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nur für einen kurzen Moment die Kontrolle über mein Fahrzeug verloren. Warum, das kann ich mir heute überhaupt nicht mehr zusammenreimen. Vielleicht war’s ein technischer Defekt am Auto? An der Lenkung vielleicht? Ich weiß es wirklich nicht!“

      „Ja guter Mann, wie kommt es denn, dass man Sie am Tag danach mit fast 2,5 Promille in dieser Kneipe aufgegriffen hat? Und warum haben Sie überhaupt Fahrerflucht begangen? Das erklären Sie diesem Gericht doch bitte mal!“

      „Aber Herr Richter, das war so: Als ich in das Haus gekracht bin, habe ich einfach den Kopf verloren. Ich hatte einen Schock und wusste nicht, was ich tun sollte. Da bin ich einfach weggerannt.“

      „Und weil Sie so erschrocken waren, haben Sie sich dann in die nächste Kneipe gesetzt, um sich dort ein Glas nach dem anderen hinter die Binde zu kippen und sich sinnlos zu besaufen?“

      „Ja Herr Richter, genauso war es – ich schwöre!“

      „Herr Rechtsanwalt, was sagen Sie denn zu den Aussagen Ihres Mandanten?“

      Der Richter wandte sich direkt an den Pflichtverteidiger des Angeklagten, der daraufhin aufsprang und folgendes zum Besten gab:

      „Also Herr Richter, wissen Sie, ich habe zu meinen Mandanten bisher auch noch nicht das richtige Vertrauensverhältnis aufbauen können…“

      Spätestens jetzt lag sonnenklar zu Tage, dass dem Angeklagten im Gerichtssaal niemand auch nur ein Wort glaubte – nicht einmal sein eigener Verteidiger. Für den Angeklagten sah es also gar nicht gut aus.

      Obwohl: Wer sollte ihm beweisen, dass seine Geschichte von vorn bis hinten erstunken und erlogen war? Zeugen gab es nicht, eine beweisfähige Blutprobe vom Tatzeitpunkt auch nicht. Eigentlich war der Angeklagte so gut wie aus dem Schneider. In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten – auf diesen Rechtsgrundsatz konnte er sich jederzeit berufen, denn es gab keinen Tatzeugen und auch sonst keinen stichhaltigen Beweis dafür, dass er wirklich betrunken am Steuer gesessen hatte, als der Unfall passiert war.

      Das können Sie Ihrer Großmutter erzählen...

      Obwohl von der Sache her vollkommen unbeteiligt, war ich aufs Äußerste gespannt, wie sich dieser offene Wettstreit zwischen Richter und Angeklagtem entwickeln würde: Was würde der erlauchte Amtsgerichtsdirektor, in Sachen verstockter Delinquenten mit allen Wassern gewaschen, wohl unternehmen, um diesen „gordischen Knoten“ in der Beweisführung zu entwirren? Würde er die Verhandlung abbrechen, um eine erneute, noch genauere Detail-Untersuchung anzuordnen? Des Tatorts oder des Unfallfahrzeugs zum Beispiel, um eventuell doch noch Spuren und Hinweise auf den vermuteten Alkoholkonsum vor der Tat zu finden? Um durch hieb- und stichfeste Indizien und Beweise den Angeklagten am Ende doch noch einer Lüge zu überführen?

      Nichts dergleichen! Die Methode, die der Richter anwandte, um den Angeklagten, der wie ein Uhrwerk immer dieselbe Geschichte wiederholte, zur Strecke zu bringen, war ebenso simpel wie effektiv: Er stellte dem Angeklagten mit unbeirrter Beharrlichkeit immer wieder dieselben Fragen zum Tathergang und ließ ihn seine Geschichte wieder und wieder erzählen. Und jedes Mal, wenn der Angeklagte mit seinen Ausführungen fertig war, schaute der Richter mit gespielter Verachtung von oben, von seinem leicht erhöhten Richtertisch auf den Angeklagten herab und sagte im vollen Brustton der Überzeugung:

      „Das glaubt Ihnen doch kein Mensch: Diese Geschichte können Sie vielleicht Ihrer Großmutter erzählen, aber nicht diesem Gericht hier! Denken Sie sich doch bitte mal etwas Überzeugenderes aus. So kommen wir hier nie zu einem guten Ende!“

      „Nein, Herr Richter, ich schwöre, genauso war es, ich sage die volle Wahrheit!“

      Drei oder viermal erzählte der arme Mann gezwungenermaßen dieselbe Geschichte, dann knickte er endlich ein:

      „Also ja Herr Richter, ich geb’s ja zu: Zu dieser Erzählung haben mir meine Kumpels geraten. In Wirklichkeit war es so…“

      Und dann kam eine zweite Geschichte, die noch unglaublicher anzuhören war als die erste.

      Das war’s mit „im Zweifel für den Angeklagten”: Trotz fehlender Beweise wurde unser wackerer, zu seinem eigenen Unglück leider mehr als ihm gut tat dem Alkohol verfallener Handwerksmann der grob fahrlässigen Verkehrsgefährdung in Tateinheit mit schwerer Sachbeschädigung schuldig gesprochen.

      Die für Verkehrsdelikte zuständige Haftpflichtversicherung des Unfallfahrers, deren Vertreter zu den wenigen Zuhörern in dem großen, fast leeren Gerichtssaal gehörte, hatte damit die gewünschte Handhabe, sich den gesamten Schadensersatz für das beschädigte Haus vom Angeklagten zurückzuholen. Auto futsch, Geld futsch, und seinen Job beim Bau war der arme Wurm sogar schon vor dem Gerichtstermin los gewesen: Wer beschäftigt auf dem weiten, platten Land wohl jemanden, der kein Auto hat, mit dem er zu ständig wechselnden Baustellen fahren kann?

      Armer Sünder, dachte ich mir, diesen Strick hast du dir ganz allein selbst um den Hals gelegt! Und für mich selbst zog ich aus dieser missglückten Selbstverteidigung den guten Vorsatz, zukünftig noch mehr als bisher an meiner eigenen Rhetorik feilen zu wollen. Nach diesem Prozess war mir sonnenklar, vor Gericht hat nur der gute Karten, der „coole“ Argumente und einen noch cooleren – Entschuldigung –, einen noch kühleren Kopf hat.

      Vor allen Dingen: Jeder Depp und jeder Richter weiß, dass es nur eine einzige Wahrheit, dafür aber umso mehr Unwahrheiten gibt. Wer also für sich selbst beschlossen hat, den Rest der Welt mit Lügenmärchen zu beglücken, der sollte immer daran denken: Sagt man zuerst A und dann B, braucht man sich nicht darüber zu wundern, wenn einem hinterher keiner mehr glaubt. Also bitte schön bei der Stange bleiben – ganz besonders vor Gericht –, und immer schön „A” sagen, auch wenn’s einem keiner glaubt. Sollen alle anderen doch erst einmal hergehen und dir das Gegenteil beweisen!

      Fünf Mark für’s Falschparken

      Diesen guten Grundsatz zur Rechtfertigung aller krummen Touren in unserer ach so unperfekten Welt beherzigten zwei befreundete Jurastudenten, die für falsches Parken am Ende sogar noch Geld vom Staat bekamen. Man lernt aus diesem schönen Beispiel, dass von allen wichtigen und gesellschaftlich wertvollen Berufen, die der liebe Gott so erfunden hat, eine fundierte juristische Ausbildung noch immer das beste Hilfsmittel ist, um ein krummes Ding zum Erfolg zu führen.

      Dabei fing die Geschichte mit meinem Schulfreund „Carlo“ und seinem Freund Jens eigentlich ganz harmlos an:

      Einer der beiden – nämlich Carlo, auch „Karlchen“ genannt, der wahre Name soll hier lieber verschwiegen werden, denn heute ist Karlchen selbst ein ehrenwerter Rechtsanwalt und Notar und möchte ganz bestimmt nicht mit einem Dummejungenstreich wie diesem in Verbindung gebracht werden – fuhr zu einem hochwichtigen Bundesliga-Handballspiel seines Heimvereins THW Kiel. Da alle Parkplätze vor der großen Sporthalle entweder schon belegt waren oder Geld kosten sollten, stellte er sein Auto einfach unmittelbar vor den Halleneingang und damit ins Parkverbot. Es kam, wie es kommen musste: Als das Spiel vorbei war, steckte ein Knöllchen hinter einem der beiden Scheibenwischer. Einen ganzen „Heiermann“ (fünf Mark) sollte Carlo für falsches Parken an Vater Staat berappen. (Man sieht, die Geschichte spielt noch zu antiken, aber seligen D-Mark-Zeiten!)

      Jeder normale Mensch hätte sich kurz geärgert, das Bußgeld überwiesen und die ganze Sache dann sofort ad Acta gelegt. Doch mein guter Freund Carlo war nun einmal ein hoffnungsvoller angehender Jurist. Also suchte er nach einem Ausweg – und fand einen.

      Er tat deshalb erst einmal gar nichts und ließ die Zeit verstreichen, bis ihm vom Gericht per Post eine Vorladung zugestellt wurde. Zwanzig Minuten waren für die Verhandlung seiner Ordnungswidrigkeit angesetzt worden. In Begleitung eines Freundes und mit einem Stapel Akten unter dem Arm betrat Carlo den Gerichtssaal. Nachdem seine Personalien festgestellt waren, fragte der Richter:

      „Warum haben Sie die Geldstrafe nicht gezahlt?”

      Darauf Carlo: „Weil ich unschuldig bin!”

      „Aber Sie sind doch der Halter des Fahrzeugs

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