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mit Melly allein im Haus bin, bei all den fremden Männern, die jetzt in der Stadt sind! Du bist so tapfer, da macht es mir weniger aus, daß kein Mann im Haus ist!«

      »Ach, er kann dich doch nicht mit nach Tara nehmen!« Auch Melly sah aus, als wären ihr die Tränen ganz nahe. »Dein Heim ist jetzt bei uns, was sollten wir je ohne dich anfangen?«

      Ihr würdet mich mit Freuden entbehren, wenn ihr wüßtet, wie ich in Wirklichkeit über euch denke, dachte Scarlett mißmutig und wünschte, jemand anders als Melanie möge ihr helfen, Geralds Zorn abzuwehren. Es war ihr ein jämmerliches Gefühl, gerade von der verteidigt zu werden, die sie so wenig leiden mochte.

      »Sollten wir nicht lieber die Einladung an Kapitän Butler widerrufen?« fing Pittypat an.

      »Aber das können wir doch nicht! Das wäre wirklich die Höhe der Unhöflichkeit!«Melly war ganz unglücklich.

      »Bringt mich ins Bett, ich werde krank«, stöhnte Pittypat. »Ach, Scarlett, wie konntest du mir das antun?«

      Pittypat lag wirklich im Bett, als Gerald am nächsten Nachmittag ankam. Hinter ihrer verschlossenen Tür verschanzt, hatte sie sich tausendfach entschuldigen lassen und überließ es den beiden verängstigten Mädchen, sie beim Abendessen zu vertreten. Gerald war von unheilverkündender Schweigsamkeit, wenn er auch Scarlett küßte und Melly in die Wange kniff und sie »Cousine Melly« nannte. Flüche und Vorwürfe wären Scarlett sehr viel lieber gewesen. Melanie hielt getreulich ihr Versprechen und hängte sich, ein kleiner raschelnder Schatten, an Scarletts Rock. Gerald war zu sehr Gentleman, um seiner Tochter in ihrer Gegenwart die Leviten zu lesen. Scarlett mußte zugeben, daß Melanie es sehr geschickt anfing. Sie benahm sich, als wäre alles in bester 0rdnung, und als das Abendessen aufgetragen war, gelang es ihr auch, Gerald in ein Gespräch zu ziehen.

      »Ich möchte alles aus der Provinz hören«, sagte sie strahlend zu ihm. »India und Honey schreiben keine Briefe; Sie aber wissen ja alles, was dort vorgeht, bitte, erzählen Sie uns von Joe Fontaines Hochzeit.«

      Das schmeichelte Gerald, und er erzählte, die Hochzeit sei recht still verlaufen, weil Joe nur kurz Urlaub hatte. Sally, das kleine Munroeküken, habe sehr niedlich ausgesehen. Nein, was für ein Kleid sie anhatte, wußte er nicht mehr, er hatte aber gehört, ein Kleid für den »zweiten Tag« habe sie nicht gehabt.

      »Nicht möglich!« Die beiden Mädchen waren entrüstet.

      »Sicher nicht, sie hatte ja gar keinen >zweiten Tag< «, erklärte Gerald und lachte schallend, ehe ihm einfiel, daß solche Bemerkungen für weibliche 0hren nicht geeignet sein mochten. Es wurde Scarlett bei seinem Gelächter wieder ein wenig wohler, und sie segnete Melanies Taktik.

      »Joe ist am nächsten Tage schon wieder nach Virginia gegangen«, fuhr Gerald hastig fort, »da gab es keine Besuche und keinen Tanz hinterher. Die Tarleton-Zwillinge aber sind zu Hause.«

      »Wir haben davon gehört, sind sie wieder hergestellt?«

      »Sie waren nur leicht verwundet. Stuart hatte einen Schuß ins Knie, und durch Brents Schulter war eine Gewehrkugel gegangen. Habt ihr schon gehört, daß sie wegen ihrer Tapferkeit im Kriegsbericht erwähnt worden s ind?«

      »Nein! Erzähle!«

      »Tollköpfe - alle beide. Mir scheint fast, sie haben irisches Blut«, sagte Gerald wohlgefällig. »Was sie eigentlich gemacht haben, ist mit entfallen, aber Brent ist jetzt Leutnant.«

      Es machte Scarlett Freude, von ihren Heldentaten zu hören. Es war eine Freude am Eigentum. War ein Mann einmal ihr Verehrer gewesen, so betrachtete sie ihn immer weiter als ihr Eigentum, und alles, was er leistete, gereichte ihr zur Ehre.

      »Ich habe noch eine Neuigkeit für euch beide«, sagte Gerald, »es heißt, Stuart gehe in Twelve 0aks auf Freiersfüßen.«

      »Bei Honey oder India?« fragte Melly gespannt, während Scarlett fast entrüstet dreinsah.

      »Natürlich Miß India, die hatte ihn doch am Bändel, bis mein eigenes Gelichter nach ihm äugte. Stimmt's?«

      Melly war in nicht geringer Verlegenheit über Geralds freimütige Ausdrucksweise.

      »Und, was noch mehr ist, der junge Brent fängt an, in Tara herumzulungern. Was sagt ihr nun?«

      Scarlett war sprachlos. Es kam ihr geradezu wie eine Beleidigung vor, daß ihre Verehrer sie solcherart im Stich ließen, besonders wenn sie daran dachte, wie die beiden Tarletons sich aufgeführt hatten, als sie Charles heiraten wollte. Stuart hatte sogar damit gedroht, Charles zu erschießen oder Scarlett oder sich selbst oder alle drei. Es war höchst aufregend gewesen.

      »Suellen?« fragte Melly und lächelte freudig. »Aber ich dachte, Mr. Kennedy ...«

      »Der?« sagte Gerald, »ja, er katzbuckelt immer noch um sie herum und hat Angst vor seinem eigenen Schatten. Wenn er nicht bald selber mit der Sprache herausrückt, frage ich ihn nächstens, was er eigentlich vorhat. Nein, dies gilt meiner Kleinen.«

      »Carreen?«

      »Aber sie ist doch noch ein Kind«, sagte Scarlett scharf. Sie hatte ihre Sprache wiedergefunden.

      »Sie ist nur ein gutes Jahr jünger, als du bei deiner Hochzeit warst, mein Kind«, gab Gerald zurück. »Gönnst du deiner Schwester deine alten Verehrer nicht?«

      Melly, der solche 0ffenheiten äußerst peinlich waren, wurde rot und gab 0nkel Peter ein Zeichen, daß er den süßen Kartoffelauflauf hereinbringe. Verzweifelt suchte sie in ihrem Hirn nach einem Gesprächsthema, das nicht so persönlich, aber doch geeignet wäre, Mr. 0'Hara von seinem eigentlichen Reisezweck abzulenken. Ihr fiel nichts ein. Nachdem aber Gerald einmal im Gange war, brauchte er zu seiner Anregung nichts weiter als Zuhörer. Er redete sich in Zorn über die diebische Intendantur, die jeden Monat höhere Forderungen stellte, über Jefferson Davis' schuftige Dummheit und die Schäbigkeit der Iren, die sich durchs Handgeld verlocken ließen, in das Heer der Yankees einzutreten.

      Als der Wein auf dem Tisch stand und die beiden Mädchen sich erhoben, um den alten Herrn allein zu lassen, warf er hinter zusammengezogenen Brauen seiner Tochter einen strengen Blick zu und befahl sie zu einer kurzen Unterhaltung unter vier Augen. Während Scarlett ihr verzweifelt nachsah, ging Melly, hilflos an ihrem Taschentuch zerrend, hinaus und schloß leise die Flügeltür.

      Gerald schenkte sich ein Glas Portwein ein. »Also, mein Kind, das ist ja eine hübsche Geschichte! So kurz erst Witwe und schon auf den zweiten Mann aus!«

      »Nicht so laut, Pa, die Dienstboten ...«

      »Die wissen längst alles. Jeder weiß von deiner Schande. Deine arme Mutter liegt deswegen zu Bett, und ich mag mich nirgends mehr sehen lassen. Schmählich ist es. Nein, Puß, diesmal kommst du mir nicht mit Tränen davon.« Zwischen seinen hastigen Worten wurde eine gelinde Panik wahrnehmbar, als Scarletts Lider zu beben und ihr Mund zu zucken begann. »Ich kenne dich. Du würdest noch unter den Augen deines eigenen Ma nnes flirten. Nicht weinen! Nun, nun, ich will heute abend nichts mehr sagen. Ich suche jetzt den famosen Kapitän Butler auf, der es mit dem Ruf meiner Tochter so leicht nimmt. Aber morgen früh - Nicht weinen, das hilft dir gar nichts, nicht das geringste. Ich bleibe fest, und morgen kommst du wieder mit mir nach Tara, ehe du uns noch alle in Verruf bringst. Nicht weinen, Kindchen. Sieh mal, was ich dir mitgebracht habe, ist das nicht ein schönes Geschenk? Sieh doch her! Wie konntest du mir nur so viel Plage machen und mich den ganzen langen Weg hierher fahren lassen? Ich habe doch so viel um die 0hren. Nicht weinen!«

      Melanie und Pittypat schliefen schon seit mehreren Stunden, Scarlett aber, mit ihrem schweren angstvollen Herzen, lag noch immer wach in der wannen Dunkelheit. Nun, wo das Leben gerade wieder anfing, sollte sie Atlanta verlassen, heimfahren und vor Ellens Angesicht treten! Lieber wollte sie auf der Stelle sterben, dann würden sie es alle bereuen, daß sie so hart gegen sie gewesen waren. Sie drehte und wälzte sich auf den heißen Kissen, als von fernher aus der stillen Straße herauf ein merkwürdig vertrautes Geräusch an ihr 0hr schlug. Sie schlüpfte

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