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begann wieder zu leben, zu fühlen, zu begreifen. »Aber du hast doch gerade gesagt, du hättest mich gern.« Seine warmen Hände taten ihr weh.

      »Liebes, soll ich denn durchaus sagen, was dir weh tun mu ß?« Ihr Schweigen drängte ihn weiter.

      »Wie kann ich es dir begreiflich machen, mein Liebes? Du bist so jung und unbedacht, du weißt nicht, was Ehe heißt.«

      »Ich weiß, daß ich dich liebe.«

      »Liebe genügt für eine glückliche Ehe nicht, wenn zwei Menschen so verschieden sind wie wir beide. Du willst den Mann ganz, Scarlett, Leib und Seele, Herz und Sinn. Wenn du das nicht alles bekommst, wirst du unglücklich. Ich könnte mich dir aber nicht ganz geben. Und ich brauchte auch nicht deinen Geist und deine Seele ganz. Das müßte dich verletzen, und du müßtest mich hassen - bitterlich hassen. Hassen würdest du die Bücher, die ich lese, die Musik, die ich liebe, weil sie mich dir auch nur für Augenblicke wegnähmen. Und ich ... vielleicht habe ich ...«

      »Liebst du sie?«

      »Sie ist wie ich, sie ist von meinem Blut, und wir verstehen einander. Scarlett! Scarlett! Kann ich dir nicht begreiflich machen, daß es überhaupt keinen Frieden in der Ehe geben kann, wenn zwei Menschen nicht gleicher Art sind?«

      Das hatte schon einmal jemand gesagt: »Gleich muß sich mit gleich verheiraten, sonst gibt es keine glückliche Ehe.« Wer war das doch? Es war ihr, als seien tausend Jahre vergangen, seit sie das gehört hatte, aber noch immer fand sie keinen Sinn darin.

      »Aber du hast doch gesagt, du hättest mich gern!«

      »Ich hätte es nicht sagen sollen.«

      In einem Winkel ihres Hirns flammte ein schwelendes Feuer auf, Wut fing an, alles in ihr zu übertäuben.

      »Da du nun einmal so gemein warst, es zu sagen ...«

      Er erbleichte. »Es war gemein von mir, es zu sagen, denn ich will Melanie heiraten. Dir habe ich Unrecht getan und ihr noch mehr. Ich hätte es nicht sagen sollen; ich wußte, du würdest mich nicht verstehen. Wie sollte ich dich nicht gern haben - dich, die du alle Lebensleidenschaft hast, die mir fehlt? Dich, die du mit einer Heftigkeit, die mir versagt ist, lieben und hassen kannst? Du bist ja so elementar wie Feuer und Sturm und alles Wilde, und ich ...«

      Sie dachte an Melanie und sah plötzlich ihre ruhigen braunen Augen vor sich mit dem Blick aus weiter Ferne, ihre gelassenen kleinen Hände in den schwarzen Spitzenhandschuhen, ihr sanftes Schweigen. Und dann brach ihre Wut los, die gleiche Wut, die Gerald zum Mord getrieben hatte und andere irische Vorfahren zu anderen Missetaten, die ihnen den Kop f gekostet hatten. Von den wohlerzogenen Robillards, die gefaßt und schweigend alles ertragen konnten, was die Welt ihnen auferlegte, war jetzt keine Spur mehr in ihr.

      »Warum sagst du es nicht, du Feigling? Du hast Angst, mich zu heiraten! Du willst dein Leben lieber mit dem blöden Schäfchen verbringen, das den Mund nur auftut, um ja und nein zu sagen, und solche Bälger aufziehen wird, die auch nicht bis drei zählen können wie sie! Warum ...«

      »So etwas darfst du nicht über Melanie sagen!«

      »Ich darf nicht? Verdammt! Wer bist du, daß du mir vorschreibst, was ich darf? Du Feigling, du Lump, du ... du hast mir vorgetäuscht, daß du mich heiraten wolltest ...«

      »Sei gerecht«, flehte seine Stimme. »Habe ich je ...«

      Sie wollte nicht gerecht sein, obwohl sie sehr gut wußte, daß er die Wahrheit sprach. Nie hatte er bei ihr die Grenzen der Freundschaft überschritten. Und als sie daran dachte, stieg neuer Zorn in ihr auf, der Zorn verletzten Stolzes und gekränkter Eitelkeit. Sie war ihm nachgelaufen, und er wollte nichts von ihr wissen. Er zog ihr ein dummes kleines Milchgesicht wie Melanie vor. Ach, wäre sie doch Ellens und Mammys Vorschriften gefolgt und hätte ihn niemals auch nur fühlen lassen, daß sie ihn gern hatte ... lieber alles andere als diese brennende Schande!

      Mit geballten Fäusten sprang sie auf die Füße, auch er stand auf und blickte auf sie herab. In seinem Gesicht lag all die stumme Trauer eines Menschen, der einer qualvollen Wirklichkeit ins Gesicht sehen muß.

      »Ich hasse dich bis in den Tod, du Lump ... du niedriger ... niederträchtiger ...« Wie hieß das Wort, nach dem sie suchte? Ihr fiel nichts ein, was arg genug für ihn war.

      »Scarlett, bitte ...«

      Er streckte die Hand gegen sie aus, da schlug sie ihn mit aller Kraft ins Gesicht. Es klatschte wie ein Peitschenhieb durch den stillen Raum. Auf einmal war all ihre Wut dahin, und nur Trostlosigkeit blieb im Herzen zurück.

      Die rote Spur ihrer Hand zeichnete sich deutlich auf seinem bleichen, müden Gesicht ab. Er sagte nichts, hob nur ihre schlaffe Hand an seine Lippen und küßte sie. Ehe sie etwas sagen konnte, war er fort und schloß leise die Tür hinter sich.

      Jäh setzte sie sich wieder nieder, unter der Nachwirkung ihrer Wut zitterten ihr die Knie. Nun war er fort, und die Erinnerung an den Schlag in sein Gesicht würde ihr nun ihr Lebtag keine Ruhe mehr lassen.

      Sie hörte den weichen, gedämpften Laut seiner Tritte die lange Halle hinunter verklingen, und die ganze Ungeheuerlichkeit dessen, was sie getan hatte, kam über sie. Sie hatte ihn für immer verloren. Nun mußte er sie hassen und jedesmal, wenn er sie sah, sich daran erinnern, wie sie sich ihm an den Hals geworfen hatte, während er doch nicht das leiseste getan hatte, umihr Hoffnungen zu machen.

      »Ich bin nicht besser als Honey Wilkes«, dachte sie plötzlich und besann sich, wie jeder, sie selbst mehr als die anderen, über Honeys schamloses Betragen verächtlich gelacht hatte. Sie sah Honey sich kokett winden und hörte ihr läppisches Kichern, wenn sie sich den Burschen in den Arm hängte. Diese Vorstellung stachelte die Wut aufs neue in ihr an, die Wut auf sich selbst, auf Ashley, auf die ganze Welt. Wie sie sich haßte! Sich und alle, mit der Raserei ihrer sechzehnjährigen, durchkreuzten, gedemütigten Liebe. Nur sehr wenig wahre Zärtlichkeit war in dieser Liebe gewesen. Der größte Teil war Eitelkeit, selbstgefälliges Vertrauen in den eigenen Zauber. Nun hatte sie verloren. Größer aber als das Gefühl ihres Verlustes war die Angst, sich vor den andern an den Pranger gestellt zu haben. Hatte sie sich auffallend benommen wie Honey? Lachte jedermann über sie? Bei dem Gedanken erbebte sie von neuem.

      Ihre Hand fiel auf einen kleinen Tisch neben ihr und geriet dabei an eine winzige Porzellanschale für Rosen, an die sich zwei Porzellanengel schmiegten. Sie hätte fast aufgekreischt, nur um die Stille zu durchbrechen, so lautlos war das Zimmer. Irgend etwas mußte sie tun, oder sie verlor den Verstand. Sie packte die Schale, und mit bösartigem Schwung schleuderte sie sie quer durch das Zimmer gegen den Kamin. Sie flog knapp an de r hohen Sofalehne vorbei und zerschellte klirrend am Marmor.

      »Dies«, sagte eine Stimme aus der Tiefe des Sofas, »geht zu weit.«

      Nie im Leben hatte sie sich so erschrocken. Der Mund war ihr so trocken, daß sie keinen Laut herausbrachte. Sie klammerte sich an die Stuhllehne, denn ihr wankten die Knie, als Rhett Butler sich von dem Sofa, auf dem er gelegen hatte, erhob und sich mit übertriebener Höflichkeit vor ihr verbeugte.

      »Schlimm genug, wenn einem der Mittagsschlaf durch eine Szene gestört wird, wie ich sie mit anhören mußte. Soll ich da auch noch mein Leben in Gefahr bringen?«

      Er war es leibhaftig. Er war kein Geist. Aber, die Heiligen mochten sie bewahren, er hatte alles mit angehört! Sie nahm alle Kraft zusammen und gab sich einen Anschein von Würde.

      »Mein Herr, Sie hätten sich bemerkbar machen müssen.«

      »So?« Seine weißen Zähne glänzten, die kühnen dunklen Augen lachten sie an. »Aber Sie haben sich doch hier eingedrängt. Ich mußte auf Mr. Kennedy warten, und da mir schien, ich wäre im Hintergarten viel leicht nicht ganz erwünscht, war ich so rücksichtsvoll, meine unwillkommene Gegenwart hierher zu verlegen, wo ich glaubte ungestört zu sein. Aber leider ...«, er zuckte die Achseln

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