!«

      Sie zog an ihrem eigenen Trauring, von dem Scarlett wußte, daß er ihr nie vom Finger gekommen war, seitdem Ashley ihn daraufgesteckt hatte. Scarlett wußte wie niemand sonst, was dieser Ring ihr bedeutete. Er ließ sich nur mit Schwierigkeit abziehen, und einen kurzen Augenblick umschloß die kleine Hand ihn fest. Dann legte sie ihn sanft in den Korb. Beide Mädchen schauten dem Zuaven nach, der zu den älteren Damen hinüberging, Scarlett trotzig, Melanie mit einem unbeschreiblichen Blick, der tiefer zu Herzen ging als alle Tränen; und der Mann, der neben ihnen stand, ließ sich nichts von dem entgehen, was auf den beiden Gesichtern zu lesen war.

      »Wärest du nicht so tapfer gewesen, ich hätte mich nie dazu entschließen können!« Melly legte den Arm um Scarletts Taille und drückte sie an sich. Einen Augenblick lang hatte Scarlett den Wunsch, sie abzuschütteln und einen kräftigen Fluch auszustoßen, wie Gerald tat, wenn er sich ärgerte. Aber sie sah Rhett Butlers Blick auf sich gerichtet, und es gelang ihr, sich zu beherrschen. Es war ihr verhaßt, wie Melly ihr immer Empfindungen unterschob, die sie gar nicht verspürte ... aber vielleicht doch besser so, als wenn sie die Wahrheit ahnte!

      »Welch schöne Geste!« sagte Rhett Butler. »Solch ein 0pfer wie das Ihre macht unseren braven grauen Jungens wieder Mut.«

      Eine hitzige Erwiderung drängte sich ihr auf die Lippen, aber sie hielt sie zurück. Mit jedem Wort, das er sprach, machte er sich über sie lustig. Er war ihr von ganzem Herzen zuwider. Aber dennoch, er hatte etwas Anfeuerndes, Lebendiges, Elektrisierendes. Ihr irisches Naturell bäumte sich gegen die Herausforderung seiner schwarzen Augen auf. Sie beschloß, den Kampf mit diesem Mann aufzunehmen. Daß er ihr Geheimnis kannte, gab ihm einen Vorteil, der sie zur Raserei brachte. Aber die Versuchung, ihm ihre Empörung ins Gesicht zu sagen, überwand sie. Mit Zucker fängt

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