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Hand aus. »Ich sah Sie ...«

      »... an dem frohen Abend, als Ihre Verlobung verkündet wurde«, vollendete er und beugte sich über ihre Hand. »Es ist sehr liebenswürdig, daß Sie sich meiner entsinnen.«

      »Und was machen Sie so weit von Charleston entfernt, Mr. Butler?«

      »Langweilige Geschäfte, Mrs. Wilkes. Aber ich werde jetzt öfter in dieser Stadt ein und aus gehen. Es hat sich herausgestellt, daß ich die Ware nicht nur hereinbringen, sondern mich auch darum kümmern muß, was weiterhin damit geschieht.«

      »Hereinbringen ...?« Melly zog die Stirn kraus. Aber dann strahlte sie auf: »Was, Sie müssen ja der berühmte Kapitän Butler sein, der Blockadebrecher, von dem wir soviel gehört haben! Jedes Mädchen trägt ja ein Kleid, das Sie hereingebracht haben. Scarlett, ist das nicht interessant? ... Aber was ist dir denn? Ist dir nicht wohl?«

      Scarlett sank auf den Hocker. Ihr Herz klopfte rasch. Daß etwas so Schreckliches ihr widerfahren mußte! Sie hatte gehofft, den Mann nie wiederzusehen. Er ergriff ihren schwarzen Fächer und begann, sie mit ernstem Gesicht, aber immer noch funkelnden Augen zu fächeln. »Es ist recht warm hier drinnen«, sagte er, »kein Wunder, daß Miß 0'Hara sich nicht wohl fühlt. Darf ich Sie ans Fenster führen?«

      »Nein!« sagte Scarlett so abweisend, daß Melly große Augen machte.

      »Sie ist nicht mehr Miß 0'Hara«, sagte Melly. »Sie heißt Mrs. Hamilton und ist meine Schwester.«

      Scarlett hatte das Gefühl, als lege sich der Ausdruck in Kapitän Butlers wettergebräuntem Piratengesicht wie eine Klammer umihren Hals.

      »Damit haben zwei reizende Damen gewiß sehr viel gewonnen.« Das war eine der üblichen Bemerkungen, die alle Herren machten; die Art aber, in der er es sagte, ließ es ihr so klingen, als meine er das Gegenteil.

      »Ihre Gatten sind doch heute bei einem so glücklichen Anlaß zugegen? Es würde mir eine Freude sein, meine Bekanntschaft mit ihnen zu erneuern.«

      »Mein Mann ist in Virginia.« Melly hob stolz den Kopf. »Aber Charles ...«

      »Er ist im Ausbildungslager gestorben«, sagte Scarlett nüchtern, bei nahe barsch. Wollte denn der Mensch nicht wieder fortgehen? Melly sah sie betroffen an, und der Kapitän erwiderte mit einer Miene aufrichtigen Bedauerns: »Meine lieben, verehrten Damen, wie konnte ich nur ...! Verzeihen Sie mir; doch erlauben Sie einem Fremden, Ihnen zum Trost zu sagen, daß der Tod fürs Vaterland ewiges Leben verheißt.«

      Melanie lächelte ihm durch schimmernde Tränen zu, aber in Scarletts Innern nagte ohnmächtiger Haß. Wieder harte er eine höfliche Bemerkung gemacht, wie jeder Gentleman sie machen konnte, aber sie wußte, daß er sie dabei verhöhnte. Ihm war ja bekannt, daß sie Charles nicht geliebt hatte. Melly war zum Glück dumm genug, ihn nicht zu durchschauen. Gott mochte verhüten, daß ihn jemals jemand durchschaute! 0b er wohl ausplauderte, was er wußte? Er war ja kein Gentleman! Sie sah, daß seine Mundwinkel in spöttischem Mitgefühl herabgezogen waren, während er ihr immer noch zufächelte. In einer Aufwallung des Abscheus riß sie ihm den Fächer aus der Hand.

      »Mir ist sehr wohl«, sagte sie, »Sie brauchen mir nicht das Haar in Unordnung zu bringen.«

      »Scarlett, Liebling! Kapitän Butler, Sie müssen ihr verzeihen, sie ist nicht mehr sie selbst, sobald von dem armen Charlie die Rede ist. Wir hätten beide heute abend nicht herkommen sollen. Sehen Sie, wir sind noch in Trauer, und all die Lustigkeit und die Musik strengt das arme Kind sehr an.«

      »Ich verstehe vollkommen«, sagte er mit betonter Zurückhaltung. Als er aber auf Melanie einen forschenden Blick warf und ihren klaren Augen bis auf den Grund schaute, verwandelte sich sein Ausdruck. Verhaltene Achtung und Zartheit zogen über sein dunkles Gesicht. »Sie sind eine mutige kleine Frau, Mrs. Wilkes.« Scarlett war empört, daß er sie in das Kompliment nicht mit einschloß; Melanie lächelte verschäm t.

      »Du meine Güte, nein, Kapitän Butler! Das Lazarettkomitee brauchte uns im letzten Augenblick für diese Bude ... ein Kissenbezug gefällig? Hier ist ein sehr schöner, mit einer Flagge darauf.« Sie wandte sich an drei Kavalleristen, die vor ihrer Auslage auftauchten. Einen Augenblick schoß es Melanie durch den Sinn, wie nett Kapitän Butler doch sei. Dann kam ihr der Wunsch dazwischen, es möchte eine festere Schutzwand als der dünne Dekorationsstoff zwischen ihrem Rock und dem Spucknapf sein, der gerade an der Außenseite ihrer Bude stand: mit ihrem bernsteinfarbenen Tabaksaft zielten die Reiter nicht immer so unfehlbar wie mit ihren langen Sattelpistolen. Dann vergaß sie den Kapitän, Scarlett und den Spucknapf über anderen Kunden, die sich herandrängten. Scarlett saß still auf ihrem Hocker und wagte nicht aufzublicken. Sie wünschte Butler zurück an das Deck seines Schiffes, wohin er gehörte.

      »Ist Ihr Mann schon lange tot?« »0 ja, schon fast ein Jahr.« »Das ist ja ein Aon!«

      Scarlett wußte nicht, was ein Aon sei. Aber der Spott ihres Peinigers war nicht mißzuverstehen. Sie schwieg.

      »Waren Sie lange verheiratet? Verzeihen Sie meine Frage, aber ich war so lange nicht in dieser Gegend.«

      »ZweiMonate«, antwortete Scarlett widerwillig.

      »Darum ist es nicht minder traurig«, fuhr er beharrlich fort.

      »Hol ihn der Teufel!« dachte sie zornig. »Wäre er ein anderer, so könnte ich ihn einfach eiskalt behandeln und wegschicken. Aber er weiß von Ashley, und daß ich Charlie nicht geliebt habe.« Sie sagte nichts und blickte auf ihren Fächer nieder.

      »Sie sind heute zum erstenmal wieder in Gesellschaft?«

      »Ich weiß, es sieht etwas sonderbar aus«, fiel sie rasch ein, »aber die Mädchen, die diese Bude übernehmen sollten, mußten plötzlich abreisen, und es war niemand zum Ersatz da. Deshalb haben Melanie und ich ...«

      »Kein 0pfer ist zu groß für die gerechte Sache.«

      Das hatte auch Mrs. Elsing gesagt, aber da hatte es ganz anders geklungen. Hitzige Worte wollten ihr über die Lippen, aber sie schluckte sie wieder hinunter.

      »Ich habe immer gefunden«, sagte er nachdenklich, »daß die ganze Art, wie die Witwen für den Rest ihres Lebens eingekerkert werden, ebenso barbarisch ist wie die Sati der Hindus.«

      »Die Sage?«

      Er lachte, und sie errötete über ihre Unwissenheit. Wer Worte gebrauchte, die sie nicht verstand, war ihr unausstehlich.

      »Wenn in Indien ein Mann stirbt, wird er nicht begraben, sondern verbrannt, und dann steigt seine Frau zu ihm auf den Scheiterhaufen und läßt sich mitverbrennen.«

      »Wie schrecklich! Aber warum tun sie das, und sieht die Polizei da ruhig zu?«

      »Eine Frau, die sich nicht verbrennen ließe, wäre eine Ausgestoßene. Alle ehrbaren Hindumatronen würden über sie reden, daß sie sich nicht benehme wie eine wohlerzogene Dame. Genau wie jene ehrbaren Matronen in der Ecke dort drüben über Sie reden würden, wenn Sie heute abend in Rot erschienen wären und einen Walzer tanzen wollten. Mir persönlich kommt die Witwenverbrennung viel barmherziger vor als unsere hiesige Sitte, die Witwen lebendig zu begraben.«

      »Wie können Sie sich unterstehen zu behaupten, ich sei lebendig begraben!«

      »Wie doch die Frauen an ihren Ketten hängen! Sie finden die Sitte der Hindus barbarisch, aber ob Sie wohl den Mut gehabt hätten, heute abend zu erscheinen, wenn nicht das Vaterland Sie gerade gebraucht hätte?«

      Solche Schlußfolgerungen verwirrten Scarlett immer, und diese ganz besonders, weil ihr dämmerte, daß Wahrheit darin enthalten war. Es wurde Zeit, ihm eins auf den Mund zu geben.

      »Auf keinen Fall wäre ich gekommen. Es wäre ... eine Kränkung für ... es sähe so aus, als hätte ich Charles nicht ...«

      Seine Augen hingen in zynischer Belustigung an ihren Lippen. Sie konnte nicht fortfahren. Er wußte, daß sie Charles nicht geliebt

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