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bereitet.

      Charles Hamilton wich trotz der vereinten Bemühungen der Zwillinge Tarleton nicht von ihrer Seite. Er hielt ihren Fächer in der einen Hand und seinen unberührten Teller in der andern und vermied es hartnäckig, Honeys Blick zu begegnen, der die Tränen nahe waren. Cade hatte es sich zu ihrer Linken bequem gemacht und sah Stuart mit glimmenden Augen an.

      Schon schwelte die Glut zwischen ihm und den Zwillingen, schon waren gereizte Worte hin und her gegangen. Frank Kennedy scharwenzelte um Scarlett herum wie eine Henne um ein Küken und rannte zwischen den Eichen und den Tischen hin und her, um Scarlett mit Leckerbissen zu versorgen, als ob nicht schon ein Dutzend Diener zu diesem Zweck da wären. Suellens dumpfer Groll begann ihre vornehme Zurückhaltung zu durchbrechen, und sie schoß feindselige Blicke auf Scarlett. Die kleine Carreen hätte weinen mögen. Trotz Scarletts ermutigenden Worten von heute morgen hatte Brent nur »Hallo, Schwesterchen« zu ihr gesagt und sie am Haarband gezupft, ehe er seine volle Aufmerksamkeit Scarlett zuwandte. Gewöhnlich war er doch so nett zu ihr und behandelte sie mit einer heiteren Ehrerbietung, bei der sie sich ganz erwachsen vorkam; und Carreen träumte insgeheim von dem Tage, da sie ihr Haar aufstecken und einen langen Rock anziehen und ihn wirklich als Verehrer betrachten konnte. Aber nun sah es aus, als gehörte er Scarlett ganz und gar. Die Munroemädchen verbargen mühsam ihren Kummer über die Unaufmerksamkeit der beiden dunklen Fontaines, die mit im Kreise um Scarlett standen und sich an sie heranzuschlängeln suchten, sobald einer der andern Miene machte aufzustehen. Mit erhobenen Augenbrauen funkten sie ihre Mißbilligung über Scarletts Benehmen zu Hetty Tarleton hinüber. »Schamlos« war das einzig richtige Wort dafür. Alle drei zugleich nahmen die jungen Damen ihre Spitzenschirmchen in die Hand, sagten, sie hätten nun genug gegessen, berührten mit leichtem Finger den Arm des zunächststehenden Herrn und begehrten in holden Tönen den Rosengarten, den Brunnen und das Sommerhaus zu sehen. Dieser strategische Rückzug in guter 0rdnung entging keiner der anwesenden Damen und jedem der anwesenden Männer.

      Scarlett kicherte in sich hinein, als sie drei Männer ihren Zauberkreis verlassen sah, um den Damen Dinge zu zeigen, die ihnen von Kindheit auf vertraut waren, und warf einen scharfen Blick auf Ashley, um zu sehen, ob er es bemerkt habe. Der aber spielte mit den Enden von Melanies Schärpe und lächelte zu ihr hinauf. Scarletts Herz zog sich vor Weh zusammen. Sie hätte Melanies Elfenbeinhaut bis aufs Blut zerkratzen mögen.

      Als ihre Blicke weiterschweiften, begegneten ihre Augen denen Rhett Butlers, der abseits mit John Wilkes sprach. Er hatte sie beobachtet, und jetzt lachte er sie an. Scarlett hatte das unbehagliche Gefühl, daß unter allen Anwesenden nur dieser Mann, mit dem man nicht verkehrte, ihre wilde Lustigkeit durchschaute und sein hämisches Vergnügen daran fand. Auch ihn hätte sie mit Wonne zerkratzen mögen. »Wenn ich nur dieses Fest bis heute mittag überstehe«, dachte sie, »dann gehen alle Mädels zu einem Schläfchen hinauf, und ich bleibe hier und komme endlich dazu, mit Ashley zu reden. Er muß doch bemerkt haben, wie begehrt ich bin.« Noch mit einer anderen Hoffnung suchte sie ihr Herz zu trösten: »Natürlich muß er gegen Melanie aufmerksam sein, denn schließlich ist sie seine Cousine, und so unbeliebt, wie sie ist, wäre sie ohne ihn ein Mauerblümchen. «

      Sie schöpfte wieder Mut und verdoppelte ihre Bemühungen um Charles, dessen glühende braune Augen nicht von ihr abließen. Es war ein wundervoller Tag, ein Traumtag für ihn. Er hatte sich in Scarlett verliebt. Vor diesem neuen Gefühl wich Honey wie in einen dichten Nebel zurück.

      Honey war ein laut zwitschernder Spatz, Scarlett ein schillernder Kolibri. Sie zog ihn vor, stellte Fragen an ihn und gab selbst Antworten darauf, so daß er gescheit wirkte, ohne selbst ein Sterbenswörtchen zu erfinden. Die anderen ärgerten sich und wußten nicht, was sie dazu sagen sollten. Sie mußten sich ernstlich anstrengen, um höflich zu bleiben und die wachsende Wut hinunterzuschlucken. Überall glomm es unter der Asche, und wäre Ashley nicht gewesen, Scarlett hätte einen richtigen Triumph gefeiert.

      Als der letzte Bissen aufgegessen war, hoffte Scarlett, India werde nun aufstehen und den Damen vorschlagen, sich ins Haus zurückzuziehen. Es war zwei Uhr, und die Sonne schien warm, aber India war nach den dreitägigen Vorbereitungen so müde, daß sie froh war, sitzen zu dürfen und dabei einem tauben alten Herrn aus Fayetteville ihre Bemerkungen ins 0hr schreien zu können.

      Eine träge Schläfrigkeit legte sich über die Gesellschaft. Die Farbigen gingen herum und deckten die langen Tische, an denen man gespeist hatte, ab. Gelächter und Gespräch wurden stiller, alle warteten darauf, daß die Gastgeberin das Zeichen zum Ende der Festlichkeit geben möge. Palmenfächer wedelten auf und ab, und einige alte Herren waren vor Hitze und Sattheit eingenickt. In dieser Pause zwischen der Geselligkeit des Morgens und dem abendlichen Ball machten sie alle den Eindruck von gemessenen, friedlichen Leuten. Nur die jungen Männer hatten immer noch etwas von der ruhelosen Kraft, die bis vor kurzem die ganze Gesellschaft belebt hatte. Unter der Schlaffheit des Mittags lauerten Leidenschaften, die jeden Augenblick tödlich aufflammen und ebenso schnell ausbrennen konnten. Die Unterhaltung wollte eben völlig einschlafen, als plötzlich alles durch Geralds zornig erhobene Stimme aus dem Halbschlummer geschreckt wurde. Er stand in einiger Entfernung von den Speisetischen und war auf demHöhepunkt eines Streites mit John Wilkes angelangt.

      »Heiliger Strohsack, Mann! Für friedliche Einigung mit den Yankees beten? Nachdem wir die Schufte aus Fort Sumter hinausgefeuert haben? Friedlich? Die Südstaaten sollten mit den Waffen in der Hand zeigen, daß sie sich nicht beleidigen lassen und daß sie sich nicht mit gütiger Erlaubnis der Union von ihr trennen, sondern aus eigener Kraft befreien!«

      »Mein Gott«, dachte Scarlett, »nun können wir alle bis Mitternacht hier sitzen bleiben.«

      Im Handumdrehen hatte sich alle Schläfrigkeit verflüchtigt. Die Männer sprangen von Bänken und Stühlen auf, die Stimmen begannen einander zu überschreien. Den ganzen Morgen hatte auf Mr. Wilkes' Bitte, die Damen nicht zu langweilen, niemand von Politik und Kriegsgefahr gesprochen. Aber nun hatte Gerald das Eis gebrochen, und alle anwesenden Männer vergaßen die Ermahnung.

      »Natürlich wollen wir kämpfen ...« »Diese verfluchten Yankees, diese Spitzbuben ...« »Wir verhauen sie in einem einzigen Monat...« »Einer von uns prügelt zwanzig von ihnen windelweich ...« »Friedlich? ... Sie lassen uns ja nicht in Frieden!« »Wie Mr. Lincoln unsere Unterhändler beleidigt hat ... Wochenlang hat er sie warten lassen und versprochen, Fort Sumter zu räumen!« »Sie wollen den Krieg, nun, er soll ihnen bald zum Halse heraushängen!« Lauter als alle anderen donnerte Gerald. Scarlett hörte ihn brüllen: »Die Rechte der Südstaaten, Teufel noch mal!« Er ereiferte sich gewaltig und kam endlich auf seine Kosten, seine Tochter aber durchaus nicht. All dies Gerede war ihr gründlich verhaßt, weil sich die Männer nun stundenlang damit beschäftigen und sie vorläufig keine Gelegenheit mehr finden würde, Ashley unter vier Augen zu sprechen. Natürlich gab es keinen Krieg, das wußten die Männer alle. Sie redeten nur gern und hörten sich so gern reden.

      Charles Hamilton war nicht mit den andern aufgesprungen und fand sich plötzlich mit Scarlett allein. Da lehnte er sich enger an sie und flüsterte mit der Kühnheit neugeborener Leidenschaft: »Miß 0'Hara ... Ich ... ich hatte schon beschlossen, daß ich nach Südcarolina zur Truppe gehen wollte, falls es Krieg gäbe. Mr. Wade Hampton stellt eine Reitertruppe auf, und da wollte ich natürlich dabeisein. Er ist ein großartiger Kerl und war der beste Freund meines Vaters.«

      Scarlett sah ihn verwundert an und dachte: »Wie können Männer nur so dumm sein, zu glauben, daß ein Mädchen sich für so etwas interessiert.« Er meinte, sie finde vor lauter Begeisterung keine Worte, und fuhr immer kühner fort:

      »Wenn ich nun gehe, sind ... sind Sie dann traurig ... Miß 0'Hara?«

      »Dann weine ich jede Nacht mein Kissen naß.« Es sollte schnippisch klingen, er aber nahm es ernst und errötete vor Freude. Sie hatte die Hand in den Falten ihres Kleides verborgen, er tastete sich heran und drückte sie fest, von seiner eigenen Kühnheit und ihrer Zuneigung überwältigt.

      »Wollen Sie dann für mich beten?«

      »Der Schafskopf!« dachte Scarlett bitter und schaute sich verstohlen

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