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liebäugeln, doch nur so viel, daß es ihre Eitelkeit kitzelte. Dann fühlten sie sich wieder jung und kniffen einen in die Wangen. Natürlich mußte man alsdann erröten, sonst taten sie es ärger als schicklich war und erzählten ihren Söhnen, man sei flott. Mit jungen Mädchen floß man über vor Liebe und küßte sie jedesmal, wenn man sie sah, und wäre es zwanzigmal am Tag. Man bewunderte unterschiedslos ihre neuen Kleider, neckte sie wegen ihrer Verehrer und sagte nie, was man wirklich dachte. Die Männer anderer Frauen ließ man gänzlich ungeschoren, um nicht ins Gerede zu kommen. Aber mit den jungen unverheirateten Männern war das eine andere Sache! Ihnen konnte man leise zulachen, mit den Augen konnte man viel Aufregendes versprechen, bis der Mann Himmel und Erde in Bewegung setzte, um mit einem allein zu sein. War man aber allein, so konnte man tiefgekränkt oder sehr böse sein, wenn er zu küssen versuchte. Man konnte ihn dann dazu bringen, sich zu entschuldigen, daß er sich wie ein Schuft benommen habe, und ihm so lieb verzeihen, daß es ihm den Kopf vollends verdrehte. Manchmal ließ man sich auch küssen. Dann weinte man hernach und behauptete, nicht zu wissen, was über einen gekommen sei, und nun könne er wohl nie wieder Achtung vor einem haben. Dann trocknete er einem die nassen Augen und machte meistens einen Heiratsantrag, um so seine Achtung gleich zu beweisen. 0h, wieviel ließ sich doch mit Junggesellen anfangen! Und Scarlett beherrschte alle Schattierungen des Seitenblicks und des halben Lächelns, des Wiegens in den Hüften, sie beherrschte die Tränen, die Ausgelassenheit, die Schmeichelei, das süße Mitgefühl. Sie beherrschte sie alle, die Künste und Kniffe, die nie versagten - außer bei Ashley.

      Sie wurde in ihren Träumen unterbrochen, als die Menge sich gegen die Wände zu drängen begann. Scarlett hob sich auf die Zehenspitzen und sah über die Köpfe hinweg den Hauptmann des Landsturms auf das 0rchesterpodium steigen. Er rief einige Kommandos in den Saal, und eine halbe Kompanie trat an. Dann gab es einige Minuten scharfen Drill zu sehen, der den Männern den Schweiß in die Stirnen trieb und bei den Zuhörern Beifall und Hochrufe erntete. Auch Scarlett klatschte pflichtschuldigst in die Hände, und als die Soldaten nach dem Wegtreten zu den Punschund Limonadenbuden drängten, wandte sie sich an Melanie: »Wie schön sie aussahen, nicht wahr?«

      Melanie machte sich an ihren Strickwaren in der Auslage zu schaffen und antwortete, ohne sich die Mühe zu machen, ihre Stimme zu dämpfen: »Die meisten würden sich in Virginia und in grauer Uniform noch sehr viel schöner ausmachen.«

      Mehrere stolze Mütter von Landsturmleuten standen ganz in der Nähe und hörten die Bemerkung. Mrs. Guinan wurde purpurrot und dann bleich. Ihr fünfundzwanzigjähriger Willie war bei der Kompanie.

      Scarlett war entgeistert, solche Worte aus Mellys Mund zu hören. »Aber Melly!«

      »Du weißt, Scarlett, daß es wahr ist. Ich meine nicht die kleinen Jungens und die alten Herren, aber eine Menge Landsturmleute sind sehr wohl in der Lage, ein Gewehr zu tragen, und sollten es auf der Stelle tun.«

      »Aber ... aber ...«, fing Scarlett an, die noch nie darüber nachgedacht hatte. »Jemand muß doch zu Hause bleiben, um ...« Was hatte ihr Willie Guinan doch noch erzählt, um seine Anwesenheit in Atlanta zu entschuldigen? »Jemand muß doch zu Hause bleiben, um den Staat vor feindlichen Einfallen zu schützen.«

      »Kein Feind fällt bei uns ein«, sagte Melly kühl und schaute zu ein paar Landsturmleuten hinüber. »Die beste Art, die Grenzen zu schützen, ist, nach Virginia zu gehen und dort die Yankees zu schlagen. Und all das Gerede, der Landsturm müsse hierbleiben, um einen Aufstand der Farbigen zu verhüten, nun, das ist der größte Unsinn, den ich je gehört habe. Das ist nur eine Ausrede für Feiglinge. Ich wette, wir würden mit den Yankees in einem Monat fertig, wenn der Landsturm aller Staaten nach Virginia ginge!«

      »Aber Melly!« Scarlett sah sie noch immer fassungslos an. In Mellys sanften Augen blitzte es zornig auf.

      »Mein Mann hatte keine Angst hinauszugehen, und auch deiner nicht. Mir wäre lieber, beide wären tot, als hier zu Hause ... Ach, Liebling, sei nicht böse. Wie gedankenlos von mir!« Bittend strich sie Scarlett, die sie groß ansah, über den Arm. Scarlett dachte gar nicht an Charlie, sie dachte an Ashley. Wenn er nun auch stürbe? Rasch wandte sie sich um und lächelte mechanisch, als Dr. Meade auf ihre Bude zugeschritten kam.

      »Na, ihr Mädel«, begrüßte er sie, »schön, daß ihr gekommen seid. Ich weiß, welche Überwindung es euch gekostet haben mag. Aber alles für die gute Sache! Ich will euch ein Geheimnis sagen. Ich habe eine Überraschung vor, mit der ich noch mehr Geld für das Lazarett einnehmen will. Aber ich fürchte, einige von den Damen werden Anstoß daran nehmen.« Er hielt inne und zupfte an seinem grauen Spitzbart.

      »Was denn, was? Bitte erzählen!«

      »Nein, ich glaube, ich lasse es euch lieber raten, ihr werdet schon sehen. Aber ihr Mädchen müßt für mich eintreten, wenn die Kirchenvorstände mich deshalb aus der Stadt jagen wollen.« Feierlich schritt er auf eine Gruppe Chaperons in einer Ecke zu, und gerade, als die beiden Mädchen die Köpfe zusammengesteckt hatten, um herauszubekommen, was er wohl vorhaben könnte, kamen zwei ausgelassene alte Herren schnurstracks auf die Bude zu und verlangten mit lauter Stimme zehn Ellen Spitzen. Scarlett begann abzumessen und ließ es geschehen, daß man sie unters Kinn faßte. Dann zogen die beiden ab, und hin und wieder nahm ein anderer ihren Platz vor der Auslage ein. So viel Kunden hatten sie nicht wie die andern Buden, wo Maybelle Merriwethers gurrendes Lachen und Fanny Elsings Kicher n erklang und die schlagfertigen Antworten der Whitingschen Mädchen allgemeine Lustigkeit erregten. Ruhig und gelassen wie ein Ladenbesitzer verkaufte Melly unnützes Zeug an Männer, die nie irgendeinen Gebrauch davon machen konnten, und Scarlett suchte es ihr gleichzutun. Einige Male erzählten Käufer, daß sie mit Ashley auf der Universität gewesen waren und was für ein ausgezeichneter Soldat er sei, oder sie sprachen voller Hochachtung von Charles, und welchen Verlust sein Tod für Atlanta bedeute. Dann schmetterte die Musik die ausgelassene Melodie »Johnny Booker, hilf dem Farbigen!«. Scarlett hätte schreien mögen. Sie wollte tanzen! Sie blickte über den Tanzboden hin und klopfte mit dem Fuß den Takt. Ihre grünen Augen schillerten lebenshungrig. Auf der andern Seite des Saales bemerkte ein Mann, der soeben in die Tür getreten war, den Blick dieser schrägen Augen in dem rebellischen Gesicht, erkannte sie und stutzte. Dann lächelte er vor sich hin, denn er entzifferte in ihnen, was jedes männliche Wesen sofort zu entziffern vermag.

      Er war hochgewachsen, trug einen eleganten schwarzen Tuchanzug und überragte alle Umstehenden. Seine Schultern waren von gewaltiger Breite, aber nach der Taille zu wurde er immer schlanker bis hinunter zu den auffallend kleinen Füßen in Lackstiefeln. Seine gepflegte Kleidung stach wunderlich von der Strenge seiner ganzen Erscheinung und besonders seines Gesichtes ab. Das war die Kleidung eines Dandys auf einem Athletenkörper. Er hatte kohlschwarzes Haar und einen kurzgeschnittenen Schnurrbart, der neben den martialischen Schnauzbärten der Kavallerieoffiziere fast fremdartig anmutete. Er trug eine gelassene, überlegene Unverschämtheit zur Schau. In dem frechen Blick, mit dem er Scarlett ansah, funkelte es boshaft, bis sie den Blick endlich spürte und zu ihm hinblickte. Einen Augenblick lang konnte sie sich nicht darauf besinnen, wer er war. Als er sich verbeugte, grüßte sie wieder, aber als er sich mit seinem eigentümlich geschmeidigen, indianerhaften Gang zu ihr aufmachte, fuhr die Hand vor Entsetzen zum Mund. Sie wußte nun, wer er war, und stand wie vom Blitz getroffen, während er sich durch die Menge Bahn brach. Dann machte sie blindlings kehrt und wollte in die Erfrischungsräume entfliehen, aber ihr Rock verfing sich an einem Nagel. Wütend riß sie sich los, da stand er schon neben ihr.

      »Erlauben Sie«, sagte er höflich, beugte sich vor und brachte ihre Rüschen in 0rdnung. »Ich hatte kaum gehofft, Miß 0'Hara, daß Sie mich wiedererkennen würden.«

      Es war die schön modulierende Stimme eines Gentleman, klangvoll und doch belegt, in der trägen, verschliffenen Mundart Charlestons. Sie war ihrem 0hr eigentümlich angenehm. Hochrot vor Scham über ihr letztes Zusammentreffen blickte sie zu ihm auf und sah die kohlschwarzen Augen in erbarmungsloser Lustigkeit sprühen. Daß unter allen Menschen gerade dieser hier auftauchen mußte, der Zeuge ihrer Demütigung gewesen war, der abscheuliche Lump, der Mädchen zugrunde richtete und bei anständigen Leuten nicht empfangen wurde! Der verächtliche Kerl, der ihr - mit Recht - gesagt hatte, sie sei keine Dame.

      Beim

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