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oder zu kratzen. Vor der Tür setzte ich ihn dann auf das Steinpflaster des Fußweges, der vom Haus wegführte.

      Kater Fridolin zögerte etwas, nahm erst einmal Witterung auf, um kurz darauf nach Katzenart wie von der Tarantel gestochen loszustürmen. In vollem Galopp rannte er los – und hing im nächsten Augenblick buchstäblich in den Seilen, sprich: an der von ihm selbst stramm gezogenen Katzenleine, die seinem so dynamisch begonnenen Vortrieb abrupt ein jähes Ende setzte.

      Ich glaube, erst in diesem Moment ging unserem Fridolin auf, der ansonsten ein sehr aufgewecktes Kerlchen war, dass er wie im Katzenkorb seiner Freiheit beraubt war, nur dieses Mal durch eine Leine. Seine Verwunderung über diese ungewohnte Zwangsmaßnahme dauerte allerdings nur einen kurzen Moment. Sofort fand er heraus, dass er statt nach vorn, auch nach rechts oder links ausweichen konnte. Ich ließ ihm seinen Willen, lief brav hinter ihm her und war neugierig, wohin uns dieser durch die Leine bedingte, teils zufalls-, teils zwangsgeführte Zickzackkurs wohl führen würde.

      Leider musste ich schnell die Erfahrung machen, dass man als Mensch nicht sehr weit kommt, wenn man seiner Katze die Führung überlässt: Fridolins Weg führte keineswegs zielstrebig geradeaus über den vor uns liegenden, gepflasterten Fußweg, sondern stattdessen querfeldein durch Blumenrabatte und Gebüsch. Ich konnte gerade noch verhindern, dass er unter einem Gartenzaun hindurchkroch und uns beide damit in eine missliche Lage brachte. Daher beschloss ich spontan, das Kommando doch lieber wieder selbst in die Hand zu nehmen. Mit energischen Schritten schlug ich die vom Gehweg vorgegebene Richtung parallel zur Straße ein.

      Doch auch dieser Versuch, die Führung zu übernehmen, schlug fehl. Wir kamen nicht sehr weit: Als Fridolin merkte, dass er seiner eigenen natürlichen Katzenwürde beraubt und zum reinen „Follower“ degradiert werden sollte, blieb er einfach stehen. Die Leine spannte sich erneut, und mir blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls stehen zu bleiben. Einen nachdenklichen Moment lang verharrten wir beide uns von Angesicht zu Angesicht in die Augen schauend.

      Während ich so dastand und ziemlich ratlos dreinschaute, war Fridolin offensichtlich sehr gespannt, was ich nun wohl unternehmen würde, wenn er sich weiter weigern würde, einfach hinter mir her zu laufen. Doch typisch Mann: Als Ausweg fiel mir natürlich nur die rohe Gewalt ein! Was: Von einem Kater sollte ich mir den schönen Abendspaziergang verderben lassen? Das durfte nicht sein, das konnte nicht sein! Schließlich war ich von uns beiden doch der Stärkere. Physisch zumindest.

      Also beschloss ich, Fridolins Widerwillen gegen menschgeführtes Laufen an der Leine einfach zu ignorieren und den Weg mit großen Schritten unbeirrt weiter zu gehen. Mit anderen Worten: Unvermittelt drehte ich mich wieder in die Richtung des Gehwegs um und zog Fridolin mit purer Muskelkraft hinter mir her, ob er nun wollte oder nicht.

      Aber Katzen und Zwang, das geht einfach nicht zusammen. Schließlich war Fridolin, so klein und zerbrechlich er auch aussah, schon ein ausgewachsener Kater und hatte seine eigene Würde und Persönlichkeit. Um das zu demonstrieren, machte er seine Beine lang, fuhr die Krallen aus, stemmte alle vier Pfoten in das Gehwegpflaster und versuchte so, mir seinen Widerwillen gegen mein autoritäres Gehabe zu demonstrieren und mich seinerseits mit purer Gewalt aufzuhalten.

      Da ich mich von ihm, dem „kleinen Furz“, aber nicht aufhalten ließ, scheuerte Kater Fridolin recht unsanft mit seinen vier steifen Katzenbeinen über das Gehwegpflaster. Den kleinen Pfötchen war das natürlich unangenehm, und so fiel er nach kurzer Zeit in einen schnellen Schweinsgalopp, um mit mir mitzuhalten, stemmte seine vier Pfötchen dann aber erneut verbissen auf das ebene Gehwegpflaster, um einen weiteren Versuch zu unternehmen, mich aufzuhalten. Zwangsweise verfiel er kurz darauf wieder in den schnellen Schweinsgalopp, machte seine Beine danach erneut steif und so weiter und so fort.

      So zu gehen, machte weder ihm noch mir großen Spaß. Also hielt ich an, um nach einer anderen Möglichkeit zu suchen. Doch als ich mich umdrehte, um Fridolin erneut fragend in die Augen zu blicken, war unser Kater weg. Mitsamt der Leine. Wie konnte das angehen? Ich spürte die Leine fest in meiner Hand, aber ich sah weder die Leine noch Fridolin. Hecktisch schaute ich mich nach allen Seiten um – nichts: keine Leine, kein Fridolin! Allein in dunkler Nacht stand ich da. Unser Kater war wie weggezaubert.

      Wie konnte das angehen?

      Um der Sache auf den Grund zu gehen, schaute ich auf meine rechte Hand, die die Katzenleine immer noch fest umklammert hielt. Und bemerkte sofort, dass die Leine nicht mehr schräg nach unten, sondern stramm nach oben zeigte. Wie war das möglich? Hatte unser Kater plötzlich das Fliegen gelernt?

      Verblüfft folgten meine Augen der stramm gespannten Leine. Ich schaute nach oben und sah direkt in ein mir vertrautes Katzengesicht. Zufälligerweise war ich unmittelbar neben einem Straßenbaum stehengeblieben, und der schlaue Kater hatte diese einmalige Chance sofort zur Flucht genutzt. Wie es Katzen von Natur aus gewohnt sind, war er mir nichts, dir nichts mit ein paar behänden Sprüngen einfach den Baum hinauf gesprungen. Und da thronte er nun hoch über mir auf einem Ast und lachte mir triumphierend ins Gesicht. Genau so, als wolle er mir sagen: „Du denkst, du bist schlauer als ich? Bist du aber nicht – ätsch, bätsch, dreimal schwarzer Kater!“

      Ohne lange zu überlegen erkannte ich, dass ich diesen Zweikampf verloren hatte. Fridolin hing über mir wie ein Luftballon an der Leine und zeigte mir damit mehr als deutlich das absolut Sinnlose unseres Tuns auf. Frustriert holte ich ihn vom Ast herunter und trug ihn zurück in die elterliche Wohnung. Ich war geschlagen, er aber auch. Denn für den Rest unseres gemeinsamen Aufenthaltes bei meinen Eltern durfte er die geschlossene Wohnung nicht mehr verlassen.

      „Fridolin, du armer Stubentiger“, dachte ich bei mir, „hast’ erfolgreich gegen die Leine protestiert und dennoch verloren: ein echter Katzen-Pyrrhussieg!“

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