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auf Frau Weichelt ein, die in aller Eile nur noch die Wohnung verlassen konnte.

      „Und du, Alter, sagst mal wieder kein einziges Wort, du bist doch so ein Waschlappen, kein Wunder, dass man dir einen Arm weggeschossen hat. Und du, Charlotte, geh mir aus den Augen und lass dich hier heute nicht mehr blicken. Am besten haust du gleich ganz ab, aber dass du Geld von mir bekommst, das kannst du vergessen.“

      Es dauerte noch eine Weile, aber im darauffolgenden Jahr, Charlotte war inzwischen 17 Jahre alt, war es dann endlich soweit. Das Jugendamt hatte ihr ein kleines möbliertes Zimmer in Fulda besorgt, Spülstein mit kaltem Wasser im Zimmer, Toilette für mehrere Mietparteien auf demselben Flur und eine Dusche, ebenfalls für mehrere Parteien, eine Etage tiefer. Das Jugendamt zahlte die Miete und sie bekam auch Unterhalt vom Jugendamt, wie das Ganze mit ihrer Mutter geregelt wurde, interessierte sie nicht. Es war für sie der Himmel auf Erden.

      Bad Kissingen

      Im Jahre 1954, liebe Mama, begann endlich dein eigenes Leben. Du warst so glücklich, alles schien sich nun zum Besseren zu wenden. Die Schule machte dir nicht nur sehr viel Spaß, sondern deine Noten, die zwischendurch total eingebrochen waren, erreichten wieder den früheren Höchststand, sodass du 1956 das Abitur als Jahrgangsbeste bestanden hast. Du hattest also alle Voraussetzungen, um erfolgreich ein Studium zu absolvieren, aber du wolltest nicht länger lernen und vor allem wolltest du nicht länger von der Unterstützung durch das Jugendamt abhängen, also hast du nach einer Möglichkeit gesucht, wie du ohne Ausbildung Geld verdienen könntest.

      Eine Freundin machte dich auf eine Zeitungsanzeige aufmerksam, in der ein Dienstmädchen von einem Kurhotel in Bad Kissingen gesucht wurde. Obwohl das Kurhotel um eine schriftliche Bewerbung bat, bist du einfach hingefahren, um dich persönlich vorzustellen und tatsächlich hast du diese Stelle bekommen. Der Personalchef freute sich sogar, das erste Dienstmädchen mit Abitur einzustellen. Außerdem konntest du ein kleines möbliertes Zimmer im Dachgeschoss des Hotels bewohnen, sodass du dein Zimmer in Fulda kündigen konntest und endlich unabhängig warst, sowohl von deiner Mutter als auch vom Jugendamt.

      Das monatliche Gehalt war nicht besonders üppig, aber Charlotte kam es vor wie ein Vermögen, außerdem steckten ihr viele Gäste bei so manchen Gelegenheiten noch ein Trinkgeld zu. Der Personalchef hatte zwar ausdrücklich gesagt, dass alle Dienstmädchen verpflichtet seien, das Trinkgeld abzugeben, aber die anderen Dienstmädchen wussten, dass dies nicht sehr genau nachgehalten würde; wenn tatsächlich mal danach gefragt wurde, gab man einfach nur einen Teil des Trinkgeldes ab.

      Die ersten Wochen waren für Charlotte sehr anstrengend, weil diese Arbeit für sie vollkommen ungewohnt war, außerdem wurde ganz selbstverständlich erwartet, dass die Dienstmädchen zehn und mehr Stunden am Tag arbeiteten, ohne dass irgendwelche Überstunden bezahlt würden. Doch nach einigen Wochen hatte Charlotte sich an diese Arbeit gewöhnt, sodass sie ihr viel leichter fiel und nun hatte sie endlich das Gefühl, vollkommen frei und unabhängig zu sein.

      Charlotte freundete sich sehr schnell mit einigen der übrigen Dienstmädchen an und an ihren freien Abenden gingen sie dann gemeinsam raus. Manchmal kauften sie sich etwas zu trinken und setzten sich in den nahegelegenen Park, erzählten sich gegenseitig von ihren amourösen Erlebnissen, machten sich über die vorbeigehenden jungen Männer lustig und bei dem einen oder anderen sagten sie: „Den würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen.“ Aber Charlotte sagte dann immer: „Diese Kerle sind mir doch alle viel zu jung waren, was soll ich denn mit einem so jungen Schnösel, mit dem kann man sich doch gar nicht so richtig unterhalten.“ Die übrigen lachten dann nur: „Wer will sich denn unterhalten?“

      Wenn sich mal besonders viel Trinkgeld angesammelt hatte, gingen sie alle gemeinsam in eine Diskothek. Meistens wurden die anderen Mädchen zum Tanzen aufgefordert und Charlotte blieb alleine sitzen, nicht nur waren ihr diese Männer zu jung, sie schien auch eine gewisse Ablehnung auszustrahlen. Lediglich bei langsamer Musik wurde sie manchmal zum Tanzen aufgefordert. Wenn sich dann diese Männer ganz fest an sie klammerten, konnte sie ihre Erektion spüren und es war ihr sehr unangenehm, wenn sie dann auch noch anfingen, sich an ihr zu reiben. Besonders schlimm war es für sie, wenn sie riechen konnte, dass ein Mann dabei zum Höhepunkt gekommen war. Aber sie wagte es nie, eine Aufforderung zum Tanz abzulehnen.

      Als Charlotte bereits sechs Jahre in diesem Kurhotel beschäftigt war, sie war inzwischen 25 Jahre alt, fiel ihr auf, dass einer der Gäste sie ständig zu beobachten schien, wenn sie in seine Nähe kam. Wolfgang Stötzel war zehn Jahre älter als Charlotte, er war leicht übergewichtig und sein rotblondes Haar hatte sich bereits soweit gelichtet, dass man seine Kopfhaut sehen konnte. Eines Tages, Charlotte versorgte die Gäste des Hotels mit frischen Handtüchern, bat Wolfgang Stötzel sie, einen Moment in sein Zimmer zu kommen.

      „Es tut mir Leid, wir dürfen nicht in die Gästezimmer gehen, wenn der Gast anwesend ist.“

      „Ich werde Sie schon nicht verraten, ich möchte mich wirklich nur einen Moment ungestört mit Ihnen unterhalten.“

      Charlotte ging in das Zimmer hinein, blieb aber direkt hinter der Tür stehen; sie presste die frischen Handtücher, die sie für Wolfgang bereit hielt, fest gegen ihre Brust; es war ihr sehr unangenehm, alleine mit einem Mann im Zimmer zu sein.

      „Bitte entschuldigen Sie, ich möchte Sie wirklich nicht belästigen, aber Sie sind mir seit Tagen schon aufgefallen, weil Sie das schönste Dienstmädchen in diesem Hotel sind und ich muss Sie das jetzt einfach fragen. Bitte nehmen Sie mir das nicht übel und wenn Sie verheiratet sind oder einen Verlobten haben, dann vergessen Sie meine Frage einfach wieder. Würden Sie mit mir mal auszugehen?“

      „Es tut mir Leid, wir dürfen keine persönlichen Beziehungen zu unseren Gästen haben.“

      „Das kann ich verstehen, aber wenn wir uns in der Stadt treffen, wird ja niemand etwas davon erfahren. Wir könnten in ein Restaurant gehen und uns in Ruhe ein wenig kennenlernen.“

      Charlotte zögerte, einerseits war ihr so etwas streng verboten, andererseits wusste sie, dass sie in ihrem Leben kaum Gelegenheiten hatte, einen Mann kennenzulernen und dieser Wolfgang Stötzel war ihr tatsächlich sehr sympathisch, sodass sie schließlich zusagte, sich mit ihm an ihrem nächsten freien Abend mit ihm in der Stadt zu treffen. Es war ein Samstagabend, an dem Wolfgang zwei Plätze in einem Restaurant reserviert hatte.

      „Seit wann arbeiten Sie in diesem Kurhotel?“

      „Jetzt schon seit sechs Jahren.“

      „Sie sind mir gleich aufgefallen und ich habe den Eindruck als wären Sie hier völlig fehl am Platz. Kann es sein, dass Sie eigentlich einen anderen Beruf haben?“

      „Nein, ich habe keinen anderen Beruf. Aber Sie haben Recht, ich habe vor sechs Jahren in Fulda mein Abitur als Jahrgangsbeste abgeschlossen und eigentlich könnte ich studieren oder eine Ausbildung machen, aber ich wollte nach dem Abitur so schnell wie möglich Geld verdienen und wenn man dann erst einmal den Anschluss verloren hat, ist es schwer, noch einmal von vorne anzufangen.“

      „Konnten Ihre Eltern Sie denn nach dem Abitur nicht unterstützen, wollten sie nicht, dass ihre Tochter einen vernünftigen Beruf erlernt?“

      „Das ist eine lange Geschichte und ich möchte heute Abend wirklich nicht gerne darüber reden. Erzählen Sie mir lieber von sich. Was machen Sie denn beruflich?“

      „Ich habe einen Möbelhandel und der floriert sehr gut, denn seitdem es bei uns wirtschaftlich immer weiter bergauf geht, wollen natürlich auch immer mehr Menschen neue Möbel haben. Ich suche übrigens gerade eine neue Sekretärin, also wenn Sie Lust auf eine Veränderung, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie bei mir anfangen würden.“

      „Ich weiß nicht, ich fühle mich in dem Hotel wirklich sehr wohl, aber ich werde es mir mal überlegen.“

      Nach dem Essen gingen Charlotte und Wolfgang noch in ein Wirtshaus und obwohl Charlotte gar nicht so viel getrunken hatte, war sie am Ende doch ziemlich betrunken, weil sie Alkohol überhaupt nicht gewohnt war. Deswegen war es ihr auch egal, dass sie gemeinsam mit einem Taxi zum Hotel zurückfuhren, dort angekommen, trennten

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